Zusammenfassung

 
Begriff

Viele Beschäftigte sind auch außerhalb festgelegter Arbeitszeiten für dienstliche Belange erreichbar. Die massenhafte Verfügbarkeit von mobilen Kommunikationsmedien (Smartphones, Notebooks usw.) hat es möglich gemacht, dass praktisch jederzeit Kontakt mit Arbeitgeber, Kollegen und Kunden aufgenommen werden kann, sei es im Gespräch, durch Mailverkehr oder Austausch und Bearbeitung von Unterlagen. Wie stark von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird und wie stark sich Beschäftigte dadurch belastet sehen, ist branchen- und betriebsabhängig. Insgesamt betrachtet ist das Phänomen "Ständige Erreichbarkeit" aber längst so verbreitet, dass es für eine gute und gesunde Unternehmenskultur wichtig ist, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Organisations- und Kommunikationsstrukturen unter diesem Aspekt zu betrachten und verträglich zu gestalten.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

Für angestellte Beschäftigte darf die tägliche Arbeitszeit von i. d. R. 8 bis max. 10 Stunden nicht überschritten werden und Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Auch die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unterliegt nach ArbZG konkreten Begrenzungen. Arbeitsbezogene Kontakte und Tätigkeiten außerhalb festgelegter Arbeitszeiten sind grundsätzlich als Arbeitzeit im Sinne des ArbZG zu werten und daher dazu angetan, die im ArbZG festgelegten verbindlichen gesetzlichen Regelungen zur Arbeitzeit zu unterlaufen. Während Rufbereitschaft als klar definierte Form ständiger Erreichbarkeit schon seit langem praktiziert und in den Schichtplanungen betroffener Branchen und Betriebe berücksichtigt wird, werden Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, die sich aktuell vermehrt aus mobilen Kommunikationsformen ergeben, häufig nicht als solche wahrgenommen und damit ggf. unterschätzt.

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Häufige und intensive arbeitsbezogene Kontakte außerhalb der vorgesehenen Arbeitszeiten und im Urlaub können erhebliche psychische Belastungen, wie Anspannung, Leistungsdruck, Überforderung, mangelnde Erholung usw., mit sich bringen. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen nach § 5 ArbSchG muss die betriebliche Praxis in diesem Zusammenhang untersucht und bewertet werden und ggf. Maßnahmen für einen effektiven Gesundheitsschutz in Kommunikations- und Organisationsstrukturen getroffen werden.

1 Definition

Es gibt keine allgemein verbindliche Definition des Phänomens "Ständige Erreichbarkeit" etwa im Sinn einer bestimmten Rechtsgrundlage. Im aktuellen Sprachgebrauch wird darunter in aller Regel verstanden, dass Beschäftigte in ihrer Freizeit mit dem Arbeitgeber, mit Kollegen oder Kunden über Mobiltelefon oder per E-Mail in Kontakt treten, ohne dass darüber konkrete arbeitsorganisatorische Absprachen getroffen werden, wie es bei klassischen Rufbereitschaften der Fall ist. Daher erscheint folgende Definition treffend:

"Ständige Erreichbarkeit ist eine weitestgehend unregulierte Form einer erweiterten Verfügbarkeit für dienstliche Belange außerhalb der regulären Arbeitszeiten."[1]

[1] Nach iga-Report 23 Teil 1.

2 Verbreitung

Nach unterschiedlichen übereinstimmenden Studien geben ca. 80 % der Beschäftigten an, dass sie außerhalb geregelter Arbeitszeiten für dienstliche Belange erreichbar sind. Diese relativ hohe Zahl erklärt sich dadurch, dass in den meisten Arbeitsverhältnissen Kollegen und Vorgesetzte die privaten Kontaktdaten eines Beschäftigten kennen und damit die Möglichkeit haben, außerhalb der Arbeitszeiten Kontakt aufzunehmen. Dieser Sachverhalt allein hat in den allermeisten Fällen aber keine besonderen Folgen, weil die Mehrzahl der Beschäftigten

  • nicht oder nur in sehr seltenen Ausnahmefällen tatsächlich außerhalb der regulären Arbeitszeiten kontaktiert wird und
  • dementsprechend der ständigen Erreichbarkeit keine besondere Aufmerksamkeit widmet, z. B. das mobile Telefon nicht immer bei sich trägt und schon gar nicht in die Lage gerät, private Planungen am Bedarf nach Erreichbarkeit ausrichten zu müssen.

Der Anteil Beschäftigter, die tatsächlich nach Feierabend, an Wochenenden und im Urlaub in erheblichem Umfang dienstlich gefordert sind, ist demgegenüber deutlich geringer. Etwa 20 % der Beschäftigten geben an, mehr als einmal in der Woche außerhalb der Arbeitszeiten Mails zu lesen, und nur etwa 8 % haben nach dem DAK-Gesundheitsreport von 2013 ein hohes oder sehr hohes "Maß an Erreichbarkeit".

Insgesamt kommen berufliche Anforderungen an Feierabenden von Werktagen am häufigsten vor, weniger intensiv an Wochenenden und im Urlaub der Beschäftigten. Meistens sind es Vorgesetzte oder Kollegen, die außerhalb der Arbeitszeiten Kontakt aufnehmen, weniger häufig Kunden.

Besonders von Erreichbarkeitsanforderungen betroffen sind:

  • Führungskräfte,
  • "Spezialisten", wie Technik- und IT-Mitarbeiter,
  • Dienstleistungsbranchen mehr als Produktionsbranchen,
  • Branchen, in denen viel mobil gearbeitet wird und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben immer schon d...

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