E-Rechnung: Chance und Herausforderung für Steuerkanzleien

Zum 1.1.2025 startet in Deutschland die E-Rechnung im B2B-Bereich. Den Steuerkanzleien kommt bei der Einführung eine Schlüsselrolle zu. Sie müssen sich selbst und ihre Mandanten auf die neue Verpflichtung vorbereiten. Angesichts der knappen Zeit ist ein systematisches Vorgehen entscheidend. Dabei müssen neben den technischen Voraussetzungen auch die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell beachtet werden.

Schlüsselrolle der Steuerkanzleien

Steuerkanzleien kann bei der Umsetzung der verpflichtenden elektronischen Rechnung (E-Rechnung) im Business-to-Business-Bereich (B2B) eine zentrale Rolle zukommen. Sie sind im Normalfall selbst von der Verpflichtung betroffen und müssen die Umsetzung in der eigenen Kanzlei bewerkstelligen. Gleichzeitig verfügen Steuerberater über umfassendes Wissen im Bereich Rechnungswesen, GoBD und Verfahrensdokumentation. Erfahrung in der Digitalisierung der Kanzlei und der Mandanten gibt es ebenfalls. Diese Expertise versetzt die Kanzleien in eine Schlüsselposition. Sie können maßgeblich zur Umstellung der Rechnungsprozesse in kleinen und mittelständischen Unternehmen beitragen. Die E-Rechnung kann so als Katalysator auf dem Weg zur Beraterkanzlei genutzt werden, um das Geschäftsfeld der Finanzbuchführung nachhaltig zu transformieren. Warum diese Veränderung unausweichlich ist, was die E-Rechnung damit zu tun hat und welche Chancen sich Steuerkanzleien eröffnen, wird nachfolgend beleuchtet.

Wachstumschancengesetz

Der Diskussionsentwurf des BMF zur verpflichtenden Einführung einer E-Rechnung im B2B-Bereich ist im August 2023 in den Regierungsentwurf zum Wachstumschancengesetz eingegangen. Nach dem der Bundestag das Gesetz verabschiedet hatte, rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an. In einer Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren hatte die Länderkammer über 50 Anmerkungen zur Überarbeitung des Entwurfes formuliert. Dies und die bekannten Herausforderungen im Haushalt der Regierung führten dazu, dass das Gesetz 2023 nicht mehr beschlossen wurde. Sah der erste Entwurf des BMF noch eine Verpflichtung zum für Versand und Empfang von E-Rechnungen ab dem 1.1.2025 vor, wurde beim Eingang in das Wachstumschancengesetz die Pflicht zum Versenden von E-Rechnungen aufgeweicht. Die Übergangsregelungen sowie das schleppende Gesetzgebungsverfahren ließen erste Unkenrufe aufkommen, dass sich vor 2026 niemand mit der E-Rechnung beschäftigen müsse.

Am 22.3.2024 war es dann aber so weit: Das Wachstumschancengesetz und mit ihm die Verpflichtung zur E-Rechnung im B2B-Bereich wurde im Bundesrat verabschiedet. Die Übergangsregelungen wurden dabei nicht mehr verändert. Somit muss jedes Unternehmen im B2B-Bereich ab dem 1.1.2025 in der Lage sein, E-Rechnungen zu erhalten und verarbeiten zu können. Ab diesem Zeitpunkt entfällt auch der Vorrang der Papierrechnung beim Versand und jedes Unternehmen kann im B2B-Bereich E-Rechnungen versenden. Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von mehr als 800.000 EUR sind ab dem 1.1.2027 zum Versand von E-Rechnungen verpflichtet. Ab dem 1.1.2028 müssen dann alle Unternehmen im B2B-Bereich E-Rechnungen versenden. Steuerfreie Lieferungen und Leistungen sowie Kleinbetragsrechnungen bis 250 EUR und Fahrausweise sind von der Pflicht ausgenommen.

Praxis-Tipp: Detaillierte Informationen zur E-Rechnung und den Übergangsregelungen finden Sie auch im Beitrag Wachstumschancengesetz: Verpflichtung zur elektronischen Rechnung.

