(1) Im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite oder bei der Gefahr, dass eine solche eintreten wird, hat der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung unverzüglich zu aktualisieren. Sie muss entsprechend der jeweils aktuellen Erkenntnisse über das pandemische Virus und die epidemiologische Situation regelmäßig angepasst werden. Die danach erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen sind an die geänderten Prozesse im Sinne der Verhältnisprävention (Minimierung der Gefährdung, z.B. durch technische Lösungen) und der Verhaltensprävention (organisatorische Lösungen bzw. PSA) anzupassen.
Allgemeine Hinweise zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung sind der TRBA 400 "Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" zu entnehmen [10]. Die TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege" ist zu beachten [4]. Konkrete Hilfestellung zur Durchführung bieten auch die zuständigen Unfallversicherungsträger unter www.dguv.de [11] und für das Gesundheitswesen unter www.bgw-online.de [12].
(2) Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 4 BioStoffV durch den Arbeitgeber, sind zunächst alle zur Verfügung stehenden Informationen zu beschaffen und zu berücksichtigen. Beim Auftreten eines pandemischen Virus sind dies für die TRBA 255 insbesondere Informationen zu:
1. |
der Risikogruppe des pandemischen Virus nach BioStoffV, |
2. |
der Art der Übertragung, |
3. |
der epidemiologischen Situation, |
4. |
der Symptomatik der Erkrankung, zusätzlich sind auch Verdachtsfälle nach Abschnitt 2.1 bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen, insbesondere sind Eigenschaften wie z.B. Kontagiosität in der präsymptomatischen Phase und asymptomatische Verläufe zu berücksichtigen, |
5. |
den Risikokontakten, im Sinne von gefährdenden Kontakten nach den Regelungen des Arbeitsschutzes, |
6. |
soweit bekannt die Infektionsdosis und Virulenz des pandemischen Virus, |
7. |
der tätigkeitsbezogenen Expositionssituation, hierfür sind u.a. zu beachten:
a) |
Art sowie Höhe, Dauer und Häufigkeit der Freisetzung des pandemischen Virus, |
b) |
Art sowie Höhe, Dauer und Häufigkeit der Exposition gegenüber dem pandemischen Virus, |
c) |
Erhalt der Infektiosität des pandemischen Virus außerhalb des Wirtsorganismus oder der Infektionsquelle, |
d) |
Beständigkeit des pandemischen Virus gegenüber Desinfektionsmitteln, |
e) |
Möglichkeit der medikamentösen Prophylaxe (vgl. Abschnitt 6). |
|
(3) Neben den erregerbezogenen Informationen sind auch tätigkeitsbezogene Erkenntnisse zu ermitteln (z.B. zu kopfnahen oder aerosolgenerierenden Pflegetätigkeiten):
1. |
über bekannte Übertragungswege und die zu ergreifenden Gegenmaßnahmen, |
2. |
über die Erkennung von Mustern aus der anonymisierten Auswertung der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu erhöhten individuellen Gefährdungen, möglichen Schutzmaßnahmen und zu Verdachtsfällen für Berufskrankheiten und möglicher Wiedereingliederung nach Erkrankungen. |
(4) In pandemischen Situationen und beim Auftreten eines neuen pandemischen Virus, kommt den psychischen Belastungen eine besondere Bedeutung zu. Diese Belastungen sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Hinweise dazu können der DGUV-Information "Psychische Belastung und Beanspruchung von Beschäftigten im Gesundheitsdienst während der Coronavirus-Pandemie" sowie der TRBA 400 entnommen werden [13, 10].
(5) Die Gefährdungsbeurteilung ist nach § 4 Absatz 1 BioStoffV fachkundig durchzuführen. Anforderungen an die Fachkunde sind in der TRBA 200 "Anforderungen an die Fachkunde nach Biostoffverordnung" näher beschrieben [14].
(6) Auf Basis der in Absatz 3 und 4 genannten Informationen sind vom Arbeitgeber Tätigkeiten jeweils einer Schutzstufe zuzuordnen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen festzulegen, die zusätzlich zu den Schutzmaßnahmen der TRBA 250 zu ergreifen sind. Dazu zählt auch die Ermittlung der geeigneten persönlichen Schutzausrüstung (PSA).