Die Bedeutung gesunder Mitarbeiter in den Betrieben steigt. Der steigenden Nachfrage nach betriebsärztlicher Betreuung stehen jedoch schon heute nicht genügend Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkunde gegenüber. In einigen Regionen können die Betriebe deshalb bereits heute trotz intensiver Bemühungen ihrer Verpflichtung zur Bestellung eines Betriebsarztes nur sehr schwer nachkommen. Zudem ist absehbar, dass die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in den nächsten Jahren noch deutlich steigen wird. Zwar hat sich die Zahl der jungen Ärzte mit arbeitsmedizinischer Fachkompetenz in den vergangenen Jahren stetig erhöht. Dennoch ist klar, dass bereits kurzfristig das Gut der betriebsärztlichen Einsatzstunde gezielter eingesetzt werden muss als bisher, u. a. deshalb, weil mit aller Wahrscheinlichkeit nicht viele der heutigen Betriebsärzte auch nach dem 65. Lebensjahr weiterarbeiten werden.

Was ist die Lösung? Die Experten sind sich einig, dass Betriebsärzte nicht ersetzt werden können. Stattdessen setzen sie auf unterschiedliche Delegationsmodelle. So hat die Bundesärztekammer eine Muster-Fortbildungsausbildung für Medizinische Fachangestellte (MFA) für die "Arbeits-/Betriebsmedizin" erarbeitet. Absolventen dieser Ausbildung sollen mit ihm befähigt werden, den Betriebsarzt umfassend zu unterstützen.

Zur Entlastung und Unterstützung bietet sich aber auch der Sicherheitsbeauftragte in geradezu idealer Form an. Zunächst einmal rein rechnerisch: In Deutschland kommen auf einen Arzt mit der entsprechenden Ausbildung je nach Statistik zwischen 50 und 100 innerbetriebliche Sicherheitsbeauftragte. Sehr oft bringt ein Sicherheitsbeauftragter schon gute medizinische Grundkenntnisse mit, denn insbesondere in Klein- und Kleinstbetrieben füllen Sicherheitsbeauftragte in Personalunion auch die Funktion des Ersthelfers (Erste Hilfe) aus – in Kleinstbetrieben sogar über 60 %!

Aufgrund des Charakters der heutigen betrieblichen Angebotsvorsorgeuntersuchungen (nicht der Pflichtvorsorgeuntersuchungen!) wäre es weiterhin eine Überlegung wert, die Sicherheitsbeauftragten auch im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen mit Assistenzaufgaben zu betrauen. Weiterführende Untersuchungen (körperliche Untersuchung, technische Untersuchungen wie Blutuntersuchungen) werden, sofern zur Beurteilung nötig, dem Beschäftigten im Rahmen der Voruntersuchung erst einmal nur angeboten. Erst bei dieser weiterführenden Untersuchung müssten Betriebsärzte bzw. arbeitsmedizinisch ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden. Fazit: Sicherheitsbeauftragte könnte man relativ schnell mittels entsprechender Schulungen zu Ansprechpartnern für Betriebsärzte fortbilden, die diese wirksam z. B. im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beratung und Vorsorge unterstützen können.

Darüber hinaus ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit von Betriebsarzt und Sicherheitsbeauftragtem in jedem Fall wünschenswert, denn in der Umfrage aus 2012 gaben über alle Betriebsgrößen hinweg noch nicht einmal 60 % der Befragten an, dass die Zusammenarbeit als sehr gut oder gut zu bezeichnen ist (dagegen bezeichneten fast 80 % der Befragten die Kooperation mit den Fachkräften für Arbeitssicherheit als sehr gut und gut).

Allein schon die Umbenennung des Sicherheitsbeauftragten zum Beauftragten für Sicherheit und Gesundheit würde weiterhelfen und unterstreichen, dass die Sicherheitsbeauftragten mit dem Betriebsarzt enger zusammenarbeiten sollten. Bislang aber scheitert die Intensivierung der Beziehung zwischen Betriebsärzten und Sicherheitsbeauftragten in vielen Fällen auch an dem immer noch vorherrschenden Selbstverständnis der Betriebsärzte, die ihre Rolle vorrangig als medizinische Untersucher und weniger als Berater der Mitarbeiter sehen – denn dadurch kommt es u. a. auch zu weniger Kontaktzeiten mit den Sicherheitsbeauftragten.

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