Verpflichtung zum Empfang von E-Rechnungen ab 1.1.2025

Um zu verstehen, warum diese Verpflichtung bereits weitreichende Auswirkungen auf den Geschäftsalltag von Unternehmen haben kann, hilft es, sich die Definition einer E-Rechnung genauer anzusehen: "Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht." (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG i. d. F. des Wachstumschancengesetzes). Dieses neue Rechnungsformat ist in der europäischen Norm EN 16931 genau definiert. Ohne hier tiefer auf die Norm einzugehen, kann vorweggenommen werden, dass eine PDF-Rechnung nicht der Norm entspricht. Sie darf (weiterhin) nur mit Zustimmung des Empfängers versendet werden und ist als sog. „sonstige Rechnung“ ab dem 1.1.2028 nicht mehr umsatzsteuerrelevant. Eine PDF-Rechnung ist zwar digital, i. S. der Norm aber keine elektronische Rechnung. Wenn man das im Business-to-Governance-Bereich (B2G) bereits seit 2020 verpflichtende E-Rechnungsformat XRechnung betrachtet, wird dieser Unterschied deutlich. Hier erhält man eine XML-Datei: Einen Datensatz ohne visuellen Beleg. Sie ermöglicht die maschinelle Verarbeitung, wodurch manuelle Tätigkeiten überflüssig werden. Gleichzeitig kann sie aber nicht ohne weiteres von einem Menschen gelesen werden. D.h., dass Unternehmen ab dem 1.1.2025 als Rechnung anstatt eines visuellen Belegs in Papierform oder als PDF-Datei, eine XML-Datei von ihrem Dienstleister oder Zulieferer erhalten können – und das ohne Zustimmung. Unternehmen müssen dann in der Lage sein, diese Rechnung verarbeiten zu können.

Notwendige Prozessanpassungen

An dieser Stelle sind zuallererst die Softwareanbieter gefragt, die ihre Rechnungs- oder Buchhaltungssoftware mit diesen Funktionen ausstatten müssen und dies aktuell auch tun. Die großen Hersteller im Bereich Kanzleisoftware haben sich bereits auf die B2G-Verpflichtung zur E-Rechnung aus 2020 eingestellt. Die meisten gängigen Systeme sind in der Lage E-Rechnungen zu schreiben und zu verarbeiten. Arbeiten Kanzleien in der Rechnungsschreibung und im Dokumentenmanagement ohne spezielle Software, besteht jedoch Handlungsbedarf.

Praxis-Tipp: Unternehmen, die ihrerseits ohne spezielle Software zum Rechnungen schreiben am Status Quo festhalten wollen, kommen vielleicht auf die Idee, ihre Mitarbeiter im Auslesen von XML-Dateien zu schulen oder sich mit einen XML-Reader zu behelfen. Dies mag auf den ersten Blick nach einer cleveren Lösung aussehen. Jedoch funktionieren weitere typische Arbeitsschritte wie Rechnungsfreigabe mit Unterschrift auf einer Rechnungskopie oder Druck der Rechnung zur Vorbereitung des Buchhaltungsordner für den Steuerberater mit einer XML-Datei nicht mehr einfach so. Die XML-Datei kann nur schwerlich in einen Papierprozess integriert werden. Dadurch macht die Pflicht zum Empfang von E-Rechnungen im B2B-Bereich ab dem 1.1.2025 technische sowie prozessuale Anpassungen notwendig. Auch wenn die Übergangsfristen beim Versand von E-Rechnungen den Schein erwecken, dass KMU sich bis 2027/28 nicht damit beschäftigen müssen. Wer 2025 nicht auf einmal von einer XML-Rechnung überrascht und in Aktionismus verfallen will, sollte sich frühzeitig damit auseinandersetzen.

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Exkurs: ZUGFeRD 2.0

Neben der XRechnung ist in Deutschland aktuell das Format ZUGFeRD (Zentraler User Guide Forum elektronische Rechnung Deutschland) ab Version 2.0 aufwärts der EN-Norm entsprechend. Dies ist ein sog. hybrides Format, welches zusätzlich zur XML- eine PDF-Datei beinhaltet. Zu beachten ist hier, dass die XML-Datei die maßgebliche Rechnungsdatei ist. Dies ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass zwei unterschiedliche Formate bei einer Rechnung Möglichkeiten zum Betrug bieten: Im PDF-Dokument könnte ein höherer Rechnungsbetrag als im XML-Format ausgewiesen werden. Verlässt man sich auf den augenblicklich sichtbaren Betrag des PDFs, greift die Betrugsmasche zu. Inwieweit dies in der Praxis der Fall sein wird, wird der massenweise Einsatz des Rechnungsformats zeigen.

