Fortbestehender Schutz durch Schwerbehindertenvertretung?

Die betriebliche Schwerbehindertenvertretung hat nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX die Aufgabe, die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen, die schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Beschäftigte besonders schützen. Sie ist damit im Arbeits- und Gesundheitsschutz besonders gefordert. Was aber passiert mit der Schwerbehindertenvertretung, wenn die Zahl der Menschen, die sie schützen soll, unter den Schwellenwert von 5 Beschäftigten sinkt? Damit hat sich das BAG in einer aktuellen Entscheidung befasst.

Der Fall: Zahl der geschützten Beschäftigten sinkt auf 4

In dem Kölner Betrieb einer Arbeitgeberin mit ungefähr 120 Mitarbeitern wurde im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Zum 1.8.2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in diesem Betrieb auf vier Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte nun die Schwerbehindertenvertretung darüber, dass sie nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb vertreten würden.

In dem von ihr eingeleiteten Verfahren hat die Schwerbehindertenvertretung des Kölner Betriebs die Feststellung begehrt, dass ihr Amt nicht aufgrund des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb vorzeitig beendet ist.

ArbG und LAG haben den Antrag abgewiesen. Das LAG Köln (Beschluss vom 31.8.2021, Az. 4 TaBV 19/21) argumentiert damit, dass nach allgemeiner Auffassung das Amt des Betriebsrats endet, wenn die Zahl der in der Regel ständig beschäftigten wahlberechtigten Beschäftigten nicht nur vorübergehend die vorgeschriebene Mindestanzahl von fünf Arbeitnehmern unterschreitet und deshalb der Betrieb nicht mehr betriebsratsfähig ist. Diesen Grundsatz überträgt es auch auf das Recht der Schwerbehindertenvertretungen.

BAG: Das Amt ist nicht vorzeitig beendet

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung hatte vor dem BAG Erfolg (BAG, Beschluss vom 19.10.2022, Az. 7 ABR 27/21).

Das Amt der Schwerbehindertenvertretung ist - so das Urteil - nicht vorzeitig beendet. Eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 SGB IX vorsieht, besteht im Gesetz nicht. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit sei auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.

Wichtig für die Praxis

Die Entscheidung ist von großer Bedeutung. Sie klärt eine bislang offene Frage und macht deutlich, dass der Schwerbehindertenvertretung eine sehr wichtige Rolle im Betrieb zukommt.

Sie sorgt dafür, dass die für die Betroffenen besonders schützende Vorschriften korrekt zur Anwendung kommen, was aufgrund der individuellen Anforderungen - bedingt durch den Gesundheitszustand der Betroffenen - auch individueller Prozesse bedarf. Hier ist Know-How und Einfühlungsvermögen notwendig.

Sollte die Schwerbehindertenvertretung bemerken, dass sie sich dem Schwellenwert nähert, ist anzuraten, aktiv im Betrieb auf die Aktivitäten hinzuweisen, so dass sich - möglicherweise bislang vom Arbeitgeber unerkannte - Schwerbehinderte bzw. Gleichgestellte melden, um die korrekten Zahlen zugrunde legen zu können.