Der Begriff Erkältung weist auf eine allgemeine Lebenserfahrung hin, nach der es einen Zusammenhang zwischen Gesundheit und (Außen-)Temperatur gibt. Aber diese Frage hat mehrere, ganz verschiedene Aspekte:

Kälte allein macht nicht krank

Nässe, Kälte, Zugluft – zahlreiche Studien der letzten Jahrzehnte haben immer wieder gezeigt, dass Menschen keineswegs nur deshalb oder in solchen Situationen signifikant öfter erkranken. Erkältungskrankheiten sind Infektionen, die durch Mikroorganismen, in der Mehrzahl durch Viren, ausgelöst werden und nicht durch Umgebungsbedingungen als solche.

Grundsätzlich ist es allerdings schon so, dass kalte Außentemperaturen dazu beitragen, dass sich Erreger in den Atemwegen besser festsetzen können:

  • Erstens kühlt kalte Außenluft die Atemwege lokal um einige Grad ab. Das begünstigt die Vermehrung von einigen Infektionserregern. Deswegen macht es z. B. Sinn, mit einer bestehenden Erkältung möglichst wenig im Freien körperlich aktiv zu sein.
  • Außerdem reduziert der Körper die Durchblutung von Schleimhäuten, wenn sie abkühlen, damit auf diesem Weg dem Körper nicht zu viel Wärme entzogen wird. So kann das Immunsystem dort nicht so effektiv arbeiten und eine Infektion sich leichter festsetzen.

Aber: Diese Wechselwirkungen bestehen in Bezug auf kalte Außentemperaturen im Winterhalbjahr und tragen dazu bei, dass viele Atemwegsinfektionen deutlich jahreszeitlich schwanken.

In Bezug auf die geringe Absenkung der Raumtemperatur in Innenräumen spielen diese Effekte keine Rolle. Physiologisch gibt es also keinen Grund, dass dadurch Menschen eher krank werden, zumal hohe Innenraumtemperaturen auch nachteilige Gesundheitseffekte haben (s. Abschn. 2.2 "Überheizung)".

 
Wichtig

Menschen mit Vorerkrankungen

Bestimmte Erkrankungen können zu einer besonderen Temperaturempfindlichkeit führen. Das betrifft z. B. rheumatische oder (seltene) neurologische Erkrankungen. Die hier diskutierte sehr geringe Absenkung der Raumtemperatur dürfte in diesem Zusammenhang aber allenfalls in seltenen Einzelfällen eine Rolle spielen. Denn auch für empfindliche Personen gilt, dass es sich um Schwankungen handelt, die im Alltag ohnehin unvermeidbar sind und dass angepasste Bekleidung gut geeignet ist, um das Wohlbefinden zu verbessern. Bei auftretenden Fragen kann der Betriebsarzt zur Beratung hinzugezogen werden.

Der bekannte Hinweis, dass herzempfindliche Personen bei Kälte vorsichtig sein sollten, bezieht sich auf große Temperaturdifferenzen an kalten Wintertagen, nicht auf geringe Schwankungen in temperierten Innenräumen.

Psychische Effekte

Die über lange Jahre etablierte Raumtemperatur von 20 °C bei sitzender Tätigkeit ist zwar, wie oben beschrieben, kein absoluter Wert. Es ist aber eine Marke, die genau unter dem Aspekt ermittelt wurde, dass die Mehrheit der Menschen mitteleuropäischer Prägung sich dabei wohlfühlen. Dementsprechend werden auch geringe Abweichungen durchaus wahrgenommen, erst recht von Menschen, die ggf. ein individuell noch höheres Wärmebedürfnis haben. Temperaturempfinden ist dabei eine sehr unmittelbare und mit emotionalen Bewertungen verbundene Wahrnehmung.

Daher besteht das Risiko, dass Menschen Raumtemperaturen, die niedriger sind als erwartet und erwünscht, schnell und nachdrücklich negativ bewerten und sich dadurch beeinträchtigt fühlen. Das gilt umso mehr, wenn Veränderungen generell leicht innere Unruhe und Besorgnis auslösen, erst recht, wenn sie, wie diese Veränderung, in einem viel diskutierten kritischen Kontext von finanziellen, versorgungstechnischen und sicherheitspolitischen Risiken stehen.

Auf diese Weise kann es dazu kommen, dass der Aufenthalt in Räumen mit niedrigerer Raumtemperatur von Menschen als unangenehm empfunden und mit innerer Ablehnung verbunden wird. Das bedeutet dann einen Stressfaktor, der tatsächlich dazu beitragen kann, dass das Immunsystem weniger aktiv ist – einen Zusammenhang, den man auch vermutet, wenn Menschen beschreiben, dass sie prompt nach dem Aufenthalt auf einem kalten, ungemütlichen Bahnsteig oder nach einem Nachhauseweg im Regen an einer Erkältung erkrankten.

Dazu ist nicht auszuschließen, dass Menschen mit solch einer kritischen Wahrnehmung niedriger Raumtemperaturen eine erhöhte Neigung zeigen, sich bei eingeschränktem Wohlbefinden als arbeitsunfähig einzuschätzen.

Vor diesem Hintergrund kommt es darauf an, durch eine konstruktive Kommunikation solchen negativen Empfindungen entgegenzuwirken und deutlich zu machen, dass an dieser Stelle die Chancen die Einschränkungen deutlich überwiegen (s. Abschn. 3).

 
Achtung

Vorsicht Schimmel

Das Absenken der Raumtemperatur in Innenräumen hat enge Grenzen. Räume, in denen sich Menschen über längere Strecken aktiv aufhalten, sollten nicht unter 18 °C warm sein. Andernfalls kondensiert die Feuchtigkeit, die Menschen bei körperlicher Aktivität abgeben, an Wänden und in Ecken und trocknet selbst bei regelmäßiger Lüftung nicht schnell genug ab. Auf diese Weise erhöht sich das Risiko von Schimmelbildung, was die Aufenthaltsqualität un...

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