E-Rechnung als Katalysator

Wenn die E-Rechnung kommt, benötigen Unternehmen i. d. R. eine Software, um im ersten Schritt E-Rechnungen verarbeiten zu können. Idealerweise kann diese Software auch direkt E-Rechnungen erstellen. Zudem müssen Prozessschritte, wie Rechnungsfreigabe, Zahlung, Übermittlung an den Steuerberater etc., digitalisiert werden. Die E-Rechnung wird so unweigerlich zum Katalysator der digitalen Transformation im Rechnungswesen. Welche Auswirkungen hat dies auf das Geschäftsfeld der Finanzbuchführung von Steuerkanzleien? Immerhin erwirtschaften sie mit der Verarbeitung der Rechnungs- und Kontodaten, der Verbuchung mit anschließender Umsatzsteuer-Voranmeldung (USt-VA) beim Finanzamt einen Großteil ihres wiederkehrenden monatlichen Umsatzes.

Auswirkung auf das Geschäftsfeld Finanzbuchführung

Hier lohnt ein erneuter Blick auf die schon erwähnte Definition der E-Rechnung: Diese muss in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt werden und eine elektronische Verarbeitung ermöglichen. Mit einer Rechnung in Form einer XML-Datei erhält man einen Datensatz, der alle notwendigen Rechnungsinformationen enthält. Software muss diese Rechnungsinformationen ohne weiteres verarbeiten können. Dadurch werden ganze Arbeitsschritte, die bisher einen Großteil der Arbeit von klassischen Buchhaltern ausmachten, überflüssig: manuelles Erfassen von Rechnungsinformationen aus einer Papierrechnung in die Rechnungswesen-Software der Kanzlei. Ebenfalls wird das Einscannen von Papierrechnungen und das Auslesen der Belege via OCR-Erkennung (Optical Character Recognition) von teuren Scannern oder Software überflüssig. Die E-Rechnung enthält diese Informationen bereits in einer Form, die die Software verarbeiten können muss.

In Deutschland ist die E-Rechnung bereits im B2G- und jetzt auch im B2B-Bereich angekommen. In Italien gilt dies sogar schon für den Business-to-Customer-Bereich (B2C). Die Transformation des Rechnungswesens in B2B-Unternehmen, verstärkt durch die E-Rechnung, macht also vor den Kanzleien nicht halt. Es stellt sich dabei die Frage, ob Unternehmen bereit sein werden, die gängige pauschale Abrechnung der Dienstleistung "FiBu" zu gleichen Preisen zu tragen. Denkbar ist, dass sie den Wegfall der Arbeitsschritte auch im Preis sichtbar einfordern werden. Kanzleien, die den digitalen Datenaustausch dann nicht gut strukturiert organisiert haben, werden an oder über die Grenze der Rentabilität in der Buchführung kommen. Dies zeigt sich zum Teil bereits heute bei schlecht organisierten Papierbuchhaltungen.

Steuerberater als Digitalisierer

Steuerberater sollten ein besonderes Interesse an geordneten digitalen Prozessen haben, wollen sie nicht riskieren, dass in der Übergangszeit neben dem monatlichen Buchhaltungsordner noch diverse E-Mails mit XML-Dateien vom Mandanten versendet werden. Die Fehleranfälligkeit und damit Ineffizienzen, die sich Steuerkanzleien in der aktuellen Lage des Fachkräftemangels nicht leisten können, sind augenscheinlich. Sie sind auch nicht i. S. der E-Rechnung, die durch die Reduktion von manuellen Erfassungstätigkeiten in der Buchhaltung zu einer höheren Produktivität führen kann. Die Veränderungen, die durch die E-Rechnung verstärkt werden, sind in der Branche nicht neu. Teile der Steuerberaterzunft verstehen sich bereits als digitale Prozessoptimierer. Auch Fort- und Weiterbildungsangebote zu FAITs, Schnittstellenmanagern, Fibu- und Buchhaltronikern zeugen von einem veränderten Kompetenzprofil in der Buchhaltung.

