Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV 2 als Arbeitsunfall

Dass es in Deutschland massenweise zu Infektionen mit dem Covid-19-Virus kommt, es sich bei einer Infektion also um eine allgemeine Gefahr handelt, steht – so das SG Konstanz in einer aktuellen Entscheidung – einer Anerkennung als Arbeitsunfall nicht entgegen. Die vom Robert-Koch-Institut entwickelten Maßstäbe zur Bestimmung enger Kontaktpersonen können danach jedoch nicht unmittelbar für die Beurteilung herangezogen werden, ob eine Infektion durch Kontaktpersonen am Arbeitsplatz erfolgt ist. Die Unfallkausalität sei, so das Gericht, nicht nachgewiesen, wenn neben Kontakten am Arbeitsplatz in vergleichbarem Umfang Infektionsmöglichkeiten im privaten, nicht versicherten Bereich bestanden.

Der Fall: Arbeitnehmerin erkrankt an Covid-19 - bedingt durch Kontakte am Arbeitsplatz?

Die Klägerin erkrankte – trotz vorhandenem Hygienekonzept nach erfolgter Gefährdungsbeurteilung – an Covid-19, nachdem ein im Betrieb tätiger Leiharbeitnehmer ebenfalls daran erkrankt war. Nach ihren Angaben heilte die Infektion bei ihr nicht vollständig aus, sondern es sind Langzeitfolgen (allgemeine Abgeschlagenheit; Antriebslosigkeit; ständige Müdigkeit; Atemnot auch bei geringen Anstrengungen; häufige Kopfschmerzattacken; Muskelkrämpfe; Lebensmittelunverträglichkeiten; Beeinträchtigung des Geruchs- und des Geschmackssinns) verblieben.

Der Arbeitgeber meldete der beklagten BG die Erkrankung als Arbeitsunfall, die jedoch eine Anerkennung ablehnte. Es liege kein Arbeitsunfall vor, wenn sich eine Gefahr verwirklicht habe, von der ein Versicherter zur selben Zeit und mit gleicher Schwere auch außerhalb seiner versicherten Tätigkeit betroffen gewesen wäre. Die Betroffenheit ergebe sich zufällig und unabhängig von der versicherten Tätigkeit. Es müsse deshalb wahrscheinlich sein, dass die Infektion bei der versicherten Tätigkeit eingetreten sei. Dies setze zwingend voraus, dass eine Infizierung außerhalb der beruflichen Tätigkeit ausgeschlossen sei und dass bei der beruflichen Tätigkeit nachweislich Kontakt mit erkrankten Personen bestanden habe. Bei dem Covid-19-Virus handle es sich inzwischen um eine Allgemeingefahr, die nur über die gesetzliche Unfallversicherung versichert sei, wenn eindeutig nachgewiesen werde, dass die Infektion im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten sei.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit folgender Begründung zurückgewiesen: Bei einer Infektion mit dem Covid-19-Virus handle es sich grundsätzlich nicht um einen Arbeitsunfall, sondern um eine sog. Allgemeingefahr im Rahmen einer weltweit auftretenden Pandemie. In Einzelfällen könne sie als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn ein gesicherter Kontakt zu einer bekannten Indexperson bestanden habe und dieser als intensiv oder länger andauernd zu werten sei oder wenn ein intensiver Kontakt zu einer bekannten Indexperson nicht zu sichern sei, es aber im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld der versicherten Person immer mindestens eine nachweislich infektiöse Person gegeben habe und die besonderen Arbeitsbedingungen eine Infektion begünstigt hätten. Dies sei hier nicht gegeben. Die bloße Vermutung, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort unter (nicht genau aufklärbaren) Umständen möglicherweise mit Krankheitserregern infiziert worden zu sein, reiche nicht aus.

SG: Kausalität ist nicht nachgewiesen

Die dagegen erhobene Klage wies das SG Konstanz zurück (Urteil vom 16.09.2022, Az. S 1 U 452/22). Maßgeblich sei hier die Unfallkausalität. Dieser Begriff kennzeichnet die Kausalität zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis. Für einen Erfolg der Klage müsse zunächst nachgewiesen sein, dass sich der Unfall (Infektion mit dem Covid-19-Virus mit behandlungsbedürftigen Symptomen) bei der versicherten Tätigkeit und nicht im privaten Bereich ereignet hat. Die Unfallkausalität wird vermutet, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten. Hiervon könne im Fall der Klägerin nicht ausgegangen werden, denn im privaten Bereich (familiäre Kontakte, Einkaufen) gibt es solche Konkurrenzursachen.

Im Fall der Klägerin sei es nicht so, dass der äußere, insbesondere zeitliche Zusammenhang eine Infektion am Arbeitsplatz nahelegt, nicht versicherte Umstände hingegen nicht vorhanden sind oder fernliegen. Vergleicht man die Infektionsgefahr durch den Kontakt der Klägerin mit dem Leiharbeitnehmer mit derjenigen allein während des von ihr eingeräumten Einkaufs von Lebensmitteln für eine vierköpfige Familie, so kann man nicht von einer typischen Gefährdung am Arbeitsplatz sowie einer zugleich fernliegenden Verursachung im nicht versicherten Bereich ausgehen.

Wichtig für die Praxis

Covid-19-Erkrankungen können unbestritten als Arbeitsunfälle anerkannt werden. Allerdings ist es dazu erforderlich, dass die Erkrankung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst wurde, was z.B. bei der Kranken- und Altenpflege naheliegen wird. Fälle, wie der hier entschiedene würden allenfalls als Arbeitsunfall anerkannt werden, wenn die Klägerin im privaten Beriech überhaupt keine Kontaktmöglichkeiten gehabt hätte, was sicher als ausgeschlossen gelten muss.

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