Interview Thermondo: „Sind von der Veränderung überzeugt“

Der Heizungsbauer Thermondo setzt voll auf die Wärmepumpe und baut keine Gas- oder Ölheizungen mehr ein. Was das für das Unternehmen bedeutet, wie die Führung die Mitarbeitenden bei dieser Veränderung begleitet und welchen Einfluss die nachhaltige Ausrichtung auf die Unternehmensführung hat, erklärt René Bretschneider, Chief People & Sustainability Officer bei Thermondo, im Interview.

Weniges hat so viel Erregungspotenzial wie die Wärmepumpe. Sie sind komplett auf Wärmepumpe umgestiegen. Was sehen Sie in dem Thema, das andere nicht sehen?

Das vergangene Jahr war für uns sehr spannend. Denn so viel Fokus auf Wärmepumpe und das Thema Heizen insgesamt hatten wir zuvor selten gesehen. Deutschland nimmt im europäischen Vergleich den drittletzten Platz bei der Marktdurchdringung von Wärmepumpen ein. Andere Länder sind uns bei der Energiewende beim Heizen weit voraus, weil sie vor Jahren begonnen haben, sich neu auszurichten. In Frankreich, in Italien gibt es viel mehr verbaute Wärmepumpen, von Dänemark gar nicht zu reden. Wir in Deutschland tun uns schwer mit dem Thema.

Thermondo ist vor zehn Jahren angetreten mit dem Ziel, Heizen so effizient wie möglich zu machen. Aber CO2-Reduzierung reicht nicht mehr, es geht jetzt um Klimaneutralität. Deswegen haben wir nach 40.000 Heizungen, die wir eingebaut haben, entschieden, dass wir unser Ziel neu bestimmen müssten. Anfang 2022 war unsere strategische Vision fertig. Wir wollen Wohnen klimaneutral machen. Damit war der Ausstieg aus dem Geschäft mit klassischen Heizungen der nächste logische Schritt.

Dennoch: Der Widerstand gegen Wärmepumpen scheint groß zu sein bei den Menschen.

Diesen Ausstieg langfristig zu planen und umzusetzen, hatte drei Gründe. Zum einen unsere Überzeugung, dass die Wärmepumpe langfristig das richtige Produkt für die Kund:innen ist. Eine Heizung ist ja kein Wegwerfprodukt, die hält eine Weile. Die Regulatorik in Europa und Deutschland entwickelt sich in die Richtung CO2-freier Heizungssysteme, durch den steigenden CO2-Preis sind fossile Heizungen eine Kostenfalle für Kund:innen. Zudem hat die Bundesregierung das Ziel von sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 formuliert. Und drittens gibt es einen internen Grund. Unser Purpose „Wir machen Wohnen klimaneutral“ darf keine bloße Hülle sein, sondern erfordert konsistentes und mutiges Handeln. Sonst ist der Purpose Makulatur.

Veränderung wird im eigenen Keller unmittelbar spürbar

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass wir Deutschen uns mit dem Thema so schwertun?

Darüber könnten wir stundenlang philosophieren. Andere Länder haben den Umstieg von fossilem Heizen auf klimaneutrales Heizen länger und strategischer geplant. Auch in Skandinavien ging die Wärmewende nicht von heute auf morgen vonstatten, sondern wurde langfristig begleitet von der Politik, mit Förderungen und dem Willen, die richtigen Hebel anzusetzen. Das war ein politischer Prozess, der vor Jahren begonnen hat, weshalb Dänemark zum Beispiel einen Vorsprung von 10 bis 15 Jahren hat. Dort werden Gasheizungen seit dem Jahr 2013 nicht mehr in Neubauten eingebaut.