Digitales Mandantenonboarding, Verfahrensdokumentationen, Digitalisierung der Bestandsmandate – Digitale Steuerkanzleien kennen die Software ihrer Mandanten und die dazugehörigen Prozesse. Sie legen Wert auf medienbruchfreien Datenaustausch vom Vorsystem des Mandanten direkt ins Hauptsystem in der Kanzlei. Sie beraten proaktiv zu digitalen Lösungen für Reisekosten, Fahrtenbuch und Kreditkartenabrechnungen.

Beratungen zur E-Rechnung werden bei Mandanten, die digitale Prozesse und entsprechende Software bereits etabliert haben, voraussichtlich gering ausfallen. Die Veränderungen werden sich in erster Linie auf Konfigurationen in der Software beziehen. Hier kann der Steuerberater eine aufklärende und koordinative Rolle einnehmen. Die oben beschriebenen Vorteile der erhöhten Produktivität durch die E-Rechnung werden bei den vollständig digitalen Beratern ebenfalls geringer ausfallen. Sie erhalten die Rechnungsinformationen bereits über Schnittstellen und Software. Die Transformation im Geschäftsfeld der Buchführung kann bei ihnen mithilfe der E-Rechnung, zumindest was den Datenerhalt angeht, weitergetrieben werden.

Mandanten im B2B-Bereich, die der Digitalisierung bisher eher abgeneigt gegenüberstanden, müssen durch die Pflicht zur E-Rechnung digitalisieren. Digitale Steuerberater können sich so den 100 % digitale Mandate im Bereich Finanzbuchführung weiter annähern, ohne ihre Papiermandanten "vor die Tür setzen" zu müssen.

Make or buy?

Die große Chance der E-Rechnung zu höherer Produktivität und zum Aufbau einer neuen Beratungsleistung bietet sich also in allererster Linie Steuerkanzleien, die in der Finanzbuchführung mit ihren Mandanten noch sehr papierlastig arbeiten – sie können den Abstand zu ihren digitalen Kollegen verringern. Die Überzeugungskraft zum Umstellen auf digitale Prozesse beim Mandanten, die schmerzhaften Fehler, die die "First Mover" und "Early Adopter"-Kanzleien beim Einstieg in ein damals noch unbekanntes Terrain gemacht haben, müssen die Nachzügler in dem Ausmaß nicht erleben. Die o. g. Weiterbildungsmöglichkeiten oder spezialisierte Digitalisierungsberater mit bestehenden Erfahrungen und Lösungen können für einen vergleichsweise schnellen und strukturierten Aufbau der Digitalisierungsdienstleistung genutzt werden.

Letztlich ist es eine strategische Entscheidung, wie Kanzleien das Geschäftsfeld Finanzbuchführung und die dortigen Mitarbeiter weiterentwickeln wollen, wenn die klassischen Tätigkeiten zurückgehen: Baut man die Kompetenzen zum Einstieg in die Prozess- und Digitalisierungsberatung selbst auf oder lagert man diese Aufgaben aus? Für das Outsourcing bieten sich mittlerweile neben den klassischen IT-Systempartnern auch eine Reihe neuer Dienstleister an – von Selbstständigen, kleinen Beratungshäusern bis hin zu spezialisierten Ausgründungen von digitalen Steuerkanzleien.

Kanzleien, die vor der Entscheidung "make or buy" stehen, müssen sich bewusst machen, dass Prozess- und IT-Kompetenzen zukünftig von entscheidender Bedeutung sind in einer Zeit in der Digitalisierung, Automatisierung und der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) immer wichtiger werden. Dabei geht es nicht nur darum, das Geschäftsfeld der Finanzbuchführung zu transformieren, sondern auch um die stetige Weiterentwicklung der eigenen Kanzlei.

Beratungsbedarfe erkennen

Die Mandantschaft einer Steuerkanzlei ist i. d. R. sehr heterogen. Zudem steht der Anzahl an Beratern eine überproportionale Anzahl an Unternehmensmandanten gegenüber. Um innerhalb der knappen Zeit bis zum Start der E-Rechnung möglichst viele B2B-Mandanten bedarfsgerecht beraten zu können, braucht es ein systematisches Vorgehen und eine standardisierte Beratungsleistung. Letztere ermöglicht eine effiziente Durchführung bei gleichbleibender Qualität. Zudem können so neue Mitarbeiter strukturiert eingearbeitet werden.

