Keine Anerkennung eines "Quais"-Arbeitsunfalls

Eine Verletzung aufgrund eines Ski-Unfalls ist nach einem Urteil des LSG Baden-Württemberg auch dann kein „Quasi“-Arbeitsunfall, wenn er möglicherweise auf eine berufsbedingte Fehlstellung der Hand zurückzuführen ist.

Der Fall: Privater Ski-Unfall als Arbeitsunfall?

Bei der beklagten Berufsgenossenschaft ging am 20.7.2016 ein Attest der Klägerin vom 9.6.2016 ein, in dem diese berichtet, bei ihr sei im Jahr 2008 eine Arthrose beider Ellenbogengelenke diagnostiziert worden. Die Klägerin vermerkte hierzu handschriftlich, „es sei nicht ausgeschlossen, dass der Unfall 2003 auf berufliche Ursachen zurückzuführen“ sei. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit, der Unfall habe sich am 9.2.2003 zwischen 16:00 Uhr und 17:30 Uhr ereignet. Die Ursache zum Unfall sei wahrscheinlich im Jahre 1998/1999 zu suchen. Durch die hohe Arbeitsbelastung beim Buchen mit schweren Buchungsstempeln müsse es zu einer Fehlstellung der Hand gekommen sein. Diese Fehlstellung habe zu einem „Computerellenbogen“ geführt, der falsch behandelt worden sei. So habe ihr „Stützsystem im Februar 2003 mit dem Bruch des Ellenbogens“ reagiert. Der damalige Arbeitgeber der Klägerin teilte auf Nachfrage der Beklagten mit, es seien dort keine Unterlagen zu einem Arbeitsunfall vom 9.2.2003 vorhanden.

Mit Bescheid vom 26.4.2017 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 9.2.2003 als Arbeitsunfall ab. Ein Arbeitsunfall im Jahre 2003 sei der Beklagten nicht bekannt. Hiergegen erhoben die Klägerin Widerspruch und trug zur Begründung u.a. vor, sie habe eine Fehlstellung an der Hand, die durch die PC-Tastatur bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber oder schwere Buchungsstempel, die sie 10 Stunden am Tag ständig benutzt habe, verursacht worden sei. Der „Druck vom Ski fahren“ könne das „Fass zum Überlaufen gebracht haben“, weshalb es sich um einen „Quasiarbeitsunfall“ handle. Mit Widerspruchsbescheid vom 9.4.2018 wies die Beklagte den damaligen Widerspruch bestandskräftig zurück. Auch das Sozialgericht Heilbronn (Gerichtsbescheid vom 21.10.2021, Az. S 4 U 1656/20) lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab.

LSG: Keine weiteren Ermittlungen notwendig

Das LSG Baden-Württemberg schloss sich dem an (Urteil vom 2.5.2022, Az. L 1 U 3357/21): Hinsichtlich des streitigen Ereignisses vom 9.2.2003 fehle es bereits daran, dass die Verrichtung der Klägerin zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang). Durch den Bericht der H Klinik T vom 9.2.2003 wird eindeutig bestätigt, dass sich die Klägerin den Bruch der Radiusköpfchenfraktur rechts beim „Langlaufskifahren“ und damit nicht im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit zugezogen hat. Dies werde auch im Gutachten des B so bestätigt und mehrfach durch die Klägerin selbst eingeräumt. Soweit die Klägerin vermutet, die Ursache dieses Unfalls beim Skifahren sei wahrscheinlich im Jahre 1998/1999 zu suchen, da es durch die hohe Arbeitsbelastung beim Buchen mit schweren Buchungsstempeln zu einer Fehlstellung der Hand gekommen sei, weshalb dann in Konsequenz ihr „Stützsystem im Februar 2003 mit dem Bruch des Ellenbogens“ reagiert habe, boten diese Spekulationen dem LSG keinerlei Anlass für weitere Sachverhaltsermittlungen.

Hinweis für die Praxis

Der Fall macht deutlich, dass für Versicherte bestehende denkbare Zusammenhänge in der realen Umgebung des Sozialversicherungsrechts wenig Anhaltspunkte gesetzt werden können, die einen Versicherungsfall, hier einen Arbeitsunfall, begründen können.

Im Nachhinein betrachtet hätte die damalige Ellbogenfehlstellung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Berufsleben begutachtet werden müssen, um schon damals eine mögliche Berufskrankheit feststellen zu lassen. Hier nun den Versuch zu unternehmen, vielen Jahre später Zusammenhänge zu konstruieren, ist in der Regel wenig erfolgreich.

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