Schadensersatzanspruch wegen arbeitsmedizinischer Untersuchung

Ist eine arbeitsmedizinisch erforderliche Untersuchung korrekt durchgeführt worden, kann der betroffene Arbeitnehmer wegen der daraus resultierenden Folgen (Arbeitsplatzverlust) gegen den Betriebsarzt keinen Schadensersatzanspruch durchsetzen.

Der Fall

Eine Arbeitnehmerin (Klägerin) wird wegen auffälligen Verhaltens zu einer betriebsärztlichen Untersuchung geschickt. Der betriebsmedizinische Dienst (Beklagte) kommt im Anschluss zu folgendem - dem Arbeitgeber übermittelten - Ergebnis:
Im Rahmen des Termins wurde [die Klägerin] von mir ausführlich beraten. Eine Entbindung von der Schweigepflicht liegt leider nicht vor. Aus arbeitsmedizinischer Sicht ist [die Klägerin] körperlich einsetzbar für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten (…). Die Einschätzung (…) psychischer Einsatzfähigkeit sollte durch einen psychiatrischen Fachgutachter erfolgen. Bis eine Stellungnahme zur Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Fachgutachters vorliegt, empfehle ich Ihnen aus arbeitsmedizinischer Sicht [die Klägerin] freizustellen.“

Die Klägerin befürwortete die Empfehlungen der Beklagten und bat diese um Beauftragung des vorgeschlagenen Fachgutachters. Danach wandte sich die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und kritisierte die Empfehlungen der Beklagten; zu den Untersuchungsterminen bei dem beauftragten Fachgutachter erschien sie nicht.

Im Zusammenhang mit den Vorgängen sprach die Arbeitgeberin eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin aus. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem ArbG Köln; das Verfahren wurde durch Vergleich beendet.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe sie in Verletzung ihrer ärztlichen (Verschwiegenheits-)Pflichten bei ihrer Arbeitgeberin diskreditiert und macht sie verantwortlich für den Verlust des Arbeitsplatzes durch Rufschädigung. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe aufgrund der durch die Pflichtverletzungen der Beklagten im Rahmen der arbeitsmedizinischen Untersuchung erlittenen Leiden, einschließlich des Arbeitsplatzverlusts ein Schmerzensgeld zu, welches sie in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern beziffert.

LG Köln: Ein Schadensersatzanspruch ist nicht gegeben

Mit Urteil vom 25.8.2020 (Az. 3 O 208/19) wies das LG die Klage ab. ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehe nicht, denn ein immaterieller Schadensersatz steht der Klägerin weder aus Vertrag noch aus Delikt zu.

Ein vertraglicher Anspruch sei nicht ersichtlich, da ein Behandlungsvertrag mit dem Betriebsarzt regelmäßig nicht zustande kommt. Dieser wird - so auch hier - in der Regel ausschließlich als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers tätig, sodass sich Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung nur gegen den Arbeitgeber, nicht aber gegen den Betriebsarzt richten.

Auch ein deliktischer Anspruch nach §§ 823 ff. BGB scheidet mangels Rechtsgutsverletzung aus. Durch die Untersuchung und Beratung ist es nicht zu einer Gesundheitsverletzung der Klägerin gekommen und auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. Datenschutzrechten der Klägerin aufgrund der Weitergabe von Informationen in dem Untersuchungsbericht ist unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt ersichtlich.

Betriebsärzten obliegt es nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG, Arbeitnehmer für den Arbeitgeber zu untersuchen, arbeitsmedizinisch zu beurteilen und zu beraten sowie die Untersuchungsergebnisse zu erfassen und unter dem arbeitsmedizinischen Untersuchungsauftrag des Arbeitgebers auszuwerten. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sind Betriebsärzte nach § 8 Abs. 1 S. 3 ASiG nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und haben die Regeln der ärztlichen Schweigepflicht zu beachten.

Hieraus folgt, dass der Betriebsarzt in dem Fall, dass eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Arbeitnehmer nicht vorliegt, den Arbeitgeber ausschließlich über das Ergebnis der Auswertung der arbeitsmedizinischen Untersuchung unterrichten darf, nicht jedoch die dem berichteten Ergebnis zugrunde liegenden Erkenntnisse aus der Untersuchung - insbesondere festgestellte oder vermutete Erkrankungen oder sonstige Befunde - weitergeben darf.

Die in dem Untersuchungsbericht der untersuchenden Ärztin der Beklagten an die Arbeitgeberin weitergegebenen Informationen gehen über die Weitergabe des Ergebnisses der arbeitsmedizinischen Untersuchung jedoch nicht hinaus. Weder die Tatsache, dass eine weitergehende Begutachtung empfohlen wurde, noch dass der Fachbereich des einzuholenden Gutachtens genannt oder die Freistellung empfohlen wurde, stehe dem entgegen. Denn diese Informationen seien sämtlich arbeitsmedizinisch notwendig für die Arbeitgeberin gewesen, die gesetzlich dazu verpflichtet ist, die arbeitsmedizinische Sicherheit ihrer Beschäftigungsverhältnisse sicherzustellen.

Durch die Information ihrer betriebsärztlichen Einrichtung musste sie daher in die Lage versetzt werden, die zu der Erfüllung dieser Pflichten notwendigen Maßnahmen zu ergreifen - dies mit der Folge, dass die Beklagte die arbeitsmedizinisch weiter zu veranlassenden Maßnahmen konkret zu benennen hatte. Nichts anderes hat die Beklagte getan, denn sie hat entgegen der Ansicht der Klägerin keine Zweifel an der psychischen Einsatzfähigkeit als solche geäußert, sondern nur mitgeteilt, dass zur Einschätzung der psychischen Einsatzfähigkeit die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens empfohlen werde. Auch die Empfehlung der Freistellung bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Begutachtung begegnet keinen Bedenken, denn mit dieser Empfehlung ging keinerlei Präjudiz für eine fehlende psychische Einsatzfähigkeit einher, es handelte sich vielmehr um eine gebotene präventive Maßnahme.

Praxistipp

Der Fall zeigt, auf wie dünnem Eis sich Betriebsärzte durchaus bewegen können. Ihnen kann deswegen nur zugeraten werden, bei jeder Untersuchungsmitteilung genau zu prüfen, ob sich diese im Rahmen gesetzlicher Vorgaben bewegt.