Um eine erste Idee eines Beratungsangebots zu erhalten, kann eine Kategorisierung der eigenen Mandanten helfen. Zwei Dimensionen sind dabei von wesentlicher Bedeutung: Digitalisierungsgrad und Komplexität des Rechnungswesens.

Beispiele:

  • Die Digitalisierungsberatung eines Selbstständigen oder Freiberuflers mit einer geringen Anzahl an Ein- und Ausgangsrechnungen, die bisher mit Word oder Excel erstellt werden, wird mit etwas Übung innerhalb von 5 Stunden vollständig durchgeführt sein.
  • Eine Agentur, die bereits digital arbeitet, also Software und digitale Prozesse implementiert hat, wird keine klassische Digitalisierungsberatung mehr benötigen. Hier kann eine Beratung zu den wichtigsten Fragestellungen rund um die E-Rechnung ausreichen. Wenn die Kanzlei die Daten aus den Vorsystem der Agentur noch nicht digital erhält, kann zusätzlich eine Schnittstellenberatung interessant sein.
  • Bei einem mittelständigen Handelsunternehmen mit zentralem Lager und Einkauf, das größtenteils mit Papier arbeitet, wird hingegen eine Beratung wesentlich aufwendiger sein. Die Aufgabe des Beraters kann hier eine IT fokussierte Prozess- und Projektmanagement-Leistung sowie die Koordinierung von IT-Dienstleister sein.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass je nach Digitalisierungsgrad und Komplexität der Rechnungsprozesse, eine andere Ausprägung und Tiefe der Digitalisierungsberatung notwendig ist:

  1. Geringer Digitalisierungsgrad, geringe Komplexität: Digitalisierungsberatung S(mall)
  2. Geringer Digitalisierungsgrad, hohe Komplexität: Digitalisierungsberatung L(arge)
  3. Hoher Digitalisierungsgrad, geringe Komplexität: Beratung E-Rechnung + ggf. Schnittstellenberatung
  4. Hoher Digitalisierungsgrad, hohe Komplexität: Beratung E-Rechnung + ggf. Schnittstellenberatung

Anknüpfung zur Verfahrensdokumentation

Wenn von Vorsystemen und digitalen Rechnungsprozessen gesprochen wird, darf ein Thema nicht fehlen: Die Verfahrensdokumentation. Die alleinstehende Vermarktung einer Dienstleistung zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation stellte sich bei viele Kanzleien als mühsame und zähe Aufgabe heraus. Zu schwierig, den alleinigen Nutzen darzustellen, wenn selbst Betriebsprüfer sie noch nicht flächendeckend einfordern. Im Zuge der E-Rechnung scheint das Momentum jedoch auf der Seite der Berater. Werden die Rechnungsprozesse im Unternehmen analysiert, Software implementiert und Mitarbeiter geschult, erhält man bereits einen Großteil der benötigten Informationen. Der Schritt zur vollständigen Verfahrensdokumentation ist dann nicht mehr weit. Sie wird so zur perfekten Abrundung des Beratungsangebots.

Einige Softwarehersteller haben bereits Mandantenportale zur Erstellung und Mitarbeit an der Verfahrensdokumentation entwickelt. Damit ließe sich ein „Do-it-yourself“-Service entwickeln. Unternehmen mit weniger komplexen Rechnungsprozessen könnten dann ihre Verfahrensdokumentation selbst erstellen. Der Berater steht als Unterstützer und Prüfer mit einem festgelegten Stundenkontigent zur Seite. Wenn erste Verfahrensdokumentationen seitens der Kanzlei bereits erstellt wurden, bietet sich nach der Digitalisierungs-, Schnittstellen- oder E-Rechnungsberatung die sog. Revision an. Die Dokumentation muss aufgrund der Prozess- oder Softwareveränderungen auf den neuesten Stand gebracht werden. Dies kann ebenfalls als ergänzende Dienstleistung angeboten werden.

Systematische Ansprache der Mandanten

Ähnlich wie bei der Verfahrensdokumentation, wird es schwierig sein, z. B. direkt zu Beginn eine "Digitalisierungsberatung L" mit 5 Beratertagen zu vermarkten. In manchen Fällen werden Argumentationen wie Return on investment, Zukunftsfähigkeit, niedrigere Kosten bei der Erstellung der Buchhaltung, etc. bei Unternehmensmandanten verhaften. Hinter 5 Beratertagen stehen aber enorme Kosten, die viele abschrecken werden. Vertriebsstarke Steuerberater werden es hier etwas leichter haben.

