Zusammenfassung

 
Begriff

Evakuierungsübungen (auch Räumungsübungen) tragen dazu bei, dass die Nutzer von Gebäuden oder Anlagen in der Lage sind, diese im Brandfall oder bei anderen Notlagen sicher und zügig zu verlassen. Wichtiges Ziel ist außerdem, dass die Evakuierung so strukturiert abläuft, dass nach Möglichkeit die Vollständigkeit eindeutig festgestellt und so die risikoreiche Suche nach vermissten Personen vermieden wird. Evakuierungsübungen sind, wenn sie im realen Betrieb ablaufen, mit einer unvermeidlichen Betriebsstörung verbunden und können auch zu Unfall- und Haftungsrisiken führen. Sie müssen daher sorgfältig geplant und sinnvoll durchgeführt werden.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Evakuierungsübungen werden für bestimmte Gebäude baurechtlich vorgeschrieben, wenn es aufgrund der Art des Gebäudes (z. B. Größe, bauliche Besonderheiten) oder Art der Nutzung erforderlich ist, z. B. bei Schulen, Verkaufs- und Versammlungsstätten, Pflegeeinrichtungen.

Außerdem verpflichtet § 4 Abs. 4 Arbeitsstättenverordnung den Arbeitgeber, Beschäftigte regelmäßig im Verhalten im Notfall zu unterweisen und zu trainieren. Abschn. 11 Abs. 2 ASR A2.3 verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf eine möglichst jährliche Begehung der Fluchtwege sowie auf durchzuführende Evakuierungsübungen bei Bestehen von Flucht- und Rettungsplänen.

Konkrete Vorgaben und Arbeitshilfen finden sich in DGUV-I 205-033 "Alarmierung und Evakuierung".

1 Evakuierung sinnvoll – ja oder nein?

Vor allen anderen Überlegungen ist zunächst zu klären, ob eine komplette Evakuierung des Gebäudes im Notfall überhaupt sinnvoll ist oder ob das Notfallkonzept des betreffenden Gebäudes/der Anlage ganz anders aussehen sollte. Diese Frage ist letztlich mit der zuständigen Feuerwehr abzustimmen, die genau Auskunft geben kann, was die Einsatzplanung für den betreffenden Fall vorsieht und in welchen Punkten die betriebliche Notfallorganisation hier gefordert ist. Solchen Überlegungen sollte immer zugrunde liegen, dass die strengen Bestimmungen des baulichen Brandschutzes ja gerade dazu da sind, dass im Fall eines Entstehungsbrandes keine unmittelbare Gefahr für alle Räume und Bereiche eines Gebäudes besteht.

1.1 Was spricht gegen eine Evakuierungsübung?

  • Ist die Zeit bis zum Eintreffen der Feuerwehr sehr kurz (z. B. weil das Gebäude günstig gelegen ist), trifft die Feuerwehr u. U. gerade dann ein, wenn die Evakuierung in vollem Gange und die Unruhe entsprechend groß ist. Es ist dann sehr schwierig, einen Lageüberblick zu gewinnen und zügig einen Löschangriff zu starten.
  • Wenn die Fluchtwege sehr kurz sind (z. B. einstöckige, kleine Einheiten) und die Situation auch sonst unkritisch (erwachsene, mobile, ortskundige Gebäudenutzer), ist die Evakuierung von nicht direkt vom Brand betroffenen Bereichen u. U. nicht sinnvoll. Gleiches gilt auch, wenn Gebäudeteile so vollständig voneinander abgeschottet sind, dass mit einem Brandübergriff nicht zu rechnen ist. In solchen Fällen würde eine komplette Evakuierung ebenfalls durch Unruhe und Verwirrung mehr schaden als nutzen.
  • In besonderen Fällen ist es gar nicht möglich, ein Gebäude mit den vorhandenen Kräften zu räumen (Pflegeheime, Krankenhäuser). Hier hat das Notfalltraining der Beschäftigten ganz anders anzusetzen.
  • Schließlich gibt es tatsächlich Situationen, in denen bei einer Evakuierungsübung unter realistischen Bedingungen die sich daraus ergebenden Betriebsstörungen nicht akzeptabel sind (z. B. besondere Versorgungs- oder Dienstpflichten wie in Verkehrsbetrieben, medizinischen Einrichtungen, Gerichten usw., oder in Anlagen mit empfindlichen Produktionsprozessen). In solchen Fällen kommen z. B. Teilevakuierungen, stille Begehungen der Fluchtwege oder "gestellte" Evakuierungsübungen mit Versuchspersonen außerhalb der Betriebszeiten infrage.
  • Der erhoffte Sicherheitszugewinn steht u. U. nicht in einem vernünftigen Maß zu den zu erwartenden Risiken.
 
Wichtig

Risiken von Evakuierungsübungen

Diese können z. B. darin bestehen, dass

  • Menschen beim Verlassen des Gebäudes zu Schaden kommen (gilt besonders für Menschen mit Behinderungen oder Ortsunkundige wie Kunden, Besucher usw.),
  • es bei einer größeren Zahl von Menschen zu Gefahren durch oder für den Straßenverkehr kommt, wenn der Sammelplatz unmittelbar am öffentlichen Verkehrsbereich liegt oder eine Straße auf dem Weg zum Sammelplatz überquert werden muss.

1.2 Was spricht für eine Evakuierungsübung?

  1. Der Unternehmer erfüllt auf diese Weise seine gesetzlichen Schutzpflichten, nach denen er alle erforderlichen Maßnahmen zur Sicherheit der Beschäftigten zu organisieren hat. Wenn eine Alarmeinrichtung für ein Evakuierungssignal im Gebäude vorhanden ist, muss den betroffenen Beschäftigten bzw. nach Möglichkeit allen Nutzern eines Gebäudes klar sein, um was für ein Signal es sich handelt und was zu tun ist. Abschn. 11 Abs. 2 ASR A2.3 fordert die Durchführung einer Evakuierungsübung schon bei Vorliegen eines Flucht- und Rettungsplans.
  2. Bauliche Gegebenheiten oder die Art der Nutzung können regelmäßige Evakuierungsübungen unbedingt erforderlich machen, z. B. Gebäude mit problematischen Fluchtwegen (große Ausdehnung, brennbare ...

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