Schädigung durch Untersuchung nach Arbeitsunfall

Gesundheitsschäden, die durch eine vom Durchgangsarzt oder Versicherungsträger veranlasste Untersuchung wegen eines Arbeitsunfalls verursacht sind, sind nach einem Urteil des LSG Sachsen-Anhalt in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert, auch wenn die Untersuchung nicht erforderlich war.

Der Fall: Knieschädigung durch ärztlich Untersuchung

Die Klägerin erlitt als Schülerin beim Sportunterricht einen Unfall (Zerrung des linken Knies). Der Durchgangsarzt nahm eine Kniegelenkarthroskopie vor zur Abklärung des Verdachtes eines Kreuzbandrisses, der sich jedoch nicht bestätigte. Die Arthroskopie führte zu einem Patellaspitzensyndrom (schmerzhafte Entzündung der Sehnenverbindung zwischen Oberschenkelmuskel, Kniescheibe und Schienbein). Dieses beruhte nicht unmittelbar auf dem Unfall, sondern entstand, weil der Arzt bei der Arthroskopie den sog. „Hoffaschen Fettkörper“ teilweise abgetragen hatte, um das vordere Kreuzband vollständig einsehen zu können.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Patellaspitzensyndroms als Folge des Arbeitsunfalls ab. Es sei nicht unmittelbar auf den Unfall zurückzuführen, sondern Folge der Maßnahme zur diagnostischen Abklärung. Die dagegen erhobene Klage hatte vor dem Sozialgericht Erfolg (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.11.2016, Az. S 23 U 115/13), weil das Patellaspitzensyndrom mittelbare Unfallfolge sei, da die Arthroskopie durch den beklagten Unfallversicherungsträger bzw, dessen Leistungserbringer veranlasst wurde.

LSG: Medizinische Untersuchung war die Ursache

Das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 16.12.2021, Az. L 6 U 5/17) weist die Berufung der Beklagten gegen das Urteil zurück. Das Patellaspitzensyndrom sei eine versicherte Unfallfolge nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII, nämlich ein Gesundheitsschaden infolge einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung. Solche mittelbaren Folgen müssten nicht durch den Gesundheitserstschaden verursacht worden sein.

Zunächst sei festzustellen, ob die Untersuchung naturwissenschaftliche Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung war. Sodann müsse es sich hierbei um eine rechtlich wesentliche Bedingung handeln. Ob die medizinische Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts gem. § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII durchgeführt wurde, richte sich dabei nach der verständigen Würdigung der objektiven Gegebenheiten durch den Versicherten. Dies war hier der Fall, da die medizinische Empfehlung zur Arthroskopie im Hinblick auf etwaige Spätfolgen plausibel war und zudem die Beklagte hierfür deren Kosten übernahm. Es handelte sich auch um eine wesentliche Ursache, weil die daneben bestehende Schleimhautfalte und der Hoffasche Fremdkörper als Schadensanlage nicht in Betracht kamen, sondern maßgebender Grund die Abklärung des Verdachtes auf Kreuzbandriss war.

Die Revision zum BSG wurde nicht zugelassen.

Wichtig für die Praxis

Dieser Fall ist natürlich ohne Weiteres auf das Arbeitsleben übertragbar. Verletzungen durch Arbeitsunfälle machen es nur zu oft notwendig, dass Folgeuntersuchungen stattfinden müssen. Versicherte dabei vom Schutz der Unfallversicherung auszunehmen, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar - so sieht es übrigens auch das Bundesozialgericht in ständiger Rechtsprechung.

Es kommt maßgeblich darauf an, welchen Eindruck der Versicherte hat: Wird ihm die Untersuchung vom Versicherungsträger, in der Regel also der BG, nahegelegt, so ist er ggfs. auch gegen die Folgen dieser Untersuchung versichert - im Übrigen auch auf Wegen, die mit einer solchen Untersuchung verbunden sind.