Viele Kanzleien sind aber nicht darin geübt und wollen auch nicht "verkaufen" müssen. Für sie eignet sich der Ansatz, das nächstmögliche Problem zu lösen und darüber die Tür zu öffnen. Was heißt das konkret? Mit der jetzt beschlossenen Verpflichtung zur E-Rechnung im B2B-Bereich werden sich einige Fragen bei Unternehmern auftun:

  • Bin ich von der E-Rechnungspflicht betroffen?
  • Was muss ich jetzt tun?
  • Wie gehe ich da vor?

Die Lösung dieser Fragen führt letztlich dazu, dass digitale Prozesse und Software zur Verarbeitung und Erstellung von E-Rechnungen benötigt werden. Daraus ergeben sich jedoch schon die nächsten Fragestellungen:

  • Welche Software benötige ich?
  • Wer kann sich darum kümmern?
  • Wie läuft das ab?

Die Antworten auf diese Fragen stecken in der Digitalisierungsberatung. D.h., dass z.B. eine Erstberatung zur E-Rechnung oder ein E-Rechnungs-Check dem Mandanten erste Fragen beantwortet. Der Berater seinerseits kann den Typ erkennen (1. Geringer Digitalisierungsgrad, geringe Komplexität, 2. Geringer Digitalisierungsgrad, hohe Komplexität etc.) und in die benötigte Beratung (Digitalisierung S oder L, Schnittstellen, Verfahrensdokumentation) überleiten. So wird einerseits die Einstiegshürde für den Unternehmer gesenkt, er erhält gleichzeitig ersten Nutzen und der Berater positioniert sich als Problemlöser und muss kein Verkäufer sein – eine Win-Win-Situation.

Erstberatung E-Rechnung

  • Grundlagenwissen vermitteln
  • Feststellen, ob Mandant von E-Rechnung betroffen ist
  • Weitere Schritte aufzeigen


Digitalisierungsberatung S

  • Ist-Stand erheben
  • Lösungen besprechen
  • Software implementieren
  • Prozesse anpassen
  • Mitarbeiter schulen


Digitalisierungsberatung L

  • Ist-Stand erheben
  • Lösungen recherchieren und besprechen
  • IT-Dienstleister koordinieren
  • Implementierung Software überprüfen
  • Prozesse anpassen
  • Schulung Mitarbeiter koordinieren


Schnittstellenberatung

  • Vorsysteme erheben
  • Schnittstellen recherchieren
  • Lösung besprechen und implementieren


"Do-it-yourself" Verfahrensdokumentation

  • Mandant Zugang zur Software geben
  • Fragen beantworten
  • Ergebnisse besprechen

Erstellung Verfahrensdokumentation

  • Dokumentation soweit möglich vorbereiten
  • Mit Mandant vervollständigen


Aktualisierung Verfahrensdokumentation

  • Änderungen dokumentieren
  • Verfahrensdokumentation revisionieren und Ergebnis zur Verfügung stellen


Die Chance zur Transformation

Verbindet man die dargestellten Bestandteile zu einem Ganzen, erhält man eine Übersicht möglicher Beratungsangebote: Der systematische Einstieg über eine Erstberatung zur E-Rechnung, die tiefergehende Digitalisierungsberatung in ihren verschiedenen Ausprägungen sowie die ergänzende Verfahrensdokumentation als Abschluss der Dienstleistung. Die jeweilige Kombination ermöglicht eine bedarfsgerechte Beratung verschiedener Unternehmertypen: Der analoge Selbstständige, der komplexe Mittelständler, die digitale Agentur. Für Kanzleien liegt in einer solchen Beratungsleistung eine riesige Chance. Durch die Anbindung der Vorsysteme der Mandanten erhalten sie digitale Daten, die manuelle Tätigkeiten wie das Erfassen von Rechnungs- und Bankdaten von Belegen stark reduzieren. Diese gewonnene Produktivität kann den Fachkräftemangel im Brot-und-Butter-Geschäft spürbar abfedern. Gleichzeitig werden Mitarbeiter qualifiziert, haben Entwicklungsmöglichkeiten in neue Tätigkeiten und können die Kanzleien durch den Aufbau einer neuen Beratungsleistung nachhaltig prägen. Wenn es zu Umsatzeinbußen aufgrund von niedrigeren Preisen in der Finanzbuchhaltung kommen sollte, können diese durch eine gewinnbringende Digitalisierungsberatung ausgeglichen werden. Der Zeitpunkt zur Transformation der eigenen Kanzlei im Bereich der Finanzbuchhaltung könnte aufgrund der E-Rechnung kaum günstiger sein.

