Team-Building als versicherte Tätigkeit

Der Unfall einer Arbeitnehmerin bei der Teilnahme an einem Segway-Parcours im Rahmen einer Team-Building-Maßnahme ist nach einem Urteil des LSG Bayern ein Arbeitsunfall, weil die Arbeitnehmerin davon ausging, dass die Teilnahme eine Pflicht im Rahmen ihrer Beschäftigung war.

Der innere Zusammenhang zwischen der Teilnahme einer Arbeitnehmerin an einem Segway-Parcours als Team-Building-Maßnahme im Rahmen einer Tagung und ihrer versicherten Tätigkeit beim Unternehmen ist auch dann gegeben, wenn sie mit ihrer Teilnahme keine objektiv geschuldete Handlung vornimmt, sondern einer vermeintlichen Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis nachgegangen ist und nach den besonderen Umständen ihrer Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte - und angenommen hat - sie treffe eine solche Pflicht.

Solche besonderen Umstände liegen nach einem Urteil des LSG Bayern jedenfalls dann vor, wenn die Durchführung des Segway-Parcours als Team-Building-Maßnahme integraler Bestandteil eines fachlichen Programmpunktes der Tagung ist und nicht nur mittelbar dem Betriebsklima - quasi als positiver Nebeneffekt - dient, sondern unmittelbar betrieblichen Interessen des Unternehmens.

Der Fall: Unfall auf dem Segway-Parcours

In der Zeit vom 04.04.2017 bis 05.04.2017 führte der Arbeitgeber der Klägerin eine 2-tägige Dienstveranstaltung (Klausurtagung/Kick-Off Bereich „Business Development“) durch, an der die Klägerin sowie ausschließlich Mitarbeiter des neu gegründeten Bereichs „Business Development“ teilnahmen. Am 04.04.2017 nahm die Klägerin im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Impulsvortrag in Cooperation mit S. E. T.“ an einem Segway-Parcours teil. Laut Durchgangsarztbericht vom selben Tag stürzte die Klägerin mit dem Segway auf die linke Schulter und erlitt dabei eine Humeruskopffraktur (Oberarmbruch). Strittig ist die Anerkennung dieser Verletzung als Arbeitsunfall.

Die zuständige BG lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, der Widerspruch blieb erfolglos. Das SG Nürnberg gab der Klage statt und nahm das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an (Urteil vom 03.02.2020, Az. S 2 U 185/19). Dagegen legte die BG Berufung ein. Weiterhin strittig ist zwischen den Parteien, ob es sich bei dem Segway-Parcours um eine dienstliche Veranstaltung handelte oder nicht.

LSG: Arbeitnehmerin durfte annehmen, sie erfülle eine arbeitsvertragliche Pflicht

Das LSG Bayern nahm das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an (Urteil vom 20.01.2022, Az. L 17 U 65/20). Zur vollen Überzeugung des LSG-Senats stünde fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Ereignisses am 04.04.2017 aufgrund der besonderen Umstände, unter denen der Segway-Parcours im Rahmen der Tagung und des Programmpunktes „Impulsvortrag in Cooperation mit S. E. T.“ durchgeführt wurde sowie aufgrund der damit verbundenen Zielsetzung annehmen durfte, sie erfülle mit der Teilnahme am Parcours eine solche Pflicht aus ihrem Beschäftigungsverhältnis und würde damit betrieblichen Interessen dienen, ferner, dass ihre Teilnahme am Parcours subjektiv auch darauf ausgerichtet war.

Die vom Vorstand der Fa. F genehmigte 2-tägige Dienstveranstaltung für die Mitarbeiter des neu gegründeten Bereichs „Business-Development“ stand, so das LSG, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei auch der innere Zusammenhang der Teilnahme der Klägerin am Segway-Parcours mit ihrer versicherten Tätigkeit zu bejahen, denn der Parcours stellte erkennbar kein vom fachlichen Tagungsprogramm abgrenzbares Freizeit- oder Begleitprogramm der Tagung dar, sondern war dessen integraler Bestandteil. Zwar geht auch das LSG davon aus, dass allein der formale Umstand der Aufnahme eines Programmpunktes in die Tagesordnung einer Tagung einen rechtlich wesentlichen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang zwischen der Teilnahme an einem solchen Programmpunkt mit der versicherten Tätigkeit nicht zu begründen vermag, weil man es sonst bereits durch ein formales Kriterium uneingeschränkt in die Hand des Arbeitgebers bzw. des Einladenden legen würde, den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf sonst unversicherte Tätigkeiten und Aktivitäten auszuweiten.

Maßgeblich sei jedoch, dass hier beim Segway-Parcours nicht Freizeit, Unterhaltung, Erholung, Entspannung und/oder die Befriedigung sportlicher Interessen der Teilnehmer im Vordergrund standen und die Teilnahme am Parcours nicht nur mittelbar dem Betriebsklima - quasi als positiver Nebeneffekt - zugutekam, sondern eine Teambuilding-Maßnahme war und unmittelbar den betrieblichen Interessen des Unternehmens diente.

Wichtig für die Praxis: Arbeitgeber muss im Vorhinein Klarheit schaffen!

Hier handelt es sich um eines der häufigen Streitverfahren, die anlässlich betrieblicher Veranstaltungen immer wieder auftreten können. Wann sind Aktivitäten anlässlich solcher Veranstaltungen durch die Gesetzliche Unfallversicherung geschützt? Das LSG Bayern erörtert diese Frage hier sehr ausführlich und kommt vor allem zu dem Schluss, dass es neben objektiven Kriterien ganz maßgeblich darauf ankomme, wie der verunfallte Arbeitnehmer die Situationen einschätzt. Meint er, sich aus seiner betrieblichen Verpflichtung heraus an Aktivitäten beteiligen zu müssen, die er sonst meiden würde, spricht viel dafür, dass ein Freizeitcharakter kaum zu bejahen sein wird.

Um Unsicherheiten und möglichen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, sollte deswegen im Vorhinein eine eindeutige Kommunikation des Arbeitgebers hinsichtlich des dienstlichen Charakters solcher Veranstaltungen erfolgen. Veranstaltungsteile müssen auf das Risiko hinsichtlich eines fehlenden Unfallversicherungsschutzes hin untersucht werden und im Zweifel ggfs. unterlassen werden oder deren Teilnahme auf freiwillige Basis gestellt werden (dann sollten Beschäftigte auf das Fehlen eines Unfallversicherungsschutzes vorab hingewiesen werden).