Die ASR A3.7 definiert seit 2018 erstmals in sehr konkreter Form Lärmgrenzwerte für Bereiche außerhalb klassischer "Lärmarbeitsplätze", also auch für Büroarbeitsplätze. Dafür müssen die Arbeitsplätze einer von 3 Tätigkeitskategorien zugeordnet werden, die dort mit Merkmalen und Beispielen beschrieben werden (Tab. 1):

 
Beurteilungspegel für unterschiedliche Tätigkeitskategorien Merkmale der Tätigkeit, z. B. Beispiele

Tätigkeitskategorie I

≤ 55 dB(A)
  • Hohe Konzentration
  • Schöpferisches Denken
  • Exaktes sprachliches Formulieren
  • Verstehen von komplexen Texten
  • Hoher Entscheidungsdruck
  • Problemlösung
  • Hohe Sprachverständlichkeit

Allgemein überwiegend geistige Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration verlangen:

  • wissenschaftliches und kreatives Arbeiten
  • Entwerfen, Übersetzen, Diktieren, Aufnehmen und Korrigieren von schwierigen Texten
  • Prüfungen im akademischen und schulischen Bereich
  • Entwickeln, Optimieren und Steuern von komplexen Computersystemen/Software
  • Treffen von Entscheidungen mit hoher Tragweite, ggf. unter Zeitdruck
  • Tätigkeiten im Call-Center

Tätigkeitskategorie II

55–70 dB(A)
  • Mittlere Konzentration
  • Ähnliche wiederkehrende Aufgaben bzw. Arbeitsinhalte
  • Entscheidungen geringerer Tragweite, i. d. R. ohne Zeitdruck
  • Leicht zu bearbeitende Aufgaben
  • Für Kommunikationszwecke erforderliche Sprachverständlichkeit

Allgemeine Bürotätigkeiten:

  • informations- und kommunikationsgeprägte Tätigkeiten, wie Disponieren, Daten erfassen, Texte verarbeiten
  • Sachbearbeitung im Büro
  • Tätigkeiten mit Publikumsverkehr

Tätigkeitskategorie III

0–80 dB(A), aber "soweit wie möglich reduzieren"
  • Geringe Konzentration
  • Hoher Routineanteil
  • Geringere Anforderung an die Sprachverständlichkeit

Vergleichbar industriellen und gewerblichen Tätigkeiten:

  • Versandarbeiten
  • Raumpflege- und Reinigungsarbeiten
  • Hol- und Bringdienste

Tab. 1: Beurteilungspegel für verschiedene Tätigkeiten nach ASR A3.7

 
Wichtig

Beurteilungspegel

Der Beurteilungspegel nach ASR A3.7 ist eine rechnerisch bestimmte Größe, die den messbaren äquivalenten Dauerschallpegel LpAeq mit Zuschlägen für impulshaltige und ton- und informationshaltige Geräusche versieht. Das berücksichtigt, dass solche Geräusche, also unregelmäßig veränderliche Geräusche, Piepen, Summen und Sprache bzw. Sprachfetzen, als besonders störend empfunden werden. Die Berechnung dazu ist in Abschn. 7.5 ASR A3.7 beschrieben.

Während der obere Grenzbeurteilungspegel von 70 dB(A) relativ hoch liegt und in vielen üblichen Bürokonstellationen i. d. R. eingehalten wird, ist der untere Wert von 55 dB(A) oft schwer zu erzielen bzw. zu halten. Da ein in Zimmerlautstärke sprechender Mensch Schalldruckpegel von über 60 dB(A) erreicht, ist der untere Grenzwert in Mehrpersonenbüros, in denen regelmäßig persönlich oder telefonisch kommuniziert wird, kaum einzuhalten. Dazu kommt, dass es hier einen selbstverstärkenden Effekt gibt: Wenn die Hintergrundgeräusche hoch sind, wird erheblich lauter gesprochen ("Lombard-Effekt"), denn für die Sprachverständlichkeit ist es erforderlich, dass die Pegeldifferenz gesprochener Sprache zu Hintergrundgeräuschen bei mindestens 10 dB(A) liegt.

Auch Straßenlärm führt oft dazu, dass in Arbeitsräumen die untere Grenze von 55 dB(A) nicht gehalten werden kann.

 
Praxis-Tipp

"Lombard-Effekt" nutzen

Wenn die Arbeitsumgebung leiser ist, sprechen die Nutzer automatisch ebenfalls leiser. Maßnahmen, die den Beurteilungspegel in Mehrpersonenbüros reduzieren, wirken also quasi doppelt – und tragen so erheblich zur Stressreduktion bei.

 
Achtung

Einstufung in Tätigkeitskategorien

Wer sich von Bürolärm gestört fühlt, gibt typischerweise an, sich nicht ausreichend auf die eigene Arbeit konzentrieren zu können. Oft werden dann Merkmale der Kategorie I geltend gemacht, wie hohe Konzentrationsleistung, hoher Entscheidungs- und Zeitdruck und hohe Sprachverständlichkeit. Wer die Beschreibungen und Beispiele insgesamt liest, muss aber zu dem Schluss kommen, dass die weitaus meisten Büroarbeitsplätze der Tätigkeitskategorie II zuzuordnen sind und damit der relativ hohe Beurteilungspegel von 70 dB(A) als tolerabel gilt.

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