Das Erlernen professionellen Bewältigungsverhaltens nimmt in vielen Berufen - und insbesondere in der Lehramtsaus- und fortbildung - keinen angemessenen Raum ein. So wird es Berufstätigen weitgehend selbst überlassen, wie sie Fragen und Anliegen bearbeiten oder lösen, die jenseits konkreter Fachfragen liegen. Gerade bei Lehrkräften erweist sich dabei eine spezifische Einstellung bzw. Haltung als hinderlich: Ungelöste und problematische Fragen werden häufig mit eigenem Scheitern assoziiert und Lehrkräfte verlangen sich ab, auf berufliche Fragen stets eigene Antworten und sofortige Lösungen parat haben zu müssen. Problematische und zunächst unlösbare Fragestellungen werden demnach kaum als Merkmale der Lehrertätigkeit angesehen. Da Lehrkräfte aber auch selten aktiv nach Settings suchen, in denen sie externe Unterstützung und Anleitung erhalten, gelingt vielen Lehrkräften die Professionalisierung des eigenen Bewältigungsverhaltens kaum in zufriedenstellender Weise. Infolgedessen verbringen viele Lehrpersonen einen Teil ihrer Freizeit mit Grübeln und Ärger über ihre Arbeit, mit Zweifeln und Ratlosigkeit.

Punktuell stattfindende Fortbildungsangebote nehmen wenig Einfluss auf den alltäglichen Umgang mit beruflichen Problemen und das Bewältigungsverhalten. Wesentlich geeigneter sind kontinuierliche Gesprächs- und Reflexionsangebote, die einen räumlichen und methodischen Rahmen für die Auseinandersetzung mit Problemen und Fragestellungen des Berufsalltags bieten. Solche Angebote werden unter der Bezeichnung "Supervision" zusammengefasst:

Supervision ist ein Weiterbildungs-, Beratungs- und Reflexionsverfahren für berufliche Zusammenhänge (Belardi, 2005). Ziel ist die Optimierung der beruflichen Beziehungsgestaltung, von Arbeitsergebnissen und organisationalen Strukturen bzw. Abläufen. Im Einzelnen werden das vertiefte Verstehen von Praxis (Reflexion), der differenzierte Erwerb neuer Kompetenzen (Wissen, Können, Haltung) und die Begleitung veränderter Praxis (Transfer) angestrebt.

In der Regel wird Supervision von ausgebildeten Personen angeboten, welche von den Lehrkräften - den Kunden oder Klienten - selbst ausgewählt werden, z. B. auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Supervision (www.dgsv.de). Der Vorteil von extern geleiteten Supervisionen ist, dass neue Blickrichtungen, Arbeitsweisen und Reflexionsmethoden kennengelernt werden können, die nicht Teil des berufstypischen Habitus sind.

Definition

Unter "sozialem Habitus" werden Gewohnheiten im Denken, Fühlen und Handeln verstanden, die Mitgliedern einer Gruppe gemeinsam sind.

Berufsrollen- und institutionsspezifische "blinde Flecken" geraten damit ins Blickfeld, hinderliche Verhaltensweisen und Handlungsstrategien werden der Veränderung zugänglich gemacht. Mit den veränderten Sichtweisen auf berufliche Problemlagen und dem Erkennen von Handlungsalternativen verringert sich das Belastungserleben und es entsteht Raum für kreatives Arbeiten.

Tipp: Supervision als Präventionsstrategie

Supervision kann auch berufsbegleitend eingesetzt werden, sie wirkt dann vor allem präventiv: Auch, wenn alles prima läuft, bietet Supervision die Möglichkeit, das eigene Bewältigungsverhalten zu prüfen, um ein Verhaltensrepertoire für kritische Situationen aufzubauen.

Supervision als kollegiale Ressource

Über das Setting der Einzelsupervision hinausgehend organisieren Kollegien immer häufiger schulinterne Gruppen- oder Teamsupervisionen. Mit der Teilnahme an Gruppensupervisionen öffnen sich Lehrkräfte gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen und verlassen damit ihre traditionelle "Einzelkämpferrolle". Gruppensupervision stärkt das Gemeinschaftsgefühl und macht Ansatzpunkte für Kooperationen transparent. Die Heterogenität eines Kollegiums oder eines schulischen Einzugsgebietes wird so produktiv nutzbar. Gruppensupervisionen werden häufig als Fallsupervision angeboten, d.h. die teilnehmenden Lehrpersonen bringen am Anfang des Treffens optionale Themen ein, man einigt sich auf eine Bearbeitungsreihenfolge und eine grobe Zeitplanung. Auf diese Weise ist ein breites Spektrum an Themen möglich, was die Supervisionen sehr abwechslungsreich macht: Umgang mit bestimmten Schülerinnen und Schülern, institutionsbezogene Themen, Teamarbeit innerhalb des Kollegiums etc. In der Gruppensupervision kann auch ein gemeinsames Thema über eine oder mehrere Sitzungen hinweg bearbeitet werden, z. B. der Umgang mit spezifischen Anforderungen und Belastungen.

Intervision als selbstmoderierte Supervision

Eine besondere Form der Supervision ist die Intervision, die meistens als kollegiale Fallberatung durchgeführt wird. Anhand eines Leitfadens wird die Beratungssequenz von den teilnehmenden Lehrkräften selbst moderiert. Vorteil dieser Form der Beratung ist die Ersparnis von Kosten für die Supervisorin bzw. den Supervisor und die zeitliche Flexibilität: Die Beratungsrunden können bei Bedarf auch spontan organisiert werden. Ohne eine externe Anleitung durch methodisch versierte Personen besteht jedoch die Gefahr, das...

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