Zusammenfassung

In der öffentlichen Diskussion dominieren die großen und mittelständischen Betriebe – auch bei Fragen der Arbeitssicherheit, des Gesundheitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung (nachfolgend kurz Arbeitsschutz genannt). Wenig betrachtet wird damit der überwiegende Teile der Unternehmen (ca. 94 % der Unternehmen haben weniger als 20 Beschäftigte) und ein großer Teil der Erwerbstätigen (fast ein Drittel der Beschäftigten arbeitet in Klein- und Kleinstbetrieben mit bis zu 20 Beschäftigten). Der Arbeitsschutz stellt für diese Klein- und Kleinstbetriebe, zu denen ca. 90 % der Handwerksbetriebe zählen, eine besondere Herausforderung dar.

Stichprobenuntersuchungen (z. B. der Staatlichen Arbeitsschutzverwaltung in NRW) und Einschätzungen von Experten lassen erkennen, dass viele Klein- und Kleinstbetriebe den Arbeitsschutz vernachlässigen. So haben z. B. mehr als ein Drittel dieser Betriebe keine Gefährdungsbeurteilung. Unterweisungen sind in über der Hälfte dieser Betriebe nicht dokumentiert, aktuelle Betriebsanweisungen sind max. in einem Drittel dieser Betriebe verfügbar und eine Organisation des Arbeitsschutzes (z. B. Pflichtenübertragung, Bestellung von Ersthelfern, Regelung der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen sowie die Planung sicherheitstechnischer Überprüfungen) ist vielfach nicht vorhanden. Zu kompliziert, zu aufwendig, bringt nichts, kostet nur – so der oft zu hörende Tenor.

Es geht auch anders: Das belegen Beispiele guter Praxis. Sie sind ein hervorragendes Werkzeug für die "Gewinnung" der Unternehmer. Ein wirksamer Arbeitsschutz ist in Klein- und Kleinstbetrieben und insbesondere in Handwerksbetrieben nicht möglich, ohne dass sie sich mit dem Arbeitsschutz auseinandersetzen und dessen Nutzen für den eigenen Betrieb erkennen.

1 Arbeitsschutz: Herausforderung für das Handwerk

1.1 Wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks

Das Handwerk hat als Wirtschaftsfaktor, Arbeitgeber und "Ausbilder der Nation" große Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft. Die rund 962.000 Handwerksbetriebe beschäftigen über 4,8 Mio. Erwerbstätige. Davon sind ca. 480.000 Auszubildende. Die Ausbildungsquote von rund 10 % ist weit überdurchschnittlich. In Deutschland sind damit 12,2 % aller Erwerbstätigen und 30,3 % aller Auszubildenden im Handwerk tätig. Darüber hinaus ist das Handwerk mit einem Umsatz von rund 490 Mrd. EUR (2007) ein sehr bedeutender Wirtschaftsfaktor.

1.2 Struktur des Handwerks

Das Handwerk ist der vielseitigste Wirtschaftsbereich Deutschlands. Laut Handwerksordnung zählen derzeit dazu:

  • 41 zulassungspflichtige Gewerbe, z. B. Augenoptiker, Dachdecker, Fleischer, Maurer und Betonbauer, Maler und Lackierer, Ofen- und Luftheizungsbauer sowie Zimmerer;
  • 53 zulassungsfreie Handwerke, z. B. Behälter- und Apparatebauer, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Schuhmacher, Raumausstatter und Uhrmacher;
  • 57 handwerksähnliche Gewerbe, z. B. Bestattungsgewerbe, Bodenleger, Fleischzerleger und Ausbeiner, Gerber, Klavierstimmer und Requisiteure.

Das Handwerk ist strukturell von vielen Klein- und Kleinstbetrieben geprägt: Im Durchschnitt arbeiten in einem Handwerksbetrieb fünf Beschäftigte. Nicht einmal 10 % der Handwerksbetriebe haben mehr als 20 Beschäftigte. Mehr als drei Viertel aller Handwerksbetriebe haben weniger als zehn und etwas mehr als die Hälfte aller Handwerksbetriebe hat weniger als fünf Beschäftige (siehe www.zdh.de). Ein weiteres, wesentliches Merkmal von Handwerksbetrieben ist der dominierende Einfluss des Unternehmers und seine damit verbundene starke Auslastung. Sie führt zu einem typischen Flaschenhals-Effekt, d. h., alle wichtigen Entscheidungen, Innovationen, Veränderungen, betriebliche Prozesse und Informationen gehen vom Handwerksunternehmer aus oder "laufen über ihn". Damit werden die Kapazität des Unternehmers zur Engpassstelle und seine aktuellen Interessensschwerpunkte zum Motor des Handwerksbetriebs.

1.3 Arbeitsschutz in Handwerksbetrieben

Selbstverständlich gilt auch für die Mitarbeiter von Handwerksbetrieben die Prämisse, dass jeder Beschäftigte jeden Tag wieder gesund zu Hause ankommen soll. Die im Arbeitsschutzgesetz skizzierten Ziele des betrieblichen Arbeitsschutzes sind unabhängig von der Art und Größe einer Organisation gültig. Gleiches trifft auch für die zahlreichen öffentlich-rechtlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz zu, auch wenn der Gesetzgeber und die Unfallversicherungsträger ihre Forderungen teilweise an die Betriebsgröße bzw. die Gefährdungssituation anpassen (z. B. Erfordernis eines Arbeitsschutzausschusses, Bestellung eines Sicherheitsbeauftragten).

Für einen Großteil der Handwerksbetriebe stellt eine wirksame und rechtskonforme Umsetzung des Arbeitsschutzes eine besondere Herausforderung dar. Die Gründe dafür sind:

  • In vielen Handwerksbetrieben ist das Gefährdungs- und Belastungspotenzial aufgrund des Tätigkeitsspektrums deutlich höher als in anderen Wirtschaftsbereichen.
  • Das Problembewusstsein ist in Handwerksbetrieben in der Regel unterdurchschnittlich. Die hohe Belastungssituation und die überdurchschnittlichen Unfallrisiken werden nur bedingt wahrgenommen, weil Unfälle in Klein- und Kleinstbetrieben trotzdem ein relativ seltene...

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