Unfallversicherungsschutz beim „Luftschnappen“ im Pausenbereich

Unfallversicherungsschutz besteht nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg auch, wenn ein Arbeitnehmer beim „Luftschnappen“ in einem ausgewiesenen Pausenbereich von einem Gabelstapler angefahren wird.

Der Fall: Unfall beim Luftschnappen

Der Kläger des Verfahrens hatte sich, als ihm keine konkrete Arbeit zugewiesen war, erlaubterweise in einem ausgewiesenen Pausen- und Raucherbereich auf dem Betriebsgelände eines Unternehmens in Ludwigshafen aufgehalten, um Luft zu schnappen. Dabei fuhr ihn ein Gabelstapler an. Er erlitt eine Unterarmfraktur und eine Kniegelenksdistorsion.

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger zur Zeit des Unfalls eine privatnützige Verrichtung ausgeführt habe. Das SG Mannheim war dem gefolgt und hatte auch keinen Versicherungsschutz wegen einer spezifischen Betriebsgefahr gesehen, weil die Gefahr in dem Pausenbereich nicht höher gewesen sei als allgemein am Wohn- und Beschäftigungsort und weil sich der Kläger dieser Gefahr freiwillig ausgesetzt habe.

LSG: Spezifische betriebliche Gefahr liegt vor

Dagegen hat das LSG Baden-Württemberg auf die Berufung des Klägers hin einen Arbeitsunfall festgestellt (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2023, Az. L 1 U 2032/22). Es lag hier eine spezifische betriebliche Gefahr vor. Die erhöhte Gefährlichkeit von Gabelstaplern gegenüber dem alltäglichen Straßenverkehr ist durch Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung nachgewiesen und Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften. Ein Beschäftigter darf darauf vertrauen, während einer gestatteten Pause auch in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Bereich keinen gegenüber dem allgemeinen Leben erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein.

Das LSG hat allerdings die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen, weil in der bisherigen Rechtsprechung nicht endgültig geklärt ist, ob der Versicherungsschutz wegen einer spezifischen betriebsbezogenen Gefahr nur in unmittelbarer Nähe des konkreten Arbeitsplatzes besteht oder auch in einem weiter entfernt liegenden Pausenbereich wie hier.

Wichtig für die Praxis

In der Rechtsprechung der Sozialgerichte ist anerkannt, dass ein Unfall nicht nur dann ein Arbeitsunfall ist, wenn er während betriebsbezogener Verrichtungen in der Arbeit geschieht, sondern auch, wenn sich in ihm eine spezifische betriebsbezogene Gefahr verwirklicht. Die Reichweite dieser Fallgruppe des Versicherungsschutzes ist aber immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Relativ eindeutig liegt der Fall, wenn ein Unfall in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes passiert und sich dabei die betriebsbezogene Gefahr ausgewirkt hat. Das LSG Baden-Württemberg geht darüber nun hinaus und weitet den Unfallversicherungsschutz in andere betriebliche Bereiche aus. Es wird abzuwarten sein, wie sich das BSG zu dieser Frage stellt.

Schlagworte zum Thema:  Unfallversicherung, Arbeitsschutz, Rechtsprechung