Zusammenfassung

 
Überblick

Zur Ermittlung psychischer Belastungen stehen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung. Unternehmen müssen entscheiden, welches Analyseinstrument für die betrieblichen Bedürfnisse und Gegebenheiten geeignet ist.

Im Folgenden wird die Methode des moderierten Analyseworkshops beschrieben, die in einer Behörde mit 6 Fachbereichen angewendet wurde.

1 Ausgangssituation

Psychische Krankheiten, Verhaltensstörungen und Sucht sind häufigster Frühverrentungsgrund (Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit) und zweithäufigste Ursache für Rehabilitationsmaßnahmen.[1] Auch die Anzahl der AU-Tage durch psychische Erkrankungen nimmt kontinuierlich zu und lag 2014 bei ca. 17 % der gesamten Ausfalltage.[2]

Unternehmen sind gefordert, Gefährdungen am Arbeitsplatz zu ermitteln und geeignete Maßnahmen festzulegen und umzusetzen. Neben Gefährdungen durch Maschinen oder Gefahrstoffe rücken psychische Belastungen zunehmend in den Fokus. Arbeitgeber suchen nach Methoden, um die psychischen Belastungen zu ermitteln.

Im vorliegenden Beispiel einer Behörde mit 6 Fachbereichen wurde zunächst eine Mitarbeiterbefragung durch eine große Krankenkasse durchgeführt. Die Ergebnisse ergaben jedoch kein einheitliches Bild, vielmehr machten widersprüchliche Aussagen, insbesondere innerhalb einzelner Fachbereiche, eine Beurteilung der tatsächlichen Belastungen und somit das Festlegen geeigneter Maßnahmen unmöglich. Die Behörde entschied sich daher für eine Ermittlung der psychischen Belastung durch moderierte Analyseworkshops, auch um diese Widersprüche aufzuklären.

 
Wichtig

Definitionen psychische Belastung, psychische Beanspruchung und Gefährdung

Die DIN EN ISO 10075-1 definiert psychische Belastung als "die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken", d. h., der psychische Belastungsfaktor beeinflusst den Menschen im Denken, Handeln und Fühlen. Psychische Belastung bei der Arbeit bezieht sich ausschließlich auf die Arbeitsbedingungen und nicht auf Personen, psychische Störungen oder andere Beanspruchungsfolgen. Der Begriff wird wertneutral genutzt.

Dagegen bezeichnet psychische Beanspruchung "die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien". Die Auswirkungen können bei jeder Person anders aussehen:

  • Sie können positiv oder negativ sein.
  • Sie können Ressource oder Gefährdung sein.
  • Sie können förderlichen Einfluss auf die Gesundheit haben oder die Gesundheit beeinträchtigen.

Es empfiehlt sich daher, neben den Belastungsfaktoren, auch die Ressourcen abzufragen, z. B. gutes Arbeitsklima.

Faktoren

Faktoren, auf die der Arbeitgeber keinen direkten Einfluss hat bzw. haben darf, sind personenbezogene Faktoren, wie z. B. Konstitution (Körpergröße, Körperfülle), Trainings-/Gesundheitszustand, Geschlecht, Alter.

Faktoren, auf die der Arbeitgeber Einfluss hat (vgl. ArbSchG) sind:

  • Qualifikation,
  • Arbeitstechnik,
  • Ausgleichsverhalten,
  • Arbeitsmittel-, Hilfsmittel,
  • Arbeitsaufgabe,
  • Häufigkeit,
  • Dauer,
  • Arbeitsumgebung,
  • soziale Beziehungen,
  • Arbeitsorganisation.

Gefährdung beschreibt schließlich "die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit"[3].

[1] Quelle: Deutsche Rentenversicherung, 2013.
[2] Quelle: DAK-Gesundheitsbericht 2015.
[3] Quelle: BAuA.

2 Gesetzliche Grundlagen und Leitlinien

Die Richtlinie 89/391/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, kurz Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz, wurde in Deutschland 1996 durch das Arbeitsschutzgesetz sowie durch Anpassungen in Arbeitssicherheitsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Gewerbeordnung und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz umgesetzt. Seit der Neufassung des ArbSchG im Jahr 2013 müssen nach § 5 Abs. 3 Nr. 6 explizit auch "psychische Belastungen bei der Arbeit" ermittelt werden, in der Vorgängerversion war dies in der Forderung nach "menschengerechter Gestaltung der Arbeit" zwar bereits impliziert, gab jedoch Raum für Interpretationen.

Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen dokumentiert werden. Durch die Garantenpflicht (Verantwortung für aktives Tun bzw. Unterlassen) der Vorgesetzten kann das Unterlassen der Gefährdungsbeurteilung zum Haftungsfall werden.

Die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA) wurde im Jahr 2008 durch Änderungen im Arbeitsschutzgesetz und im Sozialgesetzbuch VII geschaffen. Mit der GDA erfüllt Deutschland eine zentrale Forderung der EU-Gemeinschaftsstrategie für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz 2007–2012. Der strategische Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2014–2020 empfiehlt darüber hinaus, die nationalen Arbeitsschutzstrategien weiter zu konsolidieren und zu stärken.

Die GDA-Leitlinie "Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz" wu...

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