Die zu untersuchenden Belastungsfaktoren sind in der Arbeitswissenschaft relativ unstrittig. Es gibt zwar sehr unterschiedliche Modelle und Theorien, z. B. das Belastungs-, Beanspruchungskonzept (Rohmert, Rutenfranz 1975), Ressourcenkonzepte, Salutogenese (Antonovsky 1979), Stresstheorien (Greif 1991, Lazarus 1991), Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek 1979), Humankriterien (Volpert 1990) sowie einige Konzepte und Erkenntnisse zu speziellen Themen, wie das Konzept der Gratifikationskrise (Siegrist 1996). Dennoch gibt es kaum Differenzen, wenn es um die Frage geht, wie Arbeit gestaltet sein sollte, um die Gesundheit nicht zu gefährden, sie idealerweise sogar zu stärken. Lediglich die Betrachtungsweise und die Benennung der relevanten Kriterien unterscheiden sich.

 
Praxis-Beispiel

Die Bedeutung persönlicher Spielräume für die Gesundheit

Volpert begründet die Notwendigkeit von Handlungs-, Entscheidungs- und Zeitspielräumen aus den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie: Menschen sind "von Natur aus" eigensinnig. Sie wollen eigene Wege gehen, eigene Ziele setzen. Andernfalls verkümmern ihre Fähigkeiten zu selbstverantwortlichem Handeln und leiden das Selbstbewusstsein (eine wichtige Gesundheitsressource), die Selbstachtung und die Identifikation mit der Arbeit.

In den Ressourcenkonzepten betrachtet man Spielräume als "externe Ressourcen", im Gegensatz zu "internen Ressourcen", also Kompetenzen, Selbstvertrauen und persönlichen Bewältigungsstrategien.

Im Anforderungs-Kontroll-Modell gehören die Spielräume zu den Voraussetzungen, die gestellten Anforderungen zu kontrollieren, also erfolgreich zu bewältigen.

Vorschlag für die Gliederung der Interviews analog des Ergebnisberichtes

  1. Die Arbeitsanforderungen

    • das Arbeitspensum
    • die fachlichen Anforderungen
    • die Qualität der Arbeitsaufgaben (Variabilität, Ganzheitlichkeit, Sinnhaftigkeit, Spielräume)
  2. Stellung im Unternehmen

    • Transparenz und Beteiligung
    • Sicherheit und Perspektive
  3. Zusammenarbeit und Führung

    • Arbeitsklima und Zusammenarbeit
    • Führung und Förderung
  4. Arbeitsmittel (Verfügbarkeit, Eignung)
  5. Informationen (Verfügbarkeit, Qualität)
  6. Emotionale Belastungen

3 Beispiele als kleine Ausschnitte aus Ergebnisberichten (jeweils aus den dritten Teilen der Berichte)

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1: Köche in einer Betriebskantine

Das Arbeitspensum:

Das Arbeitspensum ist unter normalen Umständen angemessen. Da das Essen um 12.45 Uhr auf jeden Fall fertig sein soll, kann es zu Drucksituationen kommen, wenn es zwischendurch Verzögerungen gab und es nun eng wird. Die Fähigkeit in solchen Drucksituationen gelassen zu bleiben, ist unter den Mitarbeitern sehr unterschiedlich gegeben. Die mangelnde Gelassenheit Einzelner führt dann zu emotionalen Ausbrüchen, welche eine Belastung für alle anderen Mitarbeiterinnen der Kantine darstellen.

Empfehlungen:

  1. Die Köchinnen sollten sich vormittags ausschließlich auf die Zubereitung der Mahlzeiten konzentrieren können und dies auch tun. Besprechungen, Vier-Augen-Gespräche sowie Aufräum- und Einräumarbeiten sollten ausschließlich nachmittags stattfinden.
  2. Ein Stressbewältigungs-Training (spezifisch, individuell) sollte die betreffenden Mitarbeiterinnen befähigen, in Drucksituationen gelassen zu bleiben.
 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2: Servicemitarbeiter eines IT-Unternehmens

Transparenz – Betriebliche Informationen:

Die Kenntnis der Strukturen und Zuständigkeiten im Unternehmen ist nur eingeschränkt gegeben. Aufgrund häufiger Veränderungen kennen die Beschäftigten häufig nicht Ihre Ansprechpartner für bestimmte Themen oder auch die aktuelle Bezeichnung von Organisationseinheiten.

Eine entsprechende Suchmaschine gibt es nicht mehr.

Empfehlung:

  1. Hier sollte eine Art Wissensmanagement implementiert werden.
 
Praxis-Beispiel

Beispiel 3: Sachbearbeiter in einer öffentlichen Verwaltung

Arbeitsmittel:

Die Ausstattung mit Büroutensilien ist einwandfrei.

Die hauptsächlich genutzte Software XY ist internetbasiert und extrem langsam. Die Antwortzeiten betragen oft mehrere Minuten. Das Programm ist für viele Aufgaben auch nicht wirklich geeignet, erfordert umständliche Umgehungslösungen. Ein Beispiel: Wird das Kindergeld erhöht, so gibt es keine Möglichkeit der automatischen Anpassung in allen relevanten Datensätzen. Stattdessen muss für jede betreffende Bedarfsgemeinschaft das Kindergeld einzeln verändert werden.

… (Aussagen zu weiteren Programmen)

Die angebotenen Schulungen bei der Einführung neuer Programme sind nicht immer zufriedenstellend. Bei Online-Kursen fehlen die Interaktivität und der verbindliche zeitliche Rahmen. Es soll so nebenbei gelernt werden. Oder Schulungen, wie bei XY, sind zu breit und allgemein angelegt, zu wenig auf die spezifischen Arbeitsanforderungen zugeschnitten. Einzelne Mitarbeiter/innen versuchen teilweise, diese Mängel auszugleichen, indem sie für sich und die Kollegen/Kolleginnen kompakte und aufgabenorientierte Anleitungen schreiben.

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