Die Überprüfung der Erträglichkeit ist der Hauptanwendungsbereich der ergonomischen Bewertung menschlicher Arbeit. Hierfür wurden in Wissenschaft und Praxis vielfältige Methoden entwickelt, die sich sowohl hinsichtlich der überprüften Risikofaktoren als auch in Bezug auf den Anwenderkreis unterscheiden. Es wird zwischen 4 Grundtypen von Untersuchungsmethoden unterschieden:

  1. Beobachtung,
  2. Befragung,
  3. physiologische und
  4. physikalisch-chemische Messmethoden.

Weiterhin wird differenziert zwischen

  • objektiven, d. h. von außen beurteilenden, und
  • subjektiven, also selbsteinschätzenden, Verfahren.

Zentrale Klassifizierungsdimensionen der Methoden sind insbesondere die Beurteilungstiefe, die Genauigkeit sowie die Anzahl berücksichtigter Merkmale. Betrachtet man das gesamte zur Verfügung stehende Methodeninventar, ergibt sich eine 3-stufige Einteilung der Verfahren:

Orientierende Verfahren sollen bei möglichst geringem Aufwand ausreichend genaue Ergebnisse liefern, um rasch die Belastungen der zu untersuchenden Tätigkeit abschätzen zu können. Sie sollten keine umfangreichen Fachkenntnisse erfordern und für möglichst viele Arbeitsplätze ohne Einschränkungen anwendbar sein. Weiterhin sollen Ursachen erhöhter Belastungen erkennbar werden.

Quantitative Verfahren kommen bei komplexeren Arbeitsabläufen, etwa mit unterschiedlichen Teiltätigkeiten, unklaren Einschätzungen bezüglich der Ausprägung einzelner Belastungsfaktoren oder speziellen Fragestellungen zum Einsatz. Für die Durchführung ist ergonomisch geschultes Personal erforderlich.

Verfahren der Stufe 3 sind komplexe Untersuchungen, welche wissenschaftliches Fachpersonal, sensible technische Ausstattung und umfassende Planung erfordern. Hierbei kommen Messungen von Herzfrequenz, Körpertemperatur und weiterer Körperwerte ebenso zum Einsatz wie arbeitspsychologische Verfahren.

Orientierende Methoden erlauben es zwar relativ schnell und ohne umfassendes Fachwissen, vorliegende Risikofaktoren zu ermitteln und zu beurteilen, stoßen aber bei komplexeren Tätigkeiten rasch an ihre Grenzen und sind zur Beurteilung vielschichtiger Belastungssituationen ungeeignet. Wissenschaftliche Untersuchungen hingegen liefern sehr detaillierte Ergebnisse, welche aber nur für die jeweils betrachteten (Labor-)Bedingungen und Personengruppen gültig sind. Zudem ist der Bedarf an Personal, Ausstattung und Zeit zu hoch, um viele Arbeitsplätze zu untersuchen. Auch sind störende Eingriffe in die Arbeitsabläufe kaum zu vermeiden. Aus diesen Gründen haben sich in der Praxis vor allem Verfahren der Stufe 1 und 2 durchgesetzt. Einem vertretbaren Zeitaufwand stehen hinreichend genaue Ergebnisse gegenüber, auf deren Basis Arbeitsplätze gestaltet und betriebliche Abläufe geplant werden können.

Von der Einzelbetrachtung zum Screening-Verfahren

In der Vergangenheit wurden überwiegend Methoden entwickelt, welche der Berechnung fester Grenzwerte, etwa für Aktionskräfte oder zu handhabende Lasten, dienten oder Dosisbetrachtungen beinhalteten, welche vor allem durch arbeitsmedizinisches Fachpersonal angewandt werden können. Aktuelle Verfahren hingegen ermöglichen eine Risikoabschätzung. Oft fokussieren Verfahren auf ausgewählte Belastungsfaktoren, etwa

  • das NIOSH-Verfahren auf manuelle Lastenhandhabung,
  • der montagespezifische Kraftatlas auf zulässige Aktionskräfte,
  • SAK (System zur Analyse von Körperhaltungen) oder
  • OWAS (Ovako Working Posture Analysing System) auf Körperhaltungen.

Andere Methoden, wie RULA (Rapid Upper Limb Assessment) oder OCRA (Occupational Risk Assessment), ermöglichen umfassendere Analysen.

Unter Nutzung der verschiedenen Verfahren entstanden Kombinationsverfahren, welche eine rasche Beurteilung zusammengesetzter Belastungssituationen erlauben. Diese als Screening-Verfahren bezeichneten Methoden wurden für den Einsatz in der industriellen Praxis entwickelt und benötigen eine vergleichsweise kurze Einstufungsdauer. Die Risikobewertung erfolgt anhand eines Drei-Zonen-Modells mit den 3 Ampelfarben grün, gelb und rot gemäß DIN EN 614-1. Die Verfahren sprechen dabei nicht nur Fachpersonal im Arbeitsschutz an, sondern vielmehr Fertigungsplaner und Konstrukteure, welche damit frühzeitig überprüfen können, ob ihre Gestaltungslösungen keine überhöhten Belastungen hervorrufen.

Das bekannteste Screening-Verfahren ist sicher die Leitmerkmalmethode zur Ermittlung der tatsächlich (objektiv) vorhandenen physischen Arbeitsbelastung, die in 3 verschiedenen Ausprägungen zwischen 2001 und 2007 entwickelt worden ist.

  1. Leitmerkmalmethode Halten, Heben und Tragen
  2. Leitmerkmalmethode Ziehen und Schieben
  3. Leitmerkmalmethode Manuelle Tätigkeiten

Die Verfahren ähneln sich und berücksichtigen körperliche Belastungen in Form von Körperhaltungen und -bewegungen, Aktionskräften, Lastenhandhabungen und zusätzliche Belastungen.

Ein weiteres Screening-Verfahren ist EAWS, das nachfolgend näher dargestellt wird.

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