Durch die Einführung von KI-Verfahren können Menschen bei der Ausführung der Arbeitsaufgaben unterstützt und entlastet werden. Neben der Abnahme und Vorbereitung von Entscheidungen lassen sich Fehler reduzieren und auch Routineaufgaben an die Software delegieren. Ebenso können Arbeitsaufgaben präziser an die individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten der Arbeitspersonen (z. B. Kompetenzen, Lernprozess, Sprache) angepasst werden. Damit diese Potenziale genutzt werden können, bedarf es jedoch einer menschengerechten Gestaltung des Arbeitssystems.

Zur Bestimmung von Anforderungen an die Arbeitsgestaltung mit KI steht zunächst die Frage im Vordergrund, welche Veränderungen sich im Arbeitssystem durch die Interaktion zwischen Menschen und KI-Systemen ergeben. Eine wesentliche Neuerung durch die Einführung von KI ist, dass Entscheidungen von der Software übernommen und/oder unterstützt werden können. Dabei informiert, interagiert, lernt und steuert die Software nach eigenen (programmierten) technischen Mustern.[1] Das bedeutet, dass die bisherige Interaktion zwischen Menschen und Arbeitsmitteln (z. B. Maschinen) um eine zusätzliche Variable, nämlich die selbstlernende Software ergänzt wird. Ansatzpunkte für die Arbeitsgestaltung sind demzufolge die selbstlernende Software wie auch die hierdurch beeinflussten Aspekte der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsmittel und der Arbeitsorganisation. Dazu können bisherige Erkenntnisse und Normen verwendet und um die entsprechenden Neuerungen, welche durch die Interaktion mit selbstlernender Software entstehen, ergänzt werden. Nach Cernavin und Diehl[2] sind dabei 5 verschiedene Stufen der Interaktion denkbar:[3]

  1. Die selbstlernende Software schlägt eine vollständige Menge von Handlungsalternativen vor und der Mensch entscheidet, welche angewendet wird.
  2. Die selbstlernende Software führt einen eigenständig ausgewählten Vorschlag aus, wenn der Mensch diesen bestätigt.
  3. Die selbstlernende Software erlaubt dem Menschen ein Veto einzulegen, um eine automatische Ausführung zu verhindern.
  4. Die selbstlernende Software informiert den Menschen über die Ausführung nur, wenn er anfragt.
  5. Die selbstlernende Software handelt voll autonom und gibt ggf. dem Menschen Anweisungen.

Eine neue Aufgabe der Akteure im Bereich der Arbeitsgestaltung besteht darin festzulegen, wann es wirkungsvoller ist, dass der Mensch oder die selbstlernende Software Entscheidungen übernimmt und ausführt. Dieser Aspekt der Zuweisung von Arbeitsaufgaben an den Menschen bzw. das Arbeitsmittel ist bereits in der DIN EN ISO 6385 beschrieben und erlangt durch die Einführung von KI besondere Bedeutung. Im Folgenden werden daher, orientiert an dieser DIN-Norm, relevante Kriterien zur gesunden, sicheren und produktiven Gestaltung von KI-Verfahren abgeleitet.

[1] Offensive Mittelstand (2019a): Verbundprojekt Prävention 4.0. Umsetzungshilfe 1.3.2. Interaktion zwischen Mensch und intelligenter Software (inkl. KI), Heidelberg, verfügbar unter: https://www.offensive-mittelstand.de/fileadmin/user_upload/pdf/uh40_2019/1_3_2_interaktion_mensch_technische_systeme.pdf, zugegriffen: 29.10.2019.
[2] Cernavin/Diehl (2018): Arbeit 4.0 und Unternehmenskultur, in Cernavin/Schröter/ Stowasser (Hrsg.): Prävention 4.0 (S. 189–229), Springer Verlag, Berlin/Heidelberg.
[3] Vgl. auch Offensive Mittelstand (2019a): Verbundprojekt Prävention 4.0. Umsetzungshilfe 1.3.2. Interaktion zwischen Mensch und intelligenter Software (inkl. KI), Heidelberg, verfügbar unter: https://www.offensive-mittelstand.de/fileadmin/user_upload/pdf/uh40_2019/1_3_2_interaktion_mensch_technische_systeme.pdf, zugegriffen: 29.10.2019.

3.1 Kriterien für die Arbeitsgestaltung mit KI

Eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Einführung von KI-Verfahren ist, "… dass die veränderten Prozesse im gesamten Unternehmen akzeptiert und angewendet werden".[1] Hierzu sollte u. a. die Akzeptanz von und das Vertrauen in KI-Verfahren unterstützt und gefördert werden. Dies gelingt z. B. durch eine menschengerechte Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion anhand von Kriterien für die Ausgestaltung von KI. Ein etabliertes und arbeitswissenschaftlich anerkanntes Rahmenwerk zur Gestaltung von Arbeitssystemen ist die DIN EN ISO 6385. In Anlehnung an diese Grundsätze der Ergonomie für die Gestaltung von Arbeitssystemen schlägt Stowasser ein Vorgehensmodell für die Einführung digitaler Technologien in den Betrieb vor (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Vorgehensmodell für die Einführung digitaler Technologien[2]

[1] Lee/Moser/Jussen/Rüttgers/Friedrich (2019): Marktstudie Industrial Machine Learning. Expertenwissen für Entscheider der produzierenden Industrie, Hrsg. Stich/Jussen, FIR e. V. an der RWTH Aachen, Aachen.
[2] Stowasser (2018): Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Arbeitsgestaltung. Industrie 4.0 illustriert am Beispiel der Mensch-Roboter-Kollaboration. DIN Mitteilungen 97(2), S. 5–7.

3.1.1 Formulierung von Zielen (Analyse der Anforderungen)

In einem ersten Schritt wird in diesem Modell eine Analyse der Anforderungen des Arbeitssystems durchgeführt. Hierzu sollten Informationen der Produk...

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