Betriebsweg zur Durchführung eines Corona-Schnelltests

Das Zurücklegen eines Betriebswegs zur Durchführung eines freiwilligen Corona-Schnelltests durch den Betriebsarzt steht nach einem Urteil des SG Frankfurt/Oder unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Fall

Die Klägerin nahm am Unfalltag gegen 6:00 Uhr morgens ihre Tätigkeit in ihrem Büro im Geschäftsführer-Bürogebäude in der W-Straße auf. Gegen 6:50 Uhr begab sie sich auf den Weg in das ca. 60 m entfernte, ebenfalls auf dem Betriebsgelände gelegene Bürogebäude des Betriebsarztes um dort einen freiwilligen Corona-Schnelltest, welcher den Mitarbeitern des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt seitens des Arbeitgebers zweimal wöchentlich kostenfrei angeboten wurde, durch die Betriebsärztin durchführen zu lassen. Um der sich nach außen öffnenden Eingangstür des betriebsmedizinischen Dienstes, welche durch die Betriebsärztin geöffnet wurde, auszuweichen, machte die Klägerin einen Schritt zurück und fiel dadurch eine Treppe (3 Stufen) hinunter und stürzte auf das rechte Handgelenk. Hierbei zog sie sich einen verschobenen Bruch der handgelenksnahen Speiche rechts zu, welche im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Städtischen Krankenhaus E. noch am Unfalltag operiert wurde.

Am 06.07.2021 teilte die zuständige Sicherheitsfachkraft des Arbeitgebers der Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass ein negativer Test am Unfalltag keine Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin gewesen sei. Durch Bescheid vom 07.07.2021 lehnte die beklagte BG das Vorliegen eines Arbeitsunfalles daraufhin ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die freiwillige Teilnahme an einem Corona-Schnelltest sowie der damit verbundene notwendige Weg dem privaten Lebensbereich zuzurechnen seien und daher nicht unter Versicherungsschutz stehen. Es bestehe insofern kein enger sachlicher Zusammenhang mit der versicherten beruflichen Tätigkeit.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2021 zurück. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben.

SG: Unfallversicherungsschutz ist gegeben

Das SG Frankfurt/Oder hat mit Urteil vom 25.03.2022 (Az. S 10 U 108/21) entschieden, dass das Zurücklegen eines Betriebswegs zur Durchführung eines freiwilligen Corona-Schnelltests durch den Betriebsarzt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.

Das SG führt zur Begründung aus: Versicherte Tätigkeit im Zusammenhang mit dem kraft Gesetzes bestehenden Versicherungsschutz als Beschäftigter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist grundsätzlich jede dem Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit. Nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen hingegen dem Grunde nach private („eigenwirtschaftliche“) Tätigkeiten, auch wenn diese während der eigentlichen Arbeitszeit ausgeführt und in diese eingeschoben werden. Entscheidend für die Abgrenzung ist jeweils die subjektive Handlungstendenz des Betroffenen. Die konkret zum Unfall führende, „unfallbringende“ Tätigkeit muss dabei in einem sachlichen „inneren“ ursächlichen Zusammenhang mit der nach dem jeweiligen Arbeitsverhältnis geschuldeten versicherten Tätigkeit stehen.

In Anwendung dieser Grundsätze ist das SG davon überzeugt, dass die hier konkret zum Unfall führende Zurücklegung des Weges vom Büro zum betriebsärztlichen Dienst, welche ausschließlich von der Handlungstendenz der Klägerin geprägt war, dort einen freiwilligen Corona-Schnelltest durchführen zu lassen, in einem hinreichenden inneren Zusammenhang mit der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit der Klägerin stand. Das SG verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass Gesundheitsmaßnahmen, also Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, wie z.B. Untersuchungen, Impfungen oder die Besorgung von Medikamenten, grundsätzlich ausschließlich dem unversicherten, persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind.

Die Durchführung eines Corona-Schnelltest ist jedoch nicht als Gesundheitsmaßnahme in diesem Sinne anzusehen. Anders als die aufgeführten Maßnahmen, hat ein solcher Test keine direkten Auswirkungen auf -, bzw. keinen konkreten Nutzen für die Gesundheit der Testperson und insofern keinen ausschließlich eigenwirtschaftlichen Charakter. Denn dieser Test dient - anders als eine körperliche Untersuchung - auch nicht der Feststellung einer Erkrankung der Testperson sondern vielmehr ausschließlich dem Nachweis einer bestehenden, ggfs. auch vollständig symptomlosen Infektion. Zweck einer solchen Testung ist somit die Vermeidung der Ansteckung weiterer Personen und damit verbunden die Abwendung einer weiteren Ausbreitung der Corona-Pandemie. Der Testung kommt somit vornehmlich kein selbstschützender, sondern vielmehr ein drittschützender Charakter zu.

Vorliegend beruhte das Testangebot des Arbeitgebers nicht auf einer allgemeingültigen Corona-Schutzverordnung, sondern erfolgte konkret aufgrund der im Zeitraum vom 23.04.2021 bis zum 30.06.2021 geltenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 der Covid-19-Arbeitsschutzverordnung 1/2021, nach welcher auch der Arbeitgeber der Klägerin verpflichtet war, seinen Beschäftigten, soweit diese - wie vorliegend die Klägerin - nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiteten, mindestens zweimal pro Kalenderwoche einen Corona-Test anzubieten. Die am Unfalltag von der Klägerin beabsichtigte Durchführung des Corona-Tests stellte hier somit eine Maßnahme des Arbeitsschutzes dar, welche in zulässiger Weise seitens des Arbeitgebers der Klägerin auf den betriebsärztlichen Dienst des Unternehmens übertragen worden war und somit gemäß § 3 ASiG zu dessen Aufgaben gehörte.

Wichtig für die Praxis

Die sehr ausführlich begründete Entscheidung ist außerordentlich wichtig für die Betriebspraxis. Da die Unternehmen auch im Herbst durch die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung dazu angehalten sind, Tests anzubieten, sind solche Betriebswege auch zukünftig unvermeidbar. Umso wichtiger ist die Klarstellung, dass diese unter dem Schutz der Unfallversicherung stehen!

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