Fehlzeiten sind kein Lieblingsthema: Abwesende Mitarbeiter sorgen für Störungen im Betriebsablauf und häufig für Mehrarbeit durch Umverteilung. Statt in Ruhe der eigentlichen Arbeit nachgehen zu können, muss man sich um diese Störung kümmern. Außerdem müssen Produktionsausfälle gerechtfertigt werden. Das macht schlechte Laune.

2.1 Gründe für das Tabu – warum Führungskräfte das Thema meiden

Es kommt häufig vor, dass eine Führungskraft die Abwesenheit von Teammitgliedern persönlich nimmt: "Der ist nicht da, der behindert damit meine Zielerreichung, der mag mich nicht und daher mag ich den auch nicht." Diese unreflektierte Reaktion auf Fehlzeiten verschlechtert die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter mit jeder erneuten Fehlzeit. Wenn man jemanden nicht mag, geht man ihm nach Möglichkeit aus dem Weg. Damit bleibt das Thema in der Tabuzone: Man spricht nicht darüber.

Ein weiterer Grund: Krankheit wird als etwas Intimes angesehen. Gespräche darüber empfinden viele Führungskräfte als zu persönlich. Sie möchten nicht grenzübertretend wirken und gehen diesen Gesprächen daher aus dem Weg. Dabei haben sie allerdings nur eine von drei möglichen Ursachen von Fehlzeiten im Kopf: Die Krankheit. Diese sehen sie als unbeeinflussbar an, was z. B. an solchen Aussagen erkennbar wird: "Der hat sich das Bein gebrochen, das kann ich eh nicht ändern."

2.1.1 3 Ursachen für Fehlzeiten – Warum Führungskräfte oft nur eine kennen

Das Alltagsverständnis von Gesundheit lautet in vielen Fällen: "Wenn der Körper funktioniert, ist der Mensch gesund und dann ist er auch anwesend; wenn der Mensch abwesend ist, ist wohl sein Körper krank." Fehlzeiten müssen aber nicht krankheitsbedingt sein. Sie können auch sozial- bzw. kulturbedingt sein oder auch motivationsbedingt. Die letztgenannten Gründe für Fehlzeiten und auch psychische Erkrankungen als Ursachen haben Führungskräfte mit einem begrenzten Gesundheitsverständnis oft nicht vor Augen (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: 3 Ursachen für Fehlzeiten

Während Führungskräfte kaum Einfluss nehmen können auf körperliche Erkrankungen ihrer Teammitglieder, gibt es durchaus Möglichkeiten, im Hinblick auf Motivation und Kultur bzw. Miteinander im Team aktiv zu werden. Daher wäre der erweiterte Gesundheitsbegriff der WHO von 1948 eine sinnvolle Basis für eine aktive Herangehensweise ans Thema Fehlzeiten: "Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen."

 
Praxis-Tipp

Erweitertes Gesundheitsverständnis vermitteln

Empfehlenswert ist es, den Führungskräften das erweiterte Gesundheitsverständnis zu vermitteln, damit sie ihre Einflussmöglichkeiten im Bereich des psychischen und zwischenmenschlichen Wohlbefindens erkennen.

2.1.2 Teufelskreis "gestresste Führungskraft"

Abb. 5 gibt einen häufig beobachteten Ablauf wieder: Eine Führungskraft hat keine Zeit für Gespräche (das sagt sie zumindest), weil sie so im Stress ist aufgrund der hinterherhinkenden Produktion. Warum hinkt die Produktion hinterher? Weil die Fehlzeiten so hoch sind ... die Katze beißt sich in den Schwanz.

Abb. 5: Teufelskreis "gestresste Führungskraft"

Dieser Ablauf wirkt logisch. In Beratungsprozessen offenbart sich aber oft der wirkliche Hintergrund dieses Teufelskreises: In Wahrheit hat die Führungskraft Angst vor den Gesprächen … und kein Zutrauen, dass sie das Befinden oder Handeln der Mitarbeitenden beeinflussen könnte.

Hier kann man ansetzen. Während man nämlich an den Anforderungen der Führungskraft vermutlich nichts ändern kann, liegt es u. U. sehr wohl im eigenen Kompetenzbereich, sie für schwierige Gespräche zu stärken (und auch den Umgang mit den Belastungen zu verändern).

 
Praxis-Tipp

Fehlzeiten in der Zielvereinbarung

Wenn das Thema Fehlzeiten in die Zielvereinbarung aufgenommen werden soll, sollte man das Engagement der Führungskraft belohnen, aber nicht eine niedrigere Fehlzeiten-Quote.

2.1.3 Beispiel: Kontakt halten während der Erkrankung

Auch dieses Thema ist für viele Führungskräfte tabubehaftet: Es wird als zu privat empfunden, den Kontakt zum Erkrankten zu halten ("Dann fühlt der Mitarbeiter sich kontrolliert, also lasse ich es lieber sein"). Wenn aber die Einreichung und Verlängerung der Krankmeldung nur über die Personalabteilung erfolgt, entgehen der Führungskraft wertvolle Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung.

  • Hier kann sie zeigen, dass ihr das Wohlbefinden des Teammitglieds am Herzen liegt.
  • Sie kann zum Ausdruck bringen, dass sie sich kümmert.
  • Sie kann gute Besserung wünschen.

Sätze wie "Wir brauchen Sie hier, aber wir brauchen Sie fit – kurieren Sie sich erst mal in Ruhe aus" können die Bindung festigen, wenn sie ernst gemeint sind.

Abb. 6: Formulierungshilfen für Führungskräfte bei der Krankmeldung

Wie Führungskräfte die Krankmeldung bei sich persönlich und das Kontakt-Halten während der Erkrankung im Team einführen können? Dazu folgt hier einen Vorschlag, der auch an Führungskräfte weitergereicht werden kann:

 
Praxis-Tipp

Und wie geht das jetzt konkret: Die Krankmeldung regeln?

Beim nächsten Meeting verkünden Sie:

"Ich habe mir Folgendes gedacht (neulich im Kurs gelernt, und möchte Sie einladen, das mit mir auszuprobieren):

Fortan geben Sie bitte jedes Mal, wenn Sie krank sind, auc...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Arbeitsschutz Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge