Die Anwendung des EAWS soll in einem Beispiel deutlich gemacht werden. Aufgabenstellung war in dem Beispielprojekt das Entladen von Paketen aus einem Container auf Stelzen, einer sog. Wechselbrücke. Dieser Wechselbehälter wird an ein Entladetor eines Logistikzentrums angestellt und entweder manuell oder teilautomatisch entladen. Die Belastung des Mitarbeiters für diese beiden Varianten wurde mit EAWS ermittelt und gegenübergestellt, um eine Entscheidungsgrundlage für die Prozessgestaltung zu erhalten.

Zuerst wurden die Prozessschritte für beide Prozesse mit einer MTM-Analyse dokumentiert. Der Prozess des manuellen Entladens beginnt mit dem Aussortieren von sperrigem Gut (z. B. Kartons mit einer Länge > 1,2 m); dann fährt der Bediener das Teleskopband bis kurz vor das Ladegut, entlädt die Packstücke beginnend von oben bis zum Boden, indem er sie auf das Teleskopband legt, fährt dann das Teleskopband weiter vor und wiederholt die Tätigkeit bis zur vollständigen Entladung des Behälters, um dann das Teleskopband wieder in die Ausgangsstellung zurückzufahren.

Der Prozess des teilautomatischen Entladens beginnt ebenfalls mit dem Aussortieren von sperrigem Gut; dann steigt der Bediener auf seine Bedienplattform, fährt mit dem Entladegerät bis kurz vor das Ladegut und entlädt die Packstücke beginnend von oben bis zum Boden, indem er sie mit einem Haken auf die Entladebänder zieht. Dabei unterstützen ihn die abfördernden Entladebänder, die das Transportgut am Bediener vorbei zur weiteren Verarbeitung transportieren. Das Entladegerät wird immer weiter in den Container hineingefahren und der Bediener wiederholt die Tätigkeit bis zur vollständigen Entladung des Behälters, um dann das Entladegerät wieder in die Ausgangsstellung zurückzufahren.

Im zweiten Schritt wurden die Parameter für beide Prozesse gemeinsam mit allen Projektbeteiligten festgelegt. Wesentlich dabei waren die Körperstellungs- und -haltungsverteilung, die Packstückgewichtsverteilung und die Häufigkeiten der Lastenhandhabung.

Im dritten Schritt wurden beide Varianten anhand der 4 Module des EAWS beurteilt.

Beurteilung

Extrapunkte gab es bei beiden Varianten nicht.

Schon im Modul 1, das die Körperstellung und -haltung auswertet, wurde der Vorteil der halbautomatischen Variante klar ersichtlich. Bis auf einen geringen Anteil an stark gebeugter Körperstellung bei der Handhabung von kleineren Packstücken am Boden steht und geht der Bediener im Wechsel und kann sich beim Stehen abstützen. Der Bediener in der manuellen Entladung muss deutlich mehr Zeitanteile in gebeugter oder stark gebeugter Stellung verbringen, zusätzlich hat er Zeitanteile mit den Armen auf oder über Schulter- bzw. sogar über Kopfhöhe. Des Weiteren kommen durch Rumpfrotation, laterale Verdrehung und weite Entfernungen Belastungspunkte hinzu, die zu einer fast 10-fachen Belastung nur aus den Körperstellungen und -haltungen führten.

Im Modul 2 wurden durch die Handhabung des Hakens bei der teilautomatischen Lösung Aktionskräfte in Arm und Ganzkörper beurteilt, die insgesamt zwar sehr häufig auftraten, aber vom Kraftniveau her eher im unteren Bereich anzusiedeln waren, sodass sich ein mittlerer Wert ergab. Für die manuelle Entladung entfielen diese Kräfte zugunsten der manuellen Handhabung von Lasten, die im Modul 3 bewertet wurden.

Im Modul 3 wurden aufgrund der Lastverteilung, der Körperhaltung und der hohen Häufigkeiten die enormen Belastungen klar erkenntlich, die schon ohne die ebenfalls schlechten Werte aus Modul 1 zu einer hohen Risikobewertung führten.

In der Addition der Module kam die teilautomatische Variante auf 35,5 Punkte, was einer mittleren Risikobewertung entspricht. Die manuelle Variante kam auf einen Wert von 126 Punkten, der sofort deutlich macht, warum an dieser Stelle bei allen Logistikunternehmen eine enorme Fluktuation bei den Beschäftigten beobachtet werden konnte, wenn rein manuell gearbeitet wurde.

Bei der Bewertung der Belastung der oberen Extremitäten in Modul 4 kommen beide Varianten aufgrund der dynamischen Aktionen, der Arm- und Schultergelenksstellungen und der hohen Zeitanteile auf ein mittleres Risikopotenzial.

In der Gesamtbetrachtung war die teilautomatische Variante aus ergonomischer Sicht die einzig empfehlenswerte Lösung, da in der manuellen Entladung schon nach 2 Stunden ein Wechsel notwendig wäre, um auf ein ähnliches Risikopotenzial zu kommen. Leider sind in entsprechenden Logistikzentren oftmals keine wenig belastenden Arbeitsplätze vorhanden, so dass die Risiken zu Lasten der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten gehen. Im Projekt wurden sowohl teilautomatische als auch manuelle Entladelinien realisiert, wobei die teilautomatischen Linien die Hauptbelastung aufgenommen haben. Auch in der Nacharbeit durch Validierung in der späteren Praxis ergab sich eine Bestätigung der ermittelten Werte zugunsten der teilautomatischen Lösung.

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