EuGH konkretisiert Kostenerstattung für Bildschirmbrillen

Der EuGH hat in einem aktuellen Urteil die arbeitgeberseitigen Verpflichtungen zur Kostenerstattung für Sehhilfen am Arbeitsplatz konkretisiert. Danach schließen „spezielle Sehhilfen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der RL 90/270/EWG Korrekturbrillen ein, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Im Übrigen würden sich diese „speziellen Sehhilfen“ nicht auf Sehhilfen beschränken, die ausschließlich im Beruf verwendet werden.

Der Fall

Ein Mitarbeiter einer Behörde in Rumänien hatte die Kostenübernahme für eine neue Korrekturbrille beantragt. Nachdem der Arbeitgeber dies abgelehnt hatte (wie zuvor schon die Krankenkasse), verklagte der Mitarbeiter die Behörde. Das Berufungsgericht in Cluj (Klausenburg) legte den Streit dem Europäische Gerichtshof (EuGH) vor.

EuGH nutzt die Möglichkeit, die Verpflichtungen des Arbeitgebers zu konkretisieren

Der EuGH hat mit seinem daraufhin ergangenen Urteil vom 22.12.2022 (Az. C-392/21) die Möglichkeit genutzt und die Verpflichtungen des Arbeitgebers rund um die Sehhilfen am Arbeitsplatz konkretisiert:

Zum einen stellt der EuGH fest, dass „spezielle Sehhilfen“ im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der RL 90/270/EWG Korrekturbrillen sind, die spezifisch darauf gerichtet sind, Sehbeschwerden im Zusammenhang mit einer Arbeit, bei der ein Bildschirmgerät involviert ist, zu korrigieren und diesen vorzubeugen. Diese „speziellen Sehhilfen“ würden sich nicht auf Sehhilfen beschränken, die ausschließlich im Beruf verwendet werden.

Zum anderen sind Art. 9 Abs. 3 und 4 der RL 90/270 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung des Arbeitgebers, den betroffenen Arbeitnehmern eine spezielle Sehhilfe zur Verfügung zu stellen, entweder dadurch erfüllt werden kann,

  • dass dem Arbeitnehmer die Sehhilfe vom Arbeitgeber unmittelbar zur Verfügung gestellt wird, oder
  • dadurch, dass die vom Arbeitnehmer getätigten notwendigen Aufwendungen erstattet werden,

nicht aber dadurch, dass ihm eine allgemeine Gehaltszulage gezahlt wird.

Dazu führt der EuGH aus, dass die von dieser Bestimmung verlangte Bereitstellung spezieller Sehhilfen an die betroffenen Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber mittels einer Zulage erfolgt, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, selbst eine solche Sehhilfe zu erwerben. Eine solche Zulage müsse notwendigerweise die Aufwendungen decken, die der betroffene Arbeitnehmer eigens für den Erwerb der speziellen Sehhilfe gemäß Art. 9 Abs. 3 der RL 90/270 getätigt hat. Folglich scheine eine allgemeine Gehaltszulage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die für erschwerte Arbeitsbedingungen laufend gewährt wird, nicht den Verpflichtungen zu genügen, die dem Arbeitgeber durch Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie auferlegt werden.

Wichtig für die Praxis

An deutschen Arbeitsplätzen ergibt sich diese Verpflichtung aus dem ArbSchG und dem Anh. 6 der ArbStättVO. Die Umsetzung in der betrieblichen Praxis ist uneinheitlich. Grundsätzlich gilt, dass die Kostenübernahme nur nach Vorlage eines augenfachärztlichen Gutachtens bzw. eines Gutachtens des Betriebsarztes erfolgt. Welche Kosten dann erstattet werden, ist Sache des Arbeitgebers. Insofern ist die vorliegende Entscheidung sehr wichtig, weil reine Zuschüsse damit nicht mehr ausreichen, sondern die konkreten Kosten zu übernehmen sind. Welche Mindestanforderungen an die Bildschirmbrille zu stellen sind, gibt die DGUV-Information 250-08 vor. Die dadurch entstehenden Kosten sind auf alle Fälle zu ersetzen, Kosten für die Brillengestelle - ohne die die Sehhilfen ja nicht genutzt werden können - nur im üblichen Rahmen. Ob der Arbeitgeber in diesem Rahmen den Arbeitnehmer z.B. dazu verpflichten kann, die Brille ausschließlich bei einem bestimmten Optiker zu beziehen, darf bezweifelt werden.