Zusammenfassung

 
Überblick

Bei Muskel- und Skeletterkrankungen besteht mit 20,5 Mrd. EUR Produktionsausfall und 35,2 Mrd. EUR Verlust an Bruttowertschöpfung das größte Präventionspotenzial[1]. Durch Heben und Tragen schwerer Lasten sind etwa 31,7 % der Basisarbeitenden, 28,7 % der Facharbeiter und 6,5 % der Beschäftigten mit hochqualifizierter Arbeit betroffen. Die Anforderung wird in allen Gruppen von mehr als der Hälfte der Befragten als belastend empfunden.

Arbeitsplätze werden modernisiert, Maschinen optimiert, Arbeitsprozesse verbessert, Exoskelette entwickelt, aber der Mensch ist immer der gleiche geblieben – in der Funktion! Er ist für Bewegung geschaffen und kann Tonnen in seinem Arbeitsleben transportieren – meist jedoch nicht ohne Folgen. Der Knochen mit seiner Schutzschicht, dem Knorpel, reagiert auf jahrelange ungleichmäßige Belastung. Die Bandscheiben können in Mitleidenschaft gezogen werden und Nerven komprimieren. Schmerzen, Einbußen der Leistungsfähigkeit bis hin zur Arbeitsunfähigkeit und Verlust an Lebensqualität können die Folgen sein. Was sind die Gründe für die Reaktionen des Körpers? Individuelle körperliche Eigenschaften und Leistungsfähigkeit entscheiden über Belastbarkeit. Dieser Beitrag informiert über die komplexen Zusammenhänge des menschlichen Körpers mit seinen Fähigkeiten und Grenzen.

[1] Quelle: Arbeitswelt im Wandel/Baua Ausgabe 2023.

1 Die menschlichen Eigenschaften

Die Eigenschaften des Menschen werden in veränderbare und nicht veränderbare unterschieden.

Nicht veränderbar im Lebenszyklus sind:

  • Geschlecht,
  • Körperbau,
  • Erbanlagen.

Keine direkte Einflussnahme möglich, aber veränderlich sind:

  • Alter,
  • Körpergewicht,
  • Gesundheitszustand,
  • physiologische Leistungsbereitschaft,
  • psychische Leistungsbereitschaft, Emotionen.

Durch langfristige Prozesse veränderbar sind:

  • Erfahrung,
  • Fähigkeit,
  • Fertigkeit,
  • Bildung.

Durch kurzfristige Maßnahmen veränderbar sind:

  • Ermüdung,
  • Stimmung,
  • Motivation,
  • Konzentration.
 
Wichtig

Personalentscheidung und Arbeitsplatzgestaltung

Die menschlichen Eigenschaften können voneinander abhängig sein und sich dadurch gegenseitig beeinflussen. Die Veränderung von Eigenschaften wirkt sich auf die Beanspruchung und die Leistung aus. Das muss sowohl bei der Personenauswahl als auch bei der Arbeitsplatzgestaltung berücksichtigt werden.

1.1 Geschlecht

Beim Einsatz von Frauen ist zu bedenken, dass deren Körperkraft im Durchschnitt nur 2/3 der des Mannes beträgt. Geringere Skelettmaße verkleinern die Fläche der Wirbelkörperdeckplatten und Bandscheiben für die auftretenden Druck- und Scherkräfte. Das bedeutet eine höhere Belastung der Wirbelsäule bei gleicher Arbeitsanforderung.

Der offene Beckenboden kann die Druckkräfte beim Heben und Tragen weniger gut aufnehmen. Bei andauernder Belastung kann es zur Gebärmuttersenkung mit Störung der Blasenfunktion kommen.

Kleine Lasten (1–2 kg) können unter optimalen Arbeitsbedingungen bei einer Häufigkeit von 1.000 Mal pro Schicht als unkritisch angesehen werden. Bis 5 kg ist es Gesunden zumutbar; 15 kg sollen nur in Ausnahmefällen gehoben werden, um ein Gesundheitsrisiko zu vermeiden.

 
Wichtig

Berücksichtigung von Frauen bei der Leitmerkmalmethode

  • Heben und Tragen: Die wirksame Last für Frauen wird in der Lastwichtung geringer angegeben.
  • Ziehen und Schieben: Die Bewertungspunktzahl wird für Frauen mit 1,3 multipliziert und erreicht so evtl. einen höheren Risikobereich.
  • Manuelle Arbeit: Hier gibt es keinen Unterschied bei der Beurteilung.

1.2 Körperbau und Erbanlagen

Beim Leistungssport weiß man es schon lange: Die Proportionen der Körperabschnitte entscheiden über die Kraftentwicklung. Kugelstoßen und Schwimmen verlangen eine gute Kraftentwicklung des Oberkörpers. Breite Schulterabstände bedeuten einen längeren Weg für die Muskeln bzw. einen längeren Kraftarm. Deshalb können athletische Typen in den Armen mehr Kraft entwickeln als zierliche, schmale Menschen.

Für das Heben und Tragen ist eine gute Kraftentwicklung in Oberkörper und Armen auch eine Voraussetzung für eine geringere Beanspruchung der Lendenwirbelsäule.

Zu beachten sind auch die durch die Konstitution bedingten unterschiedlichen Bücktypen (sind konstitutionsabhängig) und die Kraft und Beweglichkeit des "Unterbaus" (Beine).

Da der Körperbau der Frauen i. d. R. zierlicher ist als der der Männer, entstehen auch hier bei gleicher Arbeitsanforderung höhere Belastungen für Knochen, Bandscheiben, Muskeln und Bänder.

 
Praxis-Tipp

Muskeltraining

Gezieltes Muskelaufbautraining und optimales, individuelles Arbeitsplatztraining können Beanspruchungen minimieren.

1.3 Alter

Das Skelettwachstum ist erst mit ca. 21 Jahren abgeschlossen. Beschäftigte gelten bis dahin im Rahmen der Beurteilung durch die Leitmerkmalmethode als vermindert belastbar.

Sie sind im Umgang mit der Last und dem eigenen Körper wenig erfahren und oft risikobereiter. Motiviert zu zeigen, was sie alles können, belasten sie sich zu stark.

 
Wichtig

Präventionsarbeit

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