Turniere als (versicherter) Betriebssport?

Gerade in großen Unternehmen mit vielen Standorten sind Mannschaftsturniere, sei es Fußball, Tennis o.ä. nicht selten. Verletzungen anlässlich solcher Turniere gehören zum Alltag - genauso, wie sich anschließende Streitigkeiten mit den Berufsgenossenschaften über die Frage, ob es sich dabei um (versicherte) Arbeitsunfälle handelt oder nicht.

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat nun in einem solchen Fall recht grundsätzlich dazu Stellung genommen, ob solche Turniere versicherter Betriebssport sind oder nicht.

Der Fall: Fußballturnier mit 20 Mannschaften

Der Kläger ist bei der Firma N als Kommissionierer beschäftigt. Das Unternehmen ist europaweit tätig und hat im Wirtschaftsjahr 2017/2018 über 11.000 Mitarbeiter beschäftigt. Es existierten 247 Niederlassungen in Europa mit deutlichem Schwerpunkt in Deutschland (115 Niederlassungen). Seit ca. 20 Jahren findet einmal jährlich ein Fußballturnier statt. Die teilnehmenden Mannschaften rekrutieren sich aus N-Mitarbeitern. Der Turniermodus sieht wie folgt aus: Die Niederlassung, deren Team das Turnier gewonnen hat, führt immer die nächstjährige Veranstaltung durch. Das Turnier erfolgte ohne weitere Programmpunkte. Vorab fand ein Umtrunk und die Auslosung der Gruppen statt.

Im Jahre 2018 war die Ausrichterin die N HR Services; an diesem Turnier nahm der Kläger teil und verdrehte sich hierbei das rechte Knie. Er machte gegenüber der BG geltend, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Die beklagte BG lehnte die Entschädigung des Unfalles als Arbeitsunfall ab.

Auch das Sozialgericht hat sich dieser Meinung angeschlossen (Urteil vom 13.02.2020, Az. S 6 U 518/18). Dagegen legte der Kläger Berufung zum LSG ein.

LSG: Es handelt sich nicht um versicherten Betriebssport!

Das LSG wies die Berufung ab (Beschluss vom 25.05.2022, Az. L 17 U 210/20): Mit seiner Teilnahme am Fußballturnier habe der Kläger offenkundig weder eine geschuldete noch eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt und auch kein unternehmensbezogenes Recht wahrgenommen. Die Ausrichtung und Organisation des jährlich stattfindenden Fußballturniers begründete für die Beschäftigten weder eine Teilnahmeverpflichtung noch war sie geeignet, einen dahingehenden Anschein zu erwecken.

Unter bestimmten Voraussetzungen stünden allerdings auch Aktivitäten im Rahmen des Betriebssports unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 13.12.2005, Az. B 2 U 29/04 R) erfolgt die erforderliche Abgrenzung des versicherten Betriebssports von anderen sportlichen Aktivitäten nach folgenden Kriterien: Der Sport

  • muss Ausgleichs- und nicht Wettkampfcharakter haben,
  • er muss regelmäßig stattfinden,
  • der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die sich zu einer Betriebssportgemeinschaft zusammengeschlossen haben, beschränkt sein,
  • Übungszeit und Übungsdauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und
  • die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden.

Seine frühere Rechtsprechung, wonach gelegentliche Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgemeinschaften außerhalb der regelmäßigen Übungsstunden ebenfalls versichert sein können, hat das BSG mit dieser Entscheidung aufgegeben.

Ein solcher Unternehmensbezug war hier - so das LSG - nicht vorhanden. Das Fußballturnier war jedenfalls nicht dem versicherten Betriebssport zuzurechnen, weil es nicht im Rahmen der regelmäßigen, im zeitlichen Zusammenhang der betrieblichen Tätigkeit stehenden Betätigung der Betriebssportgemeinschaft der Firma B. stattfand. In dem Turnier kann auch keine eigenständige Aktivität des Betriebssports gesehen werden. Zwar findet es einmal jährlich, also im Wortsinn „regelmäßig“ statt. Jedoch stehen sportliche Betätigungen, die nur einmal jährlich stattfinden, nicht in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden zeitlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. Der erforderliche Betriebsbezug bestand demnach nicht.

Die Teilnahme an dem Fußballturnier kann auch nicht ausnahmsweise aus anderen Gründen der versicherten Beschäftigung des Klägers zugerechnet werden. Eine Verrichtung, die nicht der Erfüllung einer Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis dient oder dienen soll, kann nur dann im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, wenn der Beschäftigte sie wegen des Beschäftigungsverhältnisses vornimmt, um durch sie zumindest auch dem Unternehmen in nicht offensichtlich untauglicher Weise zu dienen.

Diese Zurechnung kann bei der freiwilligen, das heißt rechtlich nicht geschuldeten und vom Unternehmen nicht abverlangten Teilnahme an einer sogenannten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung in Betracht kommen, weil der Beschäftigte wegen seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers durch seine freiwillige, aber vom Unternehmer erbetene Teilnahme das erklärte Unternehmensinteresse unterstützt, durch die Gemeinschaftsveranstaltung den Zusammenhalt in der Belegschaft und mit der Unternehmensführung zu fördern. Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen kann der versicherten Beschäftigung aber nur zugerechnet werden, wenn wenigstens folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Arbeitgeber will die Veranstaltung als eigene betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zur Förderung der Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander und mit ihm durchführen.
  • Er hat zu ihr alle Betriebsangehörigen bzw. alle Angehörigen einer organisatorisch abgegrenzten Abteilung des Betriebs eingeladen oder einladen lassen.
  • Mit der Einladung muss der Wunsch des Arbeitgebers deutlich werden, dass möglichst alle Beschäftigten sich freiwillig zu einer Teilnahme entschließen.
  • Die Teilnahme muss ferner vorab erkennbar grundsätzlich allen Beschäftigten des Unternehmens oder der betroffenen Abteilung offenstehen und objektiv möglich sein. Es reicht nicht aus, dass nur den Beschäftigten einer ausgewählten Gruppe die Teilnahme angeboten wird oder zugänglich ist.

Auf die tatsächliche Anzahl der Teilnehmenden im Sinne einer absoluten Untergrenze kommt es hingegen nicht an. Das Fußballturnier fand zwar mit Wissen, Billigung und Unterstützung des Unternehmens statt. Die Veranstaltung entsprach aber schon hinsichtlich des als mögliche Teilnehmer ins Auge gefassten Personenkreises nicht den oben dargelegten Anforderungen.

Wichtig für die Praxis: Fußballturniere grundsätzlich nicht versichert?

Für den betrieblichen Arbeitsschutz steht der Betriebssport meistens nicht ganz oben auf der Tagesordnung. Die vorliegende - sehr grundsätzliche - Entscheidung macht aber deutlich, dass es auch hier viel zu beachten gibt.

Das LSG hat ausdrücklich offen gelassen, ob Fußballturniere wegen ihres Wettkampfcharakters grundsätzlich keinen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit der daran teilnehmenden Beschäftigten haben können. Hierzu gibt es jedoch eindeutige Signale vom Bundessozialgericht: Für ein Fußballturnier besteht danach als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung nur Versicherungsschutz, wenn es im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die alle Betriebsangehörigen einbezieht (Urteil vom 07.12.2004, Az. B 2 U 47/03).