Mobbingfolgen als psychische Berufskrankheit?

Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, die der Arbeitnehmer auf Mobbing im Zusammenhang mit seiner versicherten beruflichen Tätigkeit zurückführt, stellen nach einem Urteil des Landessozialgerichts Bayern keine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) dar.

Der Grund dafür ist, dass Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausdrücklich in der Berufskrankheiten-Liste genannt sind. Die psychische Erkrankung des Arbeitnehmers infolge von Mobbing kann danach auch nicht wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit) anerkannt werden.

Der Fall: Psychische Gesundheitsstörungen durch Mobbing

Der Kläger und Berufungskläger begehrt von der Beklagten und Berufungsbeklagten die Anerkennung der Depressionen, die mobbingbedingt bei ihm zu einem GdB von 30 sowie Gleichstellung im Jahr 2012 geführt haben, als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; sog. Listen-Berufskrankheit) bzw. die Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit).

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid lehnte die Beklagte die Anerkennung der Gesundheitsstörung des Klägers durch Mobbing als Berufskrankheit ab. Der Kläger habe angezeigt, dass er durch jahrelanges Mobbing am Arbeitsplatz eine Gesundheitsstörung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung und eines Burnouts erlitten habe.

Die bei dem Kläger bestehende Erkrankung gehöre nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen. Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit seien nicht erfüllt. Hierzu sei es erforderlich, dass der Versicherte einer bestimmten Personengruppe angehöre, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die Krankheiten solcher Art verursachen.

Außerdem müssten diese Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein, diese Erkrankungen zu verursachen. Es sei nicht möglich, bestimmte Personengruppen zu benennen oder herauszufiltern, welche bei ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung psychischen Belastungen ausgesetzt seien.

Es genüge auch nicht, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung und der Erkrankung aufgrund der Beweiswürdigung im Einzelfall als hinreichend wahrscheinlich angesehen werde. Vielmehr müsse die generelle Geeignetheit der betreffenden Einwirkung zur Verursachung der Krankheit festgestellt werden. Es lägen derzeit keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, wonach eine Belastungsstörung bzw. ein Burnout durch besondere Einwirkungen verursacht werde, denen der Kläger als Pastoralreferent in erhebliche höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sei.

LSG Bayern: Keine Anerkennung als Berufskrankheit möglich

Das LSG (Urteil vom12.05.2021, Az. L 3 U 11/20) verweigert die Anerkennung als Listen-Berufskrankheit (1) wie auch als sog. „Wie-Berufskrankheit“ (2).

(1) Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, die der Versicherte auf Mobbing im Zusammenhang mit seiner versicherten beruflichen Tätigkeit zurückführt, würden keine Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Liste der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) darstellen, da Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ausdrücklich in der Berufskrankheiten-Liste genannt sind.

(2) Die psychische Erkrankung des Versicherten infolge von Mobbing könne auch nicht wie eine Berufskrankheit (sog. Wie-Berufskrankheit) anerkannt werden. Die Feststellung des Vorliegens einer Wie-Berufskrankheit setzt, so das Gericht, insbesondere voraus, dass bestimmte Personengruppen infolge einer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft eine Krankheit hervorrufen. Im Fall von Mobbing am Arbeitsplatz würden sich bestimmte Personengruppen, die diesen besonderen Einwirkungen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, nicht abgrenzen lassen.

Abschließend weist das LSG darauf hin, dass neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft dahingehend, dass psychische Erkrankungen hervorgerufen durch Mobbing als Berufskrankheit anzuerkennen seien, gegenwärtig weder vorliegen würden, noch zu erwarten seien.

Wichtig für die betriebliche Praxis

Psychische Belastungen und sich daraus ergebende Erkrankungen sind für den Arbeitsschutz schwer greifbar. Das gilt auch und gerade für Mobbing, mit dessen Vorliegen sich bereits die Arbeitsgerichtsbarkeit bis heute schwer tut. Insofern ist diese Entscheidung wenig überraschend. Trotzdem ist es auch und gerade Aufgabe der Akteure im betrieblichen Arbeitsschutz im Rahmen der Prävention das Thema Mobbing nicht aus dem Auge zu verlieren.

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