Wie ein Blick auf den Sanktionskatalog der §§ 25 und 26 ArbSchG ergibt, ist ein Verstoß gegen die aus §§ 15 und 16 ArbSchG resultierenden Verantwortungen nicht strafbewehrt nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz oder gar nach Strafnormen. Wenngleich nicht sanktioniert, bleiben Unterlassungen und Versäumnisse im Bereich der §§ 15 und 16 ArbSchG aber nicht folgenlos.

Mit den §§ 15 und 16 ArbSchG verlässt das Arbeitsschutzrecht das ursprüngliche Gefüge. Wenn ein Arbeitgeber etwa keine Unterweisungen durchführt, keine Gefährdungsbeurteilungen anlegt und diese dokumentiert, kann der Arbeitnehmer ihn nicht darauf vor dem Arbeitsgericht verklagen, wie auf Lohn, Urlaub oder Zeugniserteilung. Der Arbeitnehmer hat dann nur die Möglichkeit, den Arbeitgeber, den Betriebs- oder Personalrat bzw. die verschiedenen Arbeitsschutzverantwortlichen im Betrieb darauf anzusprechen und auf Abhilfe zu dringen. Nur unter engeren Voraussetzungen darf sich der Arbeitnehmer dann, ohne Nachteile fürchten zu müssen, an externe Stellen wenden, um Hilfe "von außen" zu holen.

Anders ist die Lage, wenn der Arbeitnehmer im Bereich der §§ 15 und 16 ArbSchG unter seinen Möglichkeiten agiert und dem Arbeitgeber die notwendige Unterstützung entweder nicht im gebotenen Umfang oder gar nicht zukommen lässt.

In diesem in der Praxis aber wohl nur sehr schwer nachweisbaren Fall, kann der Arbeitgeber mit den Sanktionsmechanismen des Arbeitsrechts gegen den verantwortungslosen oder zumindest verantwortungsscheuen Mitarbeiter vorgehen.

Eine den §§ 15 und 16 ArbSchG zuwiderlaufende Arbeitsweise kann der Arbeitgeber zurückweisen und unterbinden, ohne selbst in Annahmeverzug zu geraten, da er nur eine rechtskonforme Arbeitsleistung annehmen und bezahlen muss.

 
Praxis-Beispiel

Gerüstbau

Eine Gerüstbau-Firma installiert für Malerarbeiten an einem Mehrfamilien-Wohnhaus mit 12 Etagen ein Außengerüst. Dabei werden von einigen Monteuren die von der Berufsgenossenschaft vorgeschriebenen Gurtsicherungen nicht benutzt, weil sie angeblich die Bewegungsfreiheit einengen, und stattdessen in artistischer Manier ungesicherte Balkone erklommen. Der Inhaber der Firma untersagt derartige "Zirkus-Kunststücke", weil er fürchtet, dass er den Versicherungsschutz verlieren wird, wenn ein Mitarbeiter bei derart riskanten Kletter-Passagen abstürzt und sich verletzt.

Als Obliegenheitsverletzung gegen sich selbst kann der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich belangt werden bis hin zur Kündigung im Wiederholungsfall. Kommt durch derartige riskante "Turnübungen" noch ein Kollege zu Schaden, sodass der Arbeitgeber diesem dann krankheitsbedingte Lohnfortzahlung gewähren muss, kommt im Verhältnis zwischen dem schädigenden Arbeitnehmer und dem Firmeninhaber zusätzlich ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB in Betracht.

Nach der Rechtsprechung, soweit sie sich bis heute mit derartigen Vorgängen befassen musste, muss einer hierauf gestützten Kündigung eine mehrfache Abmahnung vorausgehen.[1]

Stellt sich heraus, dass der Mitarbeiter dieses sicherheitswidrige Verhalten auf Anweisung eines Vorgesetzten ausgeübt hat, ist eine darauf gestützte Kündigung allerdings sozialwidrig. Dies gilt auch, wenn ein Vorgesetzter im Namen des Arbeitgebers objektiv rechtswidrige, weil arbeitsschutzwidrige Anweisungen erteilt. Auch in diesem Fall ist die Kündigung eines Mitarbeiters, der diesen Anweisungen Folge leistete und einen Unfall verursachte, rechtsunwirksam.[2]

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