Am effizientesten ist es, zunächst das Gespräch mit dem Betroffenen zu suchen. Mitarbeiter-Führungskraft-Gespräche sind auf beiden Seiten nicht sonderlich beliebt, bei solchen kritischen Sachverhalten sind die Zurückhaltung und das Widerstreben gleich noch viel größer. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass die meisten Führungskräfte unsicher sind in Bezug auf psychische Auffälligkeiten und nicht recht wissen, wie sie damit umgehen, geschweige denn, wie sie die Auffälligkeiten ansprechen sollen.

Ideal ist es, wenn beide Seiten offen und ohne Vorurteile und Vorbehalte ein erstes Vier-Augen-Gespräch führen und ihre Standpunkte und Notwendigkeiten darstellen.

Bevor dieses Gespräch stattfindet, sollte die Führungskraft sich gut darauf vorbereiten, sowohl organisatorisch als auch inhaltlich.

Organisatorische Gesprächsvorbereitung

Dem Mitarbeiter sollte frühzeitig mitgeteilt werden, dass die Führungskraft ein Gespräch mit ihm über seine Verhaltensauffälligkeit führen wird. Die Führungskraft sollte sich ausreichend Zeit für das Gespräch nehmen und für eine ungestörte und angenehme Gesprächsatmosphäre sorgen.

Inhaltliche Gesprächsvorbereitung

Genauso wichtig ist allerdings eine gründliche inhaltliche Vorbereitung auf das Gespräch. Es werden sehr sensible Themen behandelt, die sowohl die Führungskraft als auch den Mitarbeiter an ihre/seine Grenzen führen können. Hinzu kommt, dass das Gespräch eine unerwartete Dynamik entwickeln und eskalieren kann. Dessen sollte sich die Führungskraft bewusst sein und entsprechende (Gesprächs-)Strategien parat haben. Sie sollte immer bei den Fakten bleiben und Spekulationen und Diagnosen vermeiden. Bei Bedarf kann und sollte die Unterstützung des Betriebsarztes herangezogen werden.

Folgende Leitfragen sollte sich die Führungskraft vorab selbst beantworten:

  • Was möchten Sie mit dem Gespräch erreichen? Soll der Mitarbeiter pünktlicher, zuverlässiger, teamorientierter sein?
  • Welche Veränderungen im Sozial- und Leistungsverhalten des Mitarbeiters sind Ihnen aufgefallen? Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, häufige Kurzerkrankungen, gereiztes Verhalten, Rückzugstendenzen, …
  • Wie erleben andere den Mitarbeiter (Kollegen, Kunden)? Was ist Ihnen über den Mitarbeiter zu Ohren gekommen?
  • Welche Ursachen haben die wahrgenommenen Verhaltens- und Wesensänderungen? Sind es private Ursachen oder gibt es berufliche Gründe für das auffällige Verhalten?
  • Welche konkreten Verhaltensänderungen erwarten Sie als Führungskraft vom Mitarbeiter? Pünktlichkeit, korrekte Arbeitsleistung, Einhaltung der vereinbarten Abgabefristen, angemessenes Verhalten gegenüber den Kollegen, …
  • Welche verbindlichen Lösungswege gibt es, um das Dilemma zu lösen? Was kann das Unternehmen tun (z. B. Arbeitsbedingungen überprüfen, Unterstützung anbieten), was muss der Betroffene tun (z. B. professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, Beratungsstellen aufsuchen)?
  • Wie und wann wird der Erfolg der Maßnahmen festgestellt? Abschließende und etwaige Folgegespräche sollten nach 4 bis 6 Wochen stattfinden.

Dieses erste Gespräch hat noch keinen formellen Charakter und bleibt ohne jegliche disziplinarische Konsequenzen. Ob weitere Gespräche stattfinden, hängt vom Verlauf der erwarteten und eingeforderten Verhaltensänderung des Betroffenen ab. Hat sich das Verhalten in die erwünschte und vereinbarte Richtung gedreht, wird in einem zweiten und letzten Gespräch von der Führungskraft die positive Verhaltensänderung anerkennend zurückgemeldet und eine weiterhin gute Zusammenarbeit betont. Haben sich keine Veränderungen ergeben, sind weitere Absprachen notwendig.

Folgegespräche

Die Folgegespräche sind abhängig vom Grad der Verhaltensänderung. Braucht der Mitarbeiter noch mehr Zeit, ist aber bereits aktiv geworden, in dem er (professionelle) Hilfe in Anspruch genommen hat? Hat er gar nichts getan, um den unerwünschten Zustand zu ändern?

Hat der Betroffene nichts unternommen, wird er nochmals darüber aufgeklärt, dass Verhaltensänderungen unabdingbar sind. Ihm wird unmissverständlich klar gemacht, dass weitere Gespräche disziplinarischen Charakter und Konsequenzen haben und dass maßgebliche interne Stellen bei den Gesprächen anwesend sein werden. Das sind in beiderseitigem Interesse: Interessenvertretung, Betriebsarzt, Personalabteilung, Sozialberatung, weitere Vorgesetzte. Die nunmehr formellen Gespräche werden dokumentiert. Mit zunehmendem Eskalationsgrad werden arbeitsrechtliche Konsequenzen wirksam (vgl. Abschn. 10).

 
Wichtig

Betriebsvereinbarungen beachten

Der Ablauf der folgenden Gespräche hängt auch ab von den jeweiligen Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.

Auch wenn die Führungskraft gefordert ist, bei Auffälligkeiten eines Mitarbeiters, die den Arbeitsprozess stören und das soziale Miteinander beeinträchtigen, tätig zu werden, ist sie nicht der alleinige Zuständige für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Jeder Beschäftigte hat eine Eigenverantwortung für seine Gesundheit – sei es die physische oder die psychische – und sein Verhalten.

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel –...

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