Das BSG stärkt den Unfallversicherungsschutz im Ehrenamt

Mit zwei Urteilen vom 8.12.2022 hat das Bundessozialgericht den Unfallversicherungsschutz im Ehrenamt gestärkt. Danach ist ein ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender eines Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes eV (DRK) bei der Teilnahme an einer Versammlung eines anderen DRK-Ortsvereins unfallversichert, genauso wie ein ehrenamtliches Mitglied eines Frauenchores bei einem öffentlichen Adventssingen in kirchlichen Räumlichkeiten.

Was war geschehen?

Die Klägerin im ersten Fall (BSG, Urteil vom 8.12.2022, B 2 U 19/20 R) war Mitglied eines Frauenchores, der am 3.12.2016 in den Räumlichkeiten einer evangelischen Kirchengemeinde ein öffentliches Adventssingen darbieten wollte. Die Absprache für den Auftritt erfolgte zwischen der Vorsitzenden des Frauenchores und dem Pfarrer der Kirchengemeinde. Die Raumnutzung erfolgte im Einverständnis mit der Kirchengemeinde, die die Veranstaltung im lokalen Amtsblatt unter der Rubrik „Kirchliche Nachrichten“ ankündigte. Zuwendungen oder Aufwandsentschädigungen für die Chormitglieder wegen des Auftritts waren nicht vorgesehen. Auf dem Weg zu diesem Auftritt verunglückte die Klägerin mit ihrem PKW bei Glatteis und verletzte sich schwer. Die für Vereine und Religionsgemeinschaften zuständige Verwaltungs-Berufsgenossenschaft verneinte einen Versicherungsschutz. Auch die für ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte zuständige und beklagte Unfallkasse lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mangels Versicherungsschutzes ab.

Der Kläger des zweiten Falls (BSG, Urteil vom 8.12.2022,  B 2 U 14/20 R) ist ehrenamtlicher Vorsitzender eines DRK-Ortsvereins, der seit 25 Jahren eine Freundschaft mit einem anderen DRK-Ortsverein pflegt. Die Mitglieder der Ortsvereine besuchen sich regelmäßig wechselseitig zu ihren Generalversammlungen und führen gemeinsame Veranstaltungen durch. Auf Einladung fuhren der Kläger und fünf weitere Mitglieder seines Ortsvereins an einem Samstagabend im März 2017 im Mannschaftsbus zur Generalversammlung des befreundeten Ortsvereins. Hierbei verunglückten sie. Der Kläger wurde schwer verletzt.

BSG bejaht in beiden Fällen den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung

Das Bundessozialgericht hat im ersten Fall der Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gegen die beigeladene Verwaltungs-Berufsgenossenschaft stattgegeben. Seit dem Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen vom 9.12.2004 ist der Versicherungsschutz nicht mehr von einem unmittelbar ehrenamtlichen Tätigwerden für eine Religionsgemeinschaft abhängig. Ausreichend ist seither ein nur mittelbar ehrenamtliches Tätigwerden über eine privatrechtliche Organisation (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b SGB VII). Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Das Adventssingen des privatrechtlich strukturierten Frauenchores fand nach den bindenden Feststellungen des Landessozialgerichts freiwillig, unentgeltlich und im Interesse des Gemeinwohls im Rahmen einer kirchlichen Veranstaltung statt. Der Weg dahin stand deshalb in innerem Zusammenhang mit dem versicherten Ehrenamt, selbst wenn die Klägerin das Singen in dem Chor vornehmlich aus Freude am Gesang und der Gemeinschaft ausüben wollte. Denn Freude gehört zum Wesen des Ehrenamts.

Das Bundessozialgericht hat auch im zweiten Fall die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Der Versicherungsschutz für Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind, umfasst nicht nur Hilfetätigkeiten in Unglücksfällen, sondern auch sonstige Tätigkeiten, die den Zwecken des Hilfsdienstes wesentlich dienen. § 2 Abs. 1 Nr 12 SGB VII schützt umfassend die unentgeltliche, insbesondere ehrenamtliche Tätigkeit, die dem öffentlichen Interesse und Wohl dient. Entscheidend ist ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Ausreichend kann bereits der gegenseitige Austausch der Hilfeunternehmen untereinander sein. Nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landessozialgerichts zur gelebten und gängigen Praxis der gegenseitigen Besuche war die Fahrt zur Generalversammlung des befreundeten Ortsvereins bereits als versicherter Betriebsweg zur Generalversammlung einzustufen.

Wichtig für die Praxis

Das BSG setzt ein Zeichen für das Ehrenamt, das in unserer Gesellschaft eine zunehmende Bedeutung erfährt, gleichzeitig aber darunter leidet, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich zu engagieren. Das BSG macht deutlich, wie wichtig dieser Einsatz ist und gewährleistet den Schutz, den die Unfallversicherungsträger in solchen Fällen verhindern wollen. Das ist gut und richtig so!