Deutschland hat keine entsprechenden Anstrengungen unternommen und das Thema auch nicht breit diskutiert. Das jetzt in kürzester Zeit aufzuholen und diese Transformation so schnell und entschlossen voranzubringen, überfordert viele Menschen. Unser CEO Philipp Pausder meint dazu in seinen Vorträgen immer: „Die ganze Transformation hin zu Klimaneutralität ist mit dem Thema Heizung bei den Menschen persönlich angekommen.“ Es ist einfach etwas Anderes, darüber zu lesen, dass in der Nordsee Windparks errichtet werden, als im eigenen Haus die gewohnte Öl- oder Gasheizung gegen ein System auszutauschen, das relativ neu und unbekannt ist. Die sogenannte Wärmewende passiert im eigenen Keller und verändert in gewisser Weise das Leben der Menschen. Sie macht die ganze Veränderung unmittelbar spürbar.

Müssen Sie viel Überzeugungsarbeit leisten oder sind die Menschen, die auf sie zukommen, bereits überzeugt?

Beides. Natürlich ist eine Wärmepumpe ein viel komplexeres Produkt als eine klassische Heizung. Deswegen gibt es in der Beratung mehr zu beachten, es geht da auch um Abstandsregeln, um den Zustand der Gebäudehülle, die Größe der Heizkörper und so weiter. Das braucht ein bisschen mehr Beratung, gerade nach einem Jahr wie dem vergangenen. Eben weil wir die Argumente für die Wärmepumpe klarmachen müssen. Sie ergibt in ganz vielen Segmenten, insbesondere im Ein- und Zweifamilienhaus-Segment, Sinn. Im Großteil des heutigen Gebäudebestandes sogar ohne die größeren Umbaumaßnahmen, die immer wieder beschworen werden. Wenn man dann noch die längerfristige Perspektive einbezieht und nicht nur auf die Anschaffungskosten blickt, sondern auch auf die Betriebskosten, rechnet sich die Technik für die allermeisten. Aber das braucht mehr Begleitung, mehr Beratung als der Tausch des einen Heizkessels gegen einen anderen.

Was heißt dieser Turn, den Sie vorgenommen haben, für Ihre Mitarbeitenden? Verkäufer:innen werden zu Berater:innen, Heizungsbauer:innen müssen eine völlig neue Technologie verstehen. Wie nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden mit auf dem Weg?

Das war keine einfache Herausforderung. Wir haben festangestellte Fachhandwerker:innen, die meisten davon Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik-Anlagenmechaniker:innen (SHK). In deren Ausbildung kam die Wärmepumpe bislang zu kurz. Wir haben deswegen ein breites Schulungsprogramm aufgesetzt. Aber eben nicht nur im handwerklichen Bereich, sondern für alle Mitarbeitenden. Die Wärmepumpe braucht drei Gewerke: Fundamentbau, Elektronik und Heizungsbau. Diese Verzahnung bedarf umfangreicher Trainings und Schulungen. Wir haben unsere 500 Handwerker:innen sehr intensiv geschult. Parallel dazu haben wir in den Vertrieb investiert, denn unsere 100 Vertriebsmitarbeitenden in ganz Deutschland müssen nun sehr umfangreich Beratungsarbeit leisten. Außerdem haben wir Software eingeführt, mit der viele Prozesse digital ablaufen, was die Handwerker:innen entlastet, aber im Innendienst zu Schulungsbedarf geführt hat. Deshalb sind auch die Menschen in der Zentrale in die „Wärmepumpenschule“ gegangen.

Die gesamte Transformation hat 20 Monate gedauert, vom Einbau der ersten Wärmepumpe bis zum Abschied von fossilen Heizungen. Diesen Prozess in der kurzen Zeit zu schaffen, war, eine komplexe Aufgabe, deutlich schwieriger, als wenn wir völlig neu und gleich mit Wärmepumpen in den Markt gestartet wären.

Was haben die Mitarbeitenden denn zum neuen Purpose gesagt und zur neuen Strategie? Im Land gehen die Menschen auf die Straße gegen Wärmepumpen und ihr Unternehmen setzt voll auf diese Technologie…