Den eigenen Fahrplan entwickeln

Damit die Transformation gelingen kann, sollten Steuerkanzleien zuallererst prüfen, ob ihre eigenen Systeme zur Verarbeitung von E-Rechnungen und zum späteren Versand bereits in der Lage sind. Da dies nicht bei allen Kanzleien der Fall sein wird, ist mit einem erhöhten Anfragevolumen bei den Anbietern von Kanzleisoftware zu rechnen. Ob diese dann alle Anfragen und damit verbunden Softwareimplementierungen zeitnah durchführen können, ist fraglich. Daher sollten Kanzleien hier keine Zeit verstreichen lassen.

Im zweiten Schritt können die Mandanten in den Blick genommen werden. Hier ist es ratsam, die Verantwortlichkeiten zu bündeln, um Informationen und Entscheidungen zu zentralisieren und so zu beschleunigen. Je nach Größe der Kanzlei kann das eine einzelne Person oder ein kleines Team sein, die das Projekt vorantreiben. Neben einer ersten fachlichen Einarbeitung zur E-Rechnung sollte eine Prüfung des Mandantenstamms hinsichtlich des Kriteriums B2B und den oben dargestellten Dimensionen Digitalisierungsgrad und Komplexität des Rechnungswesens vorgenommen werden. Hierdurch kann man sich der Anzahl der betroffenen Mandanten und der Art des Beratungsbedarfs annähern. Das ist für die strategische Entscheidung "make or buy" wichtig: Kann die Steuerkanzlei die Beratung und Implementierung von Lösungen mit den vorhandenen Ressourcen selbst stemmen oder werden Kooperationspartner benötigt, um Teilbereiche abzudecken?

Wird der Weg der Kooperation gewählt, sollten auch hier zeitnah der Kontakt zu möglichen Partnern hergestellt werden. Ein guter Ansatzpunkt kann der kanzleieigene IT-Dienstleister sein, wenn dieser über die benötigten Kompetenzen und Kapazitäten verfügt. Spezialisierte Beratungshäuser und Selbstständige bieten sich ebenfalls an.

Wurden die grundlegenden Entscheidungen getroffen, sollte zügig ein Erstberatungsprozess zur E-Rechnung aufgesetzt und zumindest auf der Website nach außen hin kommuniziert werden. Dies stellt einen strukturierten Weg zur Annahme von Anfragen durch die verantwortlichen Berater sicher.

Praxis-Tipp: In diesem Zuge sollten auch die Kanzleimitarbeiter über die Erstberatung zur E-Rechnung und die internen Verantwortlichkeiten informiert werden. Dies minimiert die interne Kommunikation und kann Missverständnissen vorbeugen, sollten Sachbearbeiter zum Thema E-Rechnung von Mandanten angesprochen werden.

Anschließend kann mit der (Weiter-)Entwicklung einer Dienstleistung zur Digitalisierungsberatung begonnen werden. Dies ist stark vom identifizierten Beratungsbedarfs der Mandanten und dem Stand der Kanzlei abhängig. Werden schon Implementierungen von Softwarelösungen wie lexoffice oder DATEV Unternehmen Online mit Auftragswesen Next angeboten und durchgeführt, kann die verbleibende Zeit zum Ausbau des Wissens zu Themen wie z.B. Schnittstellen oder Verfahrensdokumentation genutzt werden.

Steht man dagegen noch ganz am Anfang, empfiehlt sich, mit Blick auf die Pflicht zum Empfang von E-Rechnungen zum 1.1.2025, ein Einstieg mit einfachen Cloud-Lösungen, die Funktionen zur Verarbeitung von E-Rechnungen anbieten. Wurden erste Erfahrungen in der Digitalisierung von Mandanten gesammelt und ein erster Beratungsstandard entwickelt, kann mit der aktiven Ansprache der Mandanten und damit dem eigenen Weg in die Transformation der Finanzbuchführung begonnen werden.

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Elektronische Rechnung, Rechnung