Mit der 5. Änderung der ArbStättV vom 19.7.2010 hat der Verordnungsgeber eine Vorschrift zur Gefährdungsbeurteilung als § 3 neu in die ArbStättV eingefügt. Der ehemalige § 3 wurde leicht verändert zu § 3a. Das zentrale Motiv für die Regelung von Fragen der Gefährdungsbeurteilung in der ArbStättV war das Bemühen um Vereinheitlichung der verschiedenen Arbeitsschutzverordnungen. Da die meisten anderen Verordnungen Bestimmungen zur Gefährdungsbeurteilung ergänzend zu der grundlegenden Regelung in § 5 ArbSchG enthalten, sollte auch die ArbStättV um eine solche ergänzt werden. § 3 dient damit der Klarstellung. Eine Erweiterung der Pflichten des Arbeitgebers bewirkt er zunächst nicht. Mit der ArbStättV-Novelle 2016 sind allerdings wichtige Konkretisierungen dieser Pflichten eingefügt worden (s. u.).

§ 3 ArbStättV konkretisiert die grundlegenden Bestimmungen zur Gefährdungsbeurteilung in den §§ 5 und 6 ArbSchG im Hinblick auf die besonderen Belange des Arbeitsstättenrechts. Gleichzeitig wird damit im Arbeitsstättenrecht auf die fundamentale Bedeutung der Gefährdungsbeurteilung für eine effektive Durchführung des Arbeitsschutzes verwiesen.

Für zusätzliche Klarheit sorgt seit Juli 2017 eine eigene Technische Regel für Arbeitsstätten zur Gefährdungsbeurteilung (ASR V3). Darin wird eine detaillierte Anleitung zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung geliefert, die neben allgemeinen Grundsätzen die einzelnen Prozessschritte und insgesamt 11 zu beachtende Gefährdungsfaktoren eingehend erläutert.

Zu den Grundsätzen der Gefährdungsbeurteilung, die in Abschn. 4 ASR V3 hervorgehoben werden, gehört die dreifache Zweckbestimmung. Die Gefährdungsbeurteilung dient gemäß Abschn. 4 Abs. 1 ASR V3 nicht nur als Instrument zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen und zur Entscheidungsfindung, ob und welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes notwendig sind. Dazu kommt der Zweck der Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Arbeitsstätte. Betont wird damit das dynamische Konzept aus § 3 Abs. 1 Satz 3 ArbSchG, das sich nicht mit der Einhaltung von Vorgaben zufriedengibt, sondern immer auch weitere Verbesserungsmöglichkeiten anstrebt. Ein weiterer Punkt, der in Abschn. 4.2.1 ASR V3 besonders hervorgehoben wird, ist das Ansetzen der Gefährdungsbeurteilung bereits bei der Planung von Arbeitsstätten. Die generelle Regel aus § 3 Abs. 3 Satz 1 ArbStättV und Abschn. 4 Abs. 3 ASR V3 besagt, dass die Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeit durchzuführen und zu dokumentieren ist. Laut Abschn. 4.2.1 Abs. 2 ASR V3 sind hinsichtlich des Einrichtens einer Arbeitsstätte bereits im Planungsprozess von Neu- oder Umbauten die Nutzung der Arbeitsstätte und der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie die ergonomischen Anforderungen zu ermitteln und als Anforderung an die Arbeitsstätte festzuhalten. So wird zusätzlicher Aufwand durch Umbauten nach dem Einrichten z. B. auch im Hinblick auf eine barrierefreie Gestaltung vermieden.

In § 3 Abs. 1 ArbStättV wird die übliche Abfolge der Gefährdungsbeurteilung auf jene Gefährdungen angewendet, die beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten auftreten: Die Gefährdungen müssen ermittelt, beurteilt und entsprechende Maßnahmen zum Schutz vor diesen Gefährdungen festgelegt werden. Die gleiche Pflicht ergibt sich auch bereits aus §§ 5 Abs. 1 i. V. mit 5 Abs. 3 Nr. 1 ArbSchG. In Abschn. 5 ASR V3 wird diese Abfolge in insgesamt 8 Prozessschritte weiter aufgefächert. Dem Ermitteln der Gefährdungen ist eine Phase der Vorbereitung der Gefährdungsbeurteilung vorgeschaltet, in denen die Arbeitsstätte im Hinblick auf v.a. unterschiedliche Tätigkeiten, besondere Beschäftigte oder sonstige anwesende Personen systematisch erfasst wird. Das Ermitteln und Beurteilen der Gefährdungen wird durch Abschn. 5.2 und 5.3 ASR V3 sehr detailliert angeleitet, wobei die 11 Gefährdungsfaktoren aus dem Anhang ASR V3 als Leitfaden der Analyse dienen sollen.

In Abschn. 5.2.1 Abs. 3 ASR V3 werden beispielhaft 6 Methoden zur Ermittlung von Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten aufgeführt, die einzeln oder kombiniert angewendet werden können. Eine in der Praxis sehr relevante Methode davon ist die Begehung bzw. "Besichtigung der betrieblichen Gegebenheiten". Diese Methode ist wichtig, weil nur sie die Chance bietet, alle vor Ort relevanten Umstände in ihren Wechselwirkungen in den Blick zu bekommen und zudem den unmittelbaren Erfahrungsaustausch mit den vor Ort Beschäftigten zu intensivieren. Unersetzlich ist diese Methode jedoch nicht. Die Befragung von Beschäftigten ist in Abschn. 5.2.1 Abs. 3 ASR V3 ebenfalls als mögliche Methode genannt. Bei Telearbeitsplätzen kann eine Besichtigung zum Schutz der Privatsphäre Beschäftigter durch eine auf beiden Seiten gut vorbereitete Befragung, in der die kritischen Punkte der Tele- bzw. Bildschirmarbeit individuell zu thematisieren sind, ersetzt werden.

Hinsichtlich der zu treffenden Schutzmaßnahmen wird in den Abschn. 5.4 bis 5.6 ASR V3 zwischen den 3 Prozes...

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