Wenn mobile Arbeit im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses stattfindet, besteht kein Zweifel daran, dass die damit verbrachte Zeit Arbeitszeit ist. Das macht auch die EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG deutlich, wonach Arbeitszeit "jede Zeitspanne [ist], während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt".

Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht erfolgt durch das Arbeitszeitgesetz, das seine Vorgaben u. a. an folgenden Grundbegriffen festmacht:

  • Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen, die 8, ausnahmsweise 10 Stunden nicht überschreiten darf.
  • Ruhepausen, die im Voraus feststehen müssen und minutengenau festgelegt sind.
  • Ruhezeit, die nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ununterbrochen mindestens 11 Stunden dauern muss.

Zwar wurde das Arbeitszeitgesetz in der Vergangenheit immer wieder angepasst, es ist aber unübersehbar, dass es von seiner viele Jahrzehnte alten Grundstruktur kaum geeignet ist, eine sehr weit aufgelöste, flexible Arbeitsform wie mobile Arbeit abzubilden. Die Arbeitszeit, die ein mobil arbeitender Beschäftigter aufbringt, ist in der Praxis oft nicht durch vorher festgelegte Pausen strukturiert und kann in relativ kurzen Abschnitten über den Tag verteilt liegen, sodass eine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden unter Umständen nicht gegeben ist, aber für den Betroffenen auch kein wesentliches Schutzziel darstellt.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitszeitgesetz contra mobile Arbeit?

Ein alleinerziehender Arbeitnehmer arbeitet in Vollzeit und erbringt seine Arbeitszeit in Präsenzphasen von werktäglich 6 Stunden sowie mobil arbeitend. Das erlaubt ihm, seine Kinder umfassend selbst zu betreuen. Die übrige Arbeitszeit erbringt er dann, wenn es die Familienabläufe ermöglichen, oft abends und an den Wochenenden oder spontan immer dann, wenn die Kinder gerade gut versorgt sind. Für den Betroffenen kann eine solche Arbeitsorganisation sehr entlastend und unverzichtbar sein, um Familie und Beruf zu vereinbaren. Wenn die dafür erforderlichen Schlüsselqualifikationen, Selbstorganisation und -verantwortung gegeben sind, kann so ein hohes Maß an Lebensqualität und damit auch Gesundheitsschutz erzielt werden.

Schon immer gab es eine Fülle von Situationen (z. B. im klassischen Außendienst und auf Dienstreisen), in denen das Arbeitszeitgesetz nicht vollumfänglich eingehalten wurde und wird, ohne dass es deshalb zu schwerwiegenden Sicherheits- und Gesundheitsrisiken kommt. Die Herausforderung für den Arbeitsschutz liegt darin, tragfähige Strukturen zum Schutz der Beschäftigten aufzubauen bzw. zu halten, wo es nötig ist, ohne dass es zu sinnlosen Einschränkungen der Organisations- und Entscheidungsfreiheit kommt. So darf kein Arbeitgeber erwarten, dass die erlaubte tägliche Arbeitszeit überschritten wird. Das zu kontrollieren, führt aber gerade bei mobiler Arbeit zu einem erheblichen Maß an Überwachung, das datenschutzrechtlich mindestens problematisch ist und dem Zweck, nämlich der Ausübung der gesetzlichen Fürsorgepflicht, unangemessen ist.

 
Praxis-Beispiel

Mobile Arbeit – Segen oder Fluch?

Wenn ein Beschäftigter spätabends gegen 23.00 Uhr noch E-Mails verschickt und am nächsten Morgen um 8.30 Uhr den nächsten Diensttermin wahrnimmt, ist das formal betrachtet ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, weil keine ununterbrochene Ruhezeit von 11 Stunden gegeben ist. Einzelne Vorstöße von Firmen gehen dahin, solche Verhaltensweisen zu unterbinden, indem die Nutzungszeiten der Kommunikationssysteme entsprechend eingeschränkt werden. Wer weiß aber, was wirklich dahinter steht? Beutet sich da tatsächlich einer in gesundheitsgefährdender Weise aus und muss vor sich selber geschützt werden? Oder konnte im Gegenteil der Mitarbeiter gerade deshalb an diesem Tag einen entspannten Feierabend beim Sport oder mit der Familie verbringen, weil er zeitig seine Arbeit im Betrieb beendet hat und die wenigen noch ausstehenden Aufgaben kurz vor dem Schlafengehen eben auf den Weg bringen konnte? Oder war er einfach froh, die vergessene Kleinigkeit zwischendrin erledigen zu können, die am kommenden Arbeitstag zu lästigen Problemen geführt hätte? Oder ist es jemand, der längst auch privat ständig online ist und Kommunikation nach Bedarf zu jeder Tages- und Nachtzeit für völlig selbstverständlich hält?

Mit den sich gesamtgesellschaftlich entwickelnden Kommunikationsstrukturen wird es immer weniger sinnvoll und möglich sein, betriebsseitig bestimmte starre Verhaltensweisen aufzuzwingen – wer auch privat mobil und rund um die Uhr mit der ganzen Welt in Kontakt steht, wird sich das vom Arbeitgeber kaum verbieten lassen wollen. Flexibilität und mobile Verfügbarkeit sollten aber betrieblich immer weitestgehend als Möglichkeit und nicht als Zwang gesehen werden. Nicht zuletzt hängt es von persönlichen Begabungen und Qualifikationen ab, wie jemand mit f...

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