Die klassische Gefährdungsbeurteilung nicht-psychischer Belastungen erfolgt i. d. R. auf Basis einer objektiven Belastungsbeurteilung unter Einsatz von Checklisten und Bewertungsinstrumenten, wie z. B. der Leitmerkmalmethode für das Heben und Tragen von Gegenständen, von Messinstrumenten bei den Arbeitsumgebungsbedingungen, z. B. Lärmmessung, sowie die Beurteilung anhand von Richtwerten.

Arbeitsschutzexperten würden auch bei der psychischen Gefährdungsbeurteilung gerne Messinstrumente einsetzen, d. h., eine rein objektive Belastungsbeurteilung anhand definierter Kriterien und Richtwerte durchführen. Aus den vorangegangen Kapiteln ist allerdings bereits deutlich geworden, dass psychische Belastungen nicht einfach durch Messwerte abbildbar sind. Selbst wenn Werte durch Mitarbeiterbefragungen erhoben wurden, müssen diese bewertet und interpretiert werden. Darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vielseitigen Einflussfaktoren in ihrem Zusammenwirken mit lediglich einem Messinstrument zu erfassen sind. Auch wenn eine Kombination mehrerer Instrumente mit mehr Aufwand verbunden ist, führt diese zu detaillierten Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung.

 
Methoden Vorteile Nachteile
Beobachtung und Beobachtungsinterviews
  • auf Individuum bezogen
  • aktive Beteiligung der Beschäftigten
  • Feststellung von Belastungen, die sich nicht in den subjektiven Sichtweisen spiegeln
  • keine Sprachbarrieren
  • Klärung von Unklarheiten vor Ort
  • zeit- und kostenintensiv
  • keine Anonymität gewährleistet
  • keine Vergleichbarkeit
  • Manipulation der Beantwortung durch den Beobachter (teilnehmende Beobachtung)
vertiefender Analyseworkshop
  • aktive Einbindung der Beteiligten
  • Detailanalyse, ergänzende Informationen zu quantitativen Daten
  • Erfahrungsaustausch
  • Maßnahmenfindung möglich
  • vertiefte Ursachenforschung möglich
  • aufwendig
  • keine Anonymität gegeben
  • Standardisierung schwierig
  • keine Repräsentativität
  • Experte notwendig
  • möglicherweise können nicht alle Faktoren angesprochen werden
schriftliche Befragungen
  • anonym, Datenschutz realisierbar
  • schnell
  • standardisiert (Referenzwerte)
  • quantifizierbare Ergebnisse
  • schnelle Erfassbarkeit, geringer Aufwand
  • kein Experte notwendig
  • Bewertungsschema verwendbar
  • hohe Repräsentativität der empirischen Daten
  • Differenzierungsmöglichkeiten nach Arbeitsbereichen etc. gegeben
  • Wiederholbarkeit (Veränderungsmessung möglich) und Evaluation
  • kein Experte notwendig
  • bei kleineren Organisationen kaum Differenzierung möglich (Datenschutz)
  • Inhalte meist vorgegeben
  • Validierung notwendig
  • weckt Erwartungen
  • Ableitungen von Maßnahmen erfordern meistens weitere Daten (Workshops)
  • eher allgemeine Abfrage von Belastungsfaktoren, wobei Ursachen unklar bleiben
  • Sprachprobleme

Tab. 5: Vor- und Nachteile verschiedener Methoden zur Erfassung psychischer Belastungen[1]

 
Praxis-Tipp

Mitarbeiter einbeziehen

Eine optimale Beurteilung psychischer Belastungen gelingt umso besser, je mehr die Beschäftigten und deren subjektives Empfinden einbezogen werden – sei es im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung oder in Workshops/Gesprächszirkeln. Bei der Suche nach geeigneten Instrumenten kann die Toolbox der BAuA herangezogen werden.

[1] Neuner: Psychische Gesundheit bei der Arbeit. Betriebliches Gesundheitsmanagement und Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, Wiesbaden 2016.

Treier: Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (essentials). Begründung, Instrumente, Umsetzung, Wiesbaden 2015.

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