Zusammenfassung

 
Überblick

Betriebliche Mitbestimmung im Arbeitsschutz – überwiegend nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG – kann umso ausgeprägter sein, je weniger der Arbeitgeber aus dem Gesetz zu konkreten Maßnahmen gezwungen ist. Gerade das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM), das aus modernen Unternehmen nicht mehr wegzudenken ist, bietet eine Vielzahl von Ansätzen, die sich einer gesetzlichen Konkretisierung entziehen und damit auch den Betriebsräten ein Handlungsfeld bieten. Der Beitrag stellt den Rahmen des BGM vor und erläutert, wo die Mitbestimmung ansetzen kann und wie sie in der Praxis zu handhaben ist.

1 Was ist eigentlich Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

BGM ist das "systematische und nachhaltige Bemühen um die gesundheitsförderliche Gestaltung von Strukturen und Prozessen und um die gesundheitsförderliche Befähigung der Beschäftigten".[1] Ziel des BGM ist es, gesundheitsgerechte Rahmenbedingungen an den Arbeitsplätzen zu schaffen und die Mitarbeiter dazu anzuregen, sich gesundheitsgerecht zu verhalten. BGM will also Arbeit "gesünder machen".

[1] Zukunftsfähige betriebliche Gesundheitspolitik. Vorschläge der Expertenkommission, Bertelsmann Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.), Gütersloh 2004, https://www.boeckler.de/pdf/fofoe_vorschl_expertenk_gesundheit.pdf

1.1 Umfang des BGM

Im BGM laufen alle gesundheitsbezogenen Aktivitäten zusammen, also Maßnahmen

  • zum Arbeitsschutz,
  • zum betrieblichen Eingliederungsmanagement sowie
  • zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

Das BGM kann in folgende Bereiche aufgegliedert werden:

  • Personalpflege (z. B. Betriebskantine, Angebote gemeinsamer körperlicher Bewegung),
  • Personal- und Organisationsentwicklung (z. B. Einführung von verbindlichen Strukturen und Prozessen zum BGM),
  • Unternehmenskultur (z. B. Überprüfung erlernten Verhaltens, Änderung destruktiver Verhaltensschleifen),
  • Gesundheitsförderung (z. B. Aging-Programme) und
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz im weitesten Sinne.

Ein großer Teil der im BGM zu organisierenden Maßnahmen ergibt sich oft direkt aus der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG bzw. § 3 ArbStättV (in Verbindung mit der ASR V3 "Gefährdungsbeurteilung"), deren Zielsetzung es u. a. ist, durch geeignete – v. a. präventive – Maßnahmen gesundheitliche Belastungen zu verhindern. Die Gefährdungsbeurteilung ist je nach Art der Tätigkeit durchzuführen, d. h. konzentriert auf typische Gefährdungen am Arbeitsplatz. Ein Augenmerk im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist auch auf Quellen psychischer Belastungen zu legen.

1.2 Abgrenzung zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF)

Die Begriffe BGM und BGF können nicht gleichgesetzt werden. Zwischen beiden bestehen große Unterschiede. Die BGF ist ein wichtiger Bestandteil des BGM, konzentriert sich allerdings eher auf Einzelmaßnahmen u. a. in den Bereichen Psyche, Physis oder Ernährung. Das BGM als solches geht darüber jedoch weit hinaus.

1.3 Ziele des BGM

Die Wirkungen sinnvoller Maßnahmen des BGM sind mittlerweile nachgewiesen, vor allem durch einen sinkenden Krankenstand und zufriedenere Mitarbeiter. Der letzte Aspekt ist unter dem Stichwort "Fachkräftemangel" nicht zu unterschätzen: Ein Unternehmen kann in Zeiten großer Nachfrage nach Personal Wettbewerbsvorteile durch solche Maßnahmen erzielen.

Durch eine aktive und nachhaltig verfolgte betriebliche Gesundheitspolitik werden das Wohlbefinden der Beschäftigten gefördert, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens erhöht, Leiden vermieden, Kosten – insbesondere im Bereich der Entgeltfortzahlung – gesenkt und die Belastungen der Sozialversicherungssysteme gemindert.

Zu den Zielen des BGM gehören:

  • Erhöhung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber,
  • Verbesserung des Betriebsergebnisses und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit,
  • Senkung der Fluktuation durch Steigerung der emotionalen Bindung an das Unternehmen,
  • Entfaltung der Ressourcen der Angestellten des Unternehmens,
  • Steigerung der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber,
  • Erhöhung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Belegschaft,
  • bessere Bewältigung von Herausforderungen des demografischen Wandels,
  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Gesundheit der Beschäftigten und
  • selbstverständlich auch die Einhaltung rechtlicher Vorschriften und Rahmenbedingungen.

1.4 Steuerliche Förderung

§ 3 Nr. 34 EStG fördert Maßnahmen der Gesundheitsprävention und bringt so Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bis zu einem Freibetrag von 600 EUR pro Jahr je Arbeitnehmer sind Leistungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Gesundheitsförderung zusätzlich zum Lohn steuerfrei. Hierunter fallen alle Leistungen, die im "Präventionsleitfaden der Spitzenverbände der Krankenkassen" genannt sind (z. B. Teilnahme an einer Rückenschule, Ernährungsberatung, Bewegungstraining, Programme zur Stressbewältigung, Suchtprävention, Rauchentwöhnung usw.).

Auch der Arbeitnehmer muss diese Leistungen nicht versteuern, es handelt sich nicht um einen "geldwerten Vorteil". Entscheidend ist dabei, dass die Leistungen nicht Teil des regulären Lohns sind.

1.5 Betriebsverfassungsrechtliche Aspekte des BGM

1.5.1 Grundsätzliches

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei gesundheitsfördernden Maßnahmen ergibt sich vor allem aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Hinzu kommen die Grundsätze, die aus der Rech...

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