Kein Zugang zum Arbeitsplatz ohne Corona-Test?

Ein Eilverfahren eines Arbeitnehmers auf Fortsetzung seiner Arbeitstätigkeit bei seinem Arbeitgeber blieb beim ArbG Offenbach erfolglos. Der Arbeitgeber verwehrte dem Arbeitnehmer den Zutritt zum Werksgelände, weil er sich weigerte, einen nach Ansicht des Arbeitgebers in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen PCR-Test durchzuführen.

Aus Sicht des Arbeitnehmers verstoße die Testpflicht gegen das Recht auf Selbstbestimmung und sei weder durch das Weisungsrecht noch die Betriebsvereinbarung gedeckt. Der PCR-Test sei unverhältnismäßig, weil er ein invasiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei.

Der Fall: Testpflicht per Betriebsvereinbarung eingeführt

Der am 1959 geborene Kläger steht bei der Beklagten seit dem April 1986 in einem Arbeitsverhältnis. Er ist als Staplerfahrer tätig. Die Beklagte unterhält in A eine Gießerei mit 32 Mitarbeitern sowie bis zu 7 weiteren Aushilfen. Es handelt sich um eine Produktionshalle. Alle Mitarbeiter sind angewiesen, den Sicherheitsabstand von 1,5 Meter einzuhalten. Sofern dies nicht möglich ist besteht eine Verpflichtung zum Tragen von medizinischem Mund-Nasen-Schutz. Über mehrere Tage gesehen ist es so, dass jeder Mitarbeiter mit jedem anderen Kollegen Kontakt hat.

Mit E-Mail vom 6.1.2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Mitarbeiter sowie Externe nur mit einem negativen Covid-Test Zutritt auf das Firmengelände erhalten. Am 13.1.2021 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung von Corona-Schnelltests, die u.a. enthält folgende Regelung enthält:

Besteht ein begründeter Verdacht, dass sich Mitarbeiter mit dem Sars-CoV-2- Virus in dem Betrieb angesteckt haben oder ist das Risiko, dass sich Mitarbeiter mit dem Sars-CoV-2-Virus im Betrieb anstecken könnten deutlich erhöht, kann die Gesellschaft verlangen, dass sich alle oder einzelne Mitarbeiter vor Arbeitsbeginn einem Corona-Schnelltest unterziehen. Ein erhöhtes Risiko liegt beispielsweise vor, wenn in dem Landkreis, in dem der Betrieb liegt, nach den Veröffentlichungen des RKI im Durchschnitt von sieben Kalendertagen mehr als 200 Personen je 100.000 Einwohner dieses Landkreises mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert wurden.“

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger einen vertragsgemäßen Arbeitsplatz anzubieten. Sie sei nicht berechtigt, den Zutritt zum Werksgelände von einem negativen Covid-Test abhängig zu machen und die Anweisung verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung. Die vorläufige Durchsetzung des Beschäftigungsanspruchs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erfordere beim Verfügungsgrund weder ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse noch eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien. Einer besonderen Dringlichkeitssituation bedürfe es nicht, weil sich die Dringlichkeit der vorläufigen Regelung bereits aus der besonderen Rechtsnatur des Beschäftigungsanspruchs ergäbe und daraus, den endgültigen Verlust des festgestellten Rechts durch die lange Dauer eines entsprechenden Hauptsachverfahrens zu vermeiden.

ArbG Offenbach: Die Anordnung, vor Zutritt zum Werksgelände einen negativen Corona-Test vorzulegen, ist nicht offenkundig rechtswidrig

Das ArbG wies den Antrag bereits deswegen zurück, weil eine besondere Eilbedürftigkeit nicht bestehe, er deswegen unzulässig sei  (Beschluss vom 04.02.2021 - 4 Ga 1/21).

Allerdings machte das Gericht auch in der Sache Ausführungen: Der Arbeitgeber habe gemäß § 618 Abs. 1 BGB sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Die entsprechende öffentlich-rechtliche Pflicht des Arbeitgebers ergibt sich aus § 3 Abs. 1 S. 1 ArbSchG. Danach müsse der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Umstände, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen. Die Anordnung der Beklagten diene dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Mit ihr soll vermieden werden, dass sich Mitarbeiter mit dem SARS-CoV-2 Virus im Betrieb anstecken.

Das gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei gewahrt. Die Betriebsparteien haben eine Betriebsvereinbarung geschlossen, welche regelt, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber einen Corona-Schnelltest verlangen kann. Die Voraussetzungen liegen vor. Nach der Betriebsvereinbarung besteht die Berechtigung der Beklagten, am ersten Tag der Arbeitsaufnahme nach den Feiertagen einen Corona-Schnelltest zu verlangen.

Die Regelung sei auch nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Anhaltspunkte dafür, dass gerade vom Kläger kein Risiko ausgeht, sind nicht dargetan. Dabei kann dahinstehen, ob asymptomatisch Infizierte das Virus übertragen können. Nach Angaben des RKI steckt sich ein relevanter Anteil von Personen bei infektiösen Personen innerhalb von 1-2 Tagen vor deren Symptombeginn an. Die Durchführung eines Corona-Schnelltests sei geeignet, um den Nachweis von SARS-CoV- 2 zu erbringen. Dies ergibt sich aus der Empfehlung des RKI, wonach bei Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 Untersuchungsproben aus den oberen Atemwegen entnommen werden sollen. Die Testung sei auch nicht offensichtlich unangemessen.

Wichtig für die betriebliche Praxis: Testpflicht der Arbeitgeber bedeutet nicht Testpflicht der Arbeitnehmer!

Mit der voraussichtlich ab der KW 17 im Rahmen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung geltenden Verpflichtung der Arbeitgeber, den Arbeitnehmern geeignete Tests anzubieten, ist keine Verpflichtung der Arbeitnehmer verbunden, diese Tests auch durchzuführen. Das hier vorgestellte Urteil des ArbG Offenbach zeigt nun Wege auf, diese im Betrieb umzusetzen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die wohl überwiegende Meinung der Arbeitsrechtler dahin tendiert, dass man Arbeitnehmer - auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung - zu Tests verpflichten kann (s. z.B. Müller/Becker, ArbRAktuell 2021, 201 m.w.Nw.).

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