Kein Beschäftigungsverbot trotz fehlender Corona-Impfung

Ein bereits vor dem 15.03.2022 in einem Krankenhaus beschäftigter Auszubildender hat nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Bonn nach einer unwirksamen Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses auch ohne Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nach § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegen seinen Arbeitgeber.

Es besteht nach § 20a Abs. 1 und 2 IfSG kein gesetzliches Beschäftigungsverbot, welches den Anspruch des Auszubildenden auf Annahmeverzugslohn nach § 297 BGB ausschließen würde.

Der Fall: Auszubildender ohne Maske und Impfung

Der Kläger war seit Oktober 2019 bei der Beklagten, einem regionalen Krankenhaus, als Auszubildender zum Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis des Klägers mit Kündigungsschreiben vom 01.12.2021 fristlos, nachdem dieser u.a. in dem Testzentrum der Beklagten seine Maske unter die Nase zog und auf eine Anweisung des Geschäftsführers, seine Maske ordnungsgemäß zu tragen, nicht sogleich reagierte. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und begehrte Annahmeverzugslohn für den Zeitraum ab Dezember 2021 bis April 2022 von der Beklagten. Der Kläger ist nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft oder hiervon genesen.

ArbG Bonn: Beschäftigungsverbot gilt nicht

Das ArbG Bonn (Urteil vom 18.05.2022, 2 Ca 2082/21) hat entschieden, dass die fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses des Klägers mangels vorheriger Abmahnung unwirksam ist.

Weiterhin hat das ArbG dem Kläger trotz der Einführung der sog. „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ ab dem 15.03.2022 und trotz der fehlenden Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises nach § 20a Abs. 2 S. 1 IfSG einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn zugesprochen.
Nach dem Ausspruch einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung steht einem Auszubildenden grundsätzlich nach §§ 17 I, 10 II BBiG i.V.m. § 615 Satz 1 BGB, §§ 293 ff. BGB Annahmeverzug betreffend seiner Ausbildungsvergütung gegen den Arbeitgeber zu. Zum 15.03.2022 ist jedoch mit § 20a IfSG eine sog. „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ in Kraft getreten, die u.a. für Krankenhäuser vorsieht, dass alle dort tätigen Personen über einen Impf- oder Genesenennachweis gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 verfügen müssen, welche sie dem Einrichtungsleiter vorlegen müssen.

Im Hinblick auf die Rechtsfolge der fehlenden Vorlage eines Impf- bzw. Genesenennachweises differenziert die gesetzliche Regelung jedoch in § 20a Abs. 2 und 3 IfSG danach, ob ein Arbeitnehmer bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigt war oder erst ab dem 16.03.2022 neu eingetreten ist. Ausschließlich für ab dem 16.03.2022 neu eintretende Arbeitnehmer ist in § 20a Abs. 3 S. 4 IfSG ein Beschäftigungsverbot ausdrücklich gesetzlich geregelt. Für die bereits vor dem 15.03.2022 beschäftigten Arbeitnehmer, welche dem Einrichtungsleiter keinen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen, besteht hingegen lediglich eine Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt. Dieses kann sodann nach § 20a Abs. 3 S. 3 IfSG im Wege einer ermessensgeleiteten Einzelfallentscheidung ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot erlassen. Da der Kläger bereits vor dem 15.03.2022 bei der Beklagten beschäftigt war und ein behördliches Betretungs- und Tätigkeitsverbot für ihn nicht vorlag, war die Beklagte auch über den 15.03.2022 hinaus verpflichtet, dem Kläger Annahmeverzugslohn zu zahlen.

Wichtig für die Praxis: Stichtag beachten!

Die sog. „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ wird die Gerichte auch weiterhin beschäftigen. Beim Umgang mit impfunwilligen Beschäftigten ist streng auf formale Kriterien zu achten. Insbesondere ist die Stichtagsregelung zu beachten: Impfunwillige Beschäftigte, die am 15.3.2022 bereits angestellt waren, sind anders zu behandeln, als diejenigen, die ab dem 16.3.2022 angestellt wurden! Erst wenn bei den Erstgenannten das Gesundheitsamt ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot - rechtskräftig - verhängt, sind entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenzen (insbesondere die Einstellung der Lohnzahlung) möglich.

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