Zusammenfassung

 
Überblick

Wenn Menschen plötzlich und unerwartet mit Gewalt und Aggressionen konfrontiert werden und sie durch Naturgewalten oder Personen eine Bedrohung von Leib und Leben erfahren, erleben sie extremen körperlichen und psychischen Stress. Oft werden solche traumatisierenden Erlebnisse gut verarbeitet, manchmal gelingt das nicht. Dieser Beitrag beschreibt, was extreme Belastungssituationen sind, wer davon betroffen sein kann, welche Folgen traumatisierende Ereignisse für Betroffene haben können und was man tun kann, um möglichen Folgeschäden vorzubeugen.

1 Was sind extreme Belastungssituationen?

Raubüberfälle, Geiselnahmen, Verkehrsunfälle mit Todesfolge, Naturkatastrophen, die unvermittelte Konfrontation mit Sterben und Tod, familiäre Gewalt, Missbrauch oder sonstige plötzliche verbale und tätliche Übergriffe aggressiver und gewaltbereiter Personen sind Ereignisse, die schockieren und eine besondere psychische Belastungssituation für einen Menschen darstellen.

Sie sind deshalb besonders belastend, weil sie jenseits normaler menschlicher Erfahrungen liegen und man sich nicht hätte vorstellen können, dass so etwas überhaupt möglich ist. Solche Extremerfahrungen können traumatisieren und das Lebensgefüge eines Menschen infrage stellen. Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und heißt Wunde, wobei die Verletzung nicht körperlicher Art sein muss. Auch die Seele kann verletzt und die Psyche dadurch krank werden.

Charakteristisch für traumatisierende Situationen ist, dass Betroffene dem Geschehen erst mal hilflos ausgeliefert sind und aus verschiedenen Gründen keinen oder nur geringen Einfluss auf den Verlauf haben. Die elementaren Bewältigungsmechanismen bei Stress: "Angreifen" oder "Flüchten" können nicht umgesetzt werden. Das eigene Sicherheitsempfinden und die persönliche Unversehrtheit für Leben, Leib und Psyche werden bedroht. Man erlebt (Todes-)Angst, Ohnmacht, Kontrollverlust und Demütigung. Dabei muss man traumatische Ereignisse nicht unbedingt selbst erleben: Es reicht für eine Traumatisierung aus zu beobachten, dass etwas (Lebens-)Bedrohliches passiert oder passiert ist. Der 11. September 2001 hat beispielsweise eine ganze Nation traumatisiert.

Nach der Internationalen statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) wird ein traumatisches Erlebnis definiert als "ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz- oder langanhaltend), die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde".

 
Wichtig

Traumatische Ereignisse sind

  • existenzielle Grenzerfahrungen für den Betroffenen,
  • die heftige Erregungszustände auslösen und
  • die Bewältigungskraft kurz- oder auch langfristig überfordern.

2 Wer ist von Traumatisierungen betroffen?

Prinzipiell kann eine Traumatisierung jeden treffen. Aber es gibt natürlich Berufsgruppen, die öfters Extremstress erleben, weil sie aus beruflichen Gründen mit Gewalt konfrontiert werden: Rettungssanitäter, Polizei- oder Feuerwehrkräfte müssen häufig hilflos mit ansehen, wie Menschen in brennenden Autos oder Häusern sterben, sehen verstümmelte Körper oder werden von den Mitmenschen bedroht, obwohl sie helfen wollen.

Aber auch Mitarbeiter in anderen Berufen sind immer häufiger verbaler oder tätlicher Gewalt und damit potenziell traumatischen Erlebnissen ausgesetzt: Beschäftigte im öffentlichen Dienst (zum Beispiel in Job Centern, Beschäftigte im ruhenden Verkehr, Migrationsamt), in Geldinstituten, in Arztpraxen, in Bussen und Bahnen, bei der Brief- und Paketzustellung – eigentlich immer dort, wo man in einer Dienstleistungsbranche mit anderen Menschen zu tun hat und wo es zu Konflikten kommen kann.

Darüber hinaus birgt jede private und berufliche Situation Potenzial für eine Traumatisierung.

 
Praxis-Beispiel

Extreme Belastungssituationen

  • Postmitarbeiterin ist nach einem Überfall für Stunden an die Heizung gefesselt.
  • Mitarbeiterin im Sozialamt erhält eine Morddrohung nach Kürzung des Wohngeldes.
  • Lokführer überfährt Suizidanten, der vor den Zug springt.
  • Mitarbeiter stürzt vor den Augen der Kollegen vom Gerüst und verstirbt.
  • Patient würgt eine Pflegekraft.
  • Kollege erleidet einen Herzinfarkt und verstirbt im Büro.
  • Taxifahrer fährt Kind tot, das unvermittelt auf die Straße springt.
  • Kunde wirft Tacker, Locher und sonstige Gegenstände auf die am Schalter stehende Mitarbeiterin.
  • Fahrkartenkontrolleur wird in der Straßenbahn beschimpft, bespuckt und schließlich geschlagen.

3 Epidemiologische Befunde

  • Die Mehrheit der Bevölkerung wird mindestens einmal in ihrem Leben mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert (60–89 %).
  • Das häufigste Trauma ist der plötzliche Tod nahe stehender Menschen (60 %).
  • Nur ein geringer Teil der Betroffenen entwickelt eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).[1]
  • Männer werden häufiger mit traumatischen Situationen konfrontiert als Frauen (61–92 % versus 51–87 %).
  • Frauen erleben häufiger Situationen mit besonders hoher traumatisierender Wirkung: Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung/Gewalt in Partnersch...

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