Sicherlich gab es Unsicherheit. Dieselbe Unsicherheit, die auch bei den Kund:innen draußen herrschte. Der politische Streit um das Thema, die Berichterstattung in den Medien – das alles geht ja nicht spurlos an uns vorbei. Und diese Verunsicherung ist teilweise auch noch immer da im Markt. Die Förderung kommt nicht mehr von der BAFA, sondern von der KfW, viele fragen sich, wie lange sie auf Fördergelder warten müssen, ob die neuen Prozesse wirklich funktionieren. Das alles fragen sich viele Mitarbeitende auch. Es ist aber eigentlich immer so, in jedem Veränderungsprozess, dass die Verantwortlichen erst einmal Vertrauen aufbauen müssen in den neuen Weg. Bei Thermondo gilt: Wir sind von der Veränderung überzeugt und davon, dass wir einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag damit leisten. Und wir wollen zeigen, dass es geht. Wir haben mittlerweile 4.000 Wärmepumpen verbaut und dabei ganz viel gelernt. Thermondo ist Vorreiter, wir haben einen Wettbewerbsvorteil. Das gibt unseren Handwerker:innen Zuversicht, dass die Entscheidung richtig war. Auch dank der flankierenden Begleitung mit Schulungsangeboten und unseren Qualitätsstandards.

„Viele Menschen haben den Anspruch, aktiv zum Klimaschutz beizutragen“

Sehen Sie ihre Entscheidung mittel- bis langfristig auch als Wettbewerbsvorteil im Kampf um SHK-Fachkräfte?

Absolut. Grundsätzlich sehen wir, dass viele Menschen den Anspruch haben, bei einem Greentech-Unternehmen zu arbeiten und aktiv zum Klimaschutz beizutragen mit der eigenen Arbeit. Dank unserem Schritt sind wir jetzt sichtbarer als zuvor und haben mehr Glaubwürdigkeit. Unser Ziel der Kilimaneutralität macht uns und unser Produktportfolio in ganz vielen Berufsfeldern bekannt. Von den Anlagenmechaniker:innen über die Verwaltung bis hin zum Vertrieb. Das Handwerk scheint immer etwas pragmatischer als andere zu sein, aber auch hier gibt es viele Menschen, denen es sehr wichtig ist, Teil eines enkelfähigen Unternehmens zu sein. Wir erleben den Klimawandel ja jeden Tag, wenn es zu trocken ist, wenn es Sturzregen gibt, wenn die Wälder sterben wie etwa im Harz. Einen positiven Beitrag zu leisten, damit wir das stoppen können, ist vielen Menschen sehr wichtig.

Ihr Bekenntnis zur Klimaneutralität soll keine bloße Hülle sein, haben Sie gesagt. Jenseits von CO2: Was bedeutet nachhaltige Unternehmensführung für Thermondo?

Die Stärke des Mittelstands in Deutschland ist schon immer das auf langfristige Sicht ausgerichtete Wirtschaften. Er hat bloß nicht so viel darüber gesprochen. Zum Mittelstand hat auch schon immer gehört, Verantwortung zu übernehmen, vor allem regional, als Sponsor von Sport und Kultur. Eine Gesamtverantwortung zu übernehmen, im Rahmen der planetaren Grenzen und der Interessen der Gesellschaft zu wirtschaften, zum Wohl der Mitarbeitenden und der Kunden: Das liegt dem Mittelstand im Blut. Das ist nicht begrenzt auf ein Produkt, das man anbietet, sondern ein ganzheitlicher Ansatz. Es bedeutet, all die genannten Gruppen im Blick zu haben. Da geht es um ökologisch nachhaltiges Agieren, aber auch um sozial nachhaltiges Agieren, zum Beispiel darum, Verantwortung zu übernehmen in der Lieferkette.

In Bezug auf die Mitarbeitenden ist es wichtig, ihnen sichere Jobs anzubieten, ihre Entwicklung zu fördern, ihnen eine Perspektive zu geben. Wir haben Mitarbeitende aus über 50 Nationen und leisten einen Beitrag zur Integration. Das ist alles Teil dieser nachhaltigen Verantwortung. Nachhaltigkeit wird oft reduziert auf CO2, dabei geht es um viel mehr. Um die Frage, wann und wie unsere Fahrzeugflotte emissionsfrei wird genauso wie darum, wie wir eine inklusive Unternehmenskultur schaffen, die Diversität bewusst als Stärke versteht. Diese Aufgabe ist sehr herausfordernd und komplex, aber wir stellen uns ihr gern.