Keine Versetzung trotz Maskenbefreiungsattest

Das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen durch die Anordnung einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, geht dem Interesse des Arbeitnehmers auch dann vor, wenn er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann.

Die Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ schließt das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht aus. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO bleibt Sache des Arbeitgebers. Das hat das LAG Hamburg mit Urteil vom 13.10.2021 (Az. 7 Sa 13/21) entschieden. Auch aus § 296 BGB folgt keine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht nach den Wünschen oder Belangen des Arbeitnehmers zu bestimmen.

Der Fall

Gestritten wird um die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Kläger ist Finanzberater bei einem Geldinstitut. Am 19.10.2020 bei steigenden Coronazahlen, wurde er von seinem Vorgesetzten dazu aufgefordert, entsprechend der Vorgaben der Beklagten eine Mund-Nasen-Bedeckung anzulegen. Dies verweigerte der Kläger unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe. Er wurde daraufhin angewiesen, die Filiale zu verlassen und der Beklagten ein Attest vorzulegen. Daraufhin ließ sich der Kläger von seinem Arzt ein „Ärztliches Attest zur Maskenbefreiung“ ausstellen, das er an die Betriebsärztin der Beklagten schickte, die dieser wiederum mitteilte, dass der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Der Kläger regte gegenüber der Beklagten in einem Telefonat seine vorübergehende Beschäftigung in einer Filiale an, in deren unmittelbarer Nähe er wohnt. Dort könne er ein Einzelbüro ohne Kontakt zu Kollegen und Kunden über einen Nebeneingang erreichen und im Bedarfsfall anstelle der betrieblichen Sanitär- und Sozialräume mit wenig Zeitaufwand seine eigenen Räumlichkeiten zu Hause nutzen. Dem folgte die Beklagte nicht. Sie teilte dem Kläger mit, dass ihr derzeit keine Arbeitsplätze zur Verfügung ständen, auf denen sie ihm eine Tätigkeit ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ermöglichen könne und werde ihm deswegen keine Vergütung mehr zahlen.

LAG: Arbeitgeber übt das Direktionsrecht korrekt aus

Dem Kläger - so das LAG - stehe der ausdrücklich eingeklagte Annahmeverzugslohn nicht zu. Das ArbG Hamburg hatte zuvor noch anders entschieden (Urteil vom 23.03.2021, Az. 15 Ca 566/20). Das von der Beklagten ausgeübte Direktionsrecht hinsichtlich des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung sei rechtmäßig gewesen. Es sei Sache des Arbeitgebers, die Arbeitspflicht zu konkretisieren. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, auf Wünsche und Belange des Arbeitnehmers einzugehen. Wenn es der Arbeitgeber schuldhaft unterlasse, dem Arbeitnehmer eine leidensgerechte und vertragsgemäße Arbeit zuzuweisen, würde dies allenfalls einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz begründen. Ein solcher sei jedoch nicht eingeklagt worden.

Wichtig für die Praxis

Das LAG Hamburg folgt damit der Entscheidung des LAG Köln vom 12.04.2021 (Az. 2 SaGa 1/21), nach der die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung vom Direktionsrecht des Arbeitgebers aus Gründen des Infektions- und Gesundheitsschutzes während der Corona-Pandemie angemessen und verhältnismäßig sei.

Da die Maskenpflicht uns alle wohl noch sehr lange Zeit begleiten wird, ist es umso wichtiger, dass sich in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der 2. Instanz ein deutlicher Trend abzeichnet. Mit diesen Entscheidungen ist wohlgemerkt nicht gesagt, dass der Arbeitgeber nicht in Erwägung ziehen könnte, in einem solchen Fall seine Arbeitnehmer anders zu beschäftigen (z.B. im Homeoffice). Diese Entscheidung bleibt ihm allerdings selbst überlassen. 

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Schlagworte zum Thema:  Coronavirus, Arbeitsschutz, Rechtsprechung