Zusammenfassung

 
Überblick

Gefährdungsbeurteilungen sind das zentrale Instrument zur Steuerung und Verbesserung des betrieblichen Arbeitsschutzes; sie müssen auch arbeitsbedingte psychische Belastungen einschließen. Leider jedoch weisen viele Fachkräfte für Arbeitssicherheit ein deutliches Tätigkeits- und Wirksamkeitsdefizit im Bereich der psychischen Belastungen auf. Dies ist u. a. eine Frage der Rolleninterpretation. Dieser Beitrag geht von einem zeitgemäßen Rollenbild der Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Manager für Sicherheit und Gesundheit aus. Bei psychischen Belastungen erstreckt sich ihr Aufgabenspektrum v. a. auf die Arbeits- und Organisationspsychologie. Viele Fachkräfte für Arbeitssicherheit sind nach wie vor unsicher, wie psychische Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden können. Um diese Hemmschwelle abzubauen, sind eine sachliche Bestandsaufnahme und gezielte Weiterbildung notwendig. Zudem bieten sich als Einstieg orientierende Verfahren an.

1 Bestandsaufnahme

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet den Arbeitgeber zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Er soll diese selbst durchführen oder an seine Führungskräfte delegieren; er kann jedoch auch fachkundige Personen (Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt) damit beauftragten. Bereits seit dem Inkrafttreten des ArbSchG im Jahr 1996 gehören auch psychische Belastungen zur Gefährdungsbeurteilung. Der Bundestag hat am 27.6.2013 durch Änderungen des ArbSchG diese Anforderung noch einmal konkretisiert; diese Änderungen sind am 25.10.2013 in Kraft getreten.[1] Mit dieser Anpassung im ArbSchG, aber auch mit der DGUV Vorschrift 2 (vgl. Abschn. 4.1), ist die Gefährdungsbeurteilung von psychischen Belastungen klar im Arbeits- und Gesundheitsschutz verankert.

Fachkräfte für Arbeitssicherheit werden seit 2001 in ihrer Ausbildung mit Fragen der Prävention von psychischen Belastungen vertraut gemacht. Die neue Sifa-Ausbildung, welche seit 2019 umgesetzt wird, behandelt dieses Thema noch umfassender.

1.1 Aktuelle Erkenntnisse der Sifa-Langzeitstudie

Die Sifa-Langzeitstudie zeigt, dass Fachkräfte für Arbeitssicherheit – ebenso wie Betriebsärzte, Führungskräfte und Betriebsräte – ein deutliches Tätigkeits- und v. a. Wirksamkeitsdefizit im Bereich der psychischen Belastungen haben.[1] Der Anteil der Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die angeben, in diesem Bereich intensiv tätig zu sein, liegt mit max. 30 % deutlich unter den Anteilen anderer Gefährdungsfaktoren. Die Prävention von psychischen Belastungen wird zwar als offensichtlich zu erledigende Aufgabe erkannt, doch in vielen Unternehmen kümmert sich letztendlich niemand verantwortlich und intensiv darum.

Die beschriebene "Verantwortungsdiffusion" ist nach den Ergebnissen der Sifa-Langzeitstudie auf mehrere Faktoren zurückzuführen: Diese liegen sowohl in persönlichen Voraussetzungen als auch in betrieblichen Handlungsbedingungen. Auf der persönlichen Ebene sieht ein erheblicher Teil der Fachkräfte für Arbeitssicherheit für sich ein großes Kompetenzdefizit. Auch eigene Handlungsweisen und die eigene Rolleninterpretation haben erheblichen Einfluss, ob sich eine Fachkraft für Arbeitssicherheit wirksam mit psychischen Belastungen befassen kann (vgl. Abschn. 1.3). Auf der betrieblichen Ebene sind wesentliche Einflussfaktoren die betriebliche Kommunikation, die Sicherheits- und Gesundheitskultur des Unternehmens, die Haltung der Führungskräfte sowie der regelmäßige direkte Zugang zur Unternehmensleitung. Dieser beeinflusst die Tätigkeit und Wirksamkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit bei psychischen Belastungen in positiver Hinsicht.

 
Wichtig

Gezielte gemeinsame Weiterbildung

Um eine wirksame Beurteilung von psychischen Belastungen im Unternehmen zu erreichen, müssen Fachkräfte für Arbeitssicherheit ihre Kompetenz auf diesem Themengebiet stärken. Eine Möglichkeit ist der Besuch von Schwerpunktseminaren, die von Unfallversicherungsträgern, Verbänden und freien Weiterbildungsträgern angeboten werden. Zentrale Vorgaben wurden hierzu von der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) erarbeitet. Ein Thema sollte dabei sein, wie sich die Beurteilung der Arbeitsbedingungen im Hinblick auf psychische Belastungen im Unternehmen umsetzen lässt und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich daraus ableiten lassen.

Die Sifa-Langzeitstudie empfiehlt eine gemeinsame Weiterbildung aller Berufsgruppen, die sich im Unternehmen mit Sicherheit und Gesundheit beschäftigen. Um ihrer Rolle bei der Beurteilung von psychischen Belastungen gerecht werden zu können, brauchen Fachkräfte für Arbeitssicherheit betriebliche und überbetriebliche Kooperationsnetzwerke. Gezielte Weiterbildung trägt dazu bei, die Hemmschwelle im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit psychischen Belastungen zu senken.

[1] Für die folgende Darstellung vgl. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), Prävention wirksam gestalten – Erkenntnisse aus der Sifa-Langzeitstudie (= DGUV Report 3/2013), 2013, S. 18–20.

1.2 Psychische Belastungen im betrieblichen Kontext

Fachkräfte für Arbeitssicherheit sollten zur V...

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