Leitsatz

1. Das Betriebs-Finanzamt der Mitunternehmerschaft hat über die Einstellung des Veräußerungsgewinns in eine sonderbilanzielle Rücklage nach § 6b EStG zu entscheiden, auch wenn ein Mitunternehmer seinen gesamten Mitunternehmeranteil veräußert hat.

2. Über die später wegen des Ablaufs der Reinvestitionsfrist erforderliche Auflösung einer solchen Rücklage ist nicht im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft, sondern im Einkommensteuerverfahren des früheren Mitunternehmers zu entscheiden.

3. Wenn die Rücklage nach § 6b EStG im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft erst aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen berücksichtigt wird, ermöglicht § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung für den Veranlagungszeitraum des Ablaufs der Reinvestitionsfrist die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids des früheren Mitunternehmers, um den Gewinn aus der Auflösung der Rücklage zu erfassen.

 

Normenkette

§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG, § 18 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 4, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit dem Jahr 2000 zu 95 % an einer gewerblichen KG beteiligt gewesen, die Eigentümerin eines bebauten Grundstücks war. Im Jahr 2006 veräußerte der Kläger seine Beteiligung und beantragte (im Gewinnfeststellungsverfahren der KG), den Veräußerungsgewinn, der vollständig auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude entfiel, in eine Rücklage nach § 6b EStG einzustellen. Das FA kam diesem Begehren erst im Einspruchsverfahren nach und änderte im Jahr 2017 den Gewinnfeststellungsbescheid 2006. Die ESt 2006 des Klägers wurde im Jahr 2018 mit Änderungsbescheid entsprechend herabgesetzt. Da der Kläger die Rücklage zwischenzeitlich nicht von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anderer Wirtschaftsgüter abgezogen hatte, wurde sie vom Wohnsitz‐FA im (hier streitigen) geänderten ESt-Bescheid 2010 gewinnerhöhend und unter Ansatz eines Gewinnzuschlags (§ 6b Abs. 7 EStG) aufgelöst. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 10.6.2021, 13 K 1825/19, Haufe-Index 15198239).

 

Entscheidung

Die Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der BFH hat das Urteil des FG bestätigt.

 

Hinweis

1. Für den Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils kann eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet werden (s. § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die Entscheidung über die Rücklagenbildung ist, auch wenn sie in diesem Fall nur für die Besteuerung des ausscheidenden Gesellschafters Bedeutung hat, gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft zu treffen, aus der der Gesellschafter ausgeschieden ist. Da die Rücklage nicht Bestandteil der Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft ist, bleibt bilanztechnisch nur die Möglichkeit, sie in eine Sonderbilanz des ausscheidenden Gesellschafters einzustellen. Die spätere Auflösung einer solchen Rücklage führt zu nachträglichen gewerblichen Einkünften des ehemaligen Gesellschafters (§ 24 Nr. 2 EStG).

2. Für die Übertragung stiller Reserven gilt die sog. gesellschafterbezogene Betrachtungsweise (Ausnahme: Gewinne, die durch Veräußerungen in den Jahren 1999 bis 2001 entstanden sind). Daher kann der Gesellschafter den ihm zuzurechnenden Veräußerungsgewinn nicht nur im veräußernden Betrieb, sondern auch von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern eines Einzelbetriebsvermögens des Gesellschafters, seines Sonderbetriebsvermögens in einer anderen Mitunternehmerschaft oder (bis zur Höhe seines ideellen Anteils) von Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einer anderen Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, abziehen.

3. Spätestens mit Ablauf der Reinvestitionsfrist (grds. vier Jahre) muss der Steuerpflichtige die Rücklage vollständig auflösen (§ 6b Abs. 3 Satz 5 EStG). Erfolgt die Auflösung ganz oder teilweise ohne Reinvestition, fällt ein Gewinnzuschlag von 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags an (§ 6b Abs. 7 EStG).

4. Die Besonderheit des vorliegenden Streitfalls lag nun darin, dass der Kläger an der Mitunternehmerschaft, in der der Veräußerungsgewinn entstanden und in eine sonderbilanzielle Rücklage nach § 6b EStG eingestellt worden war, im Zeitpunkt des Ablaufs der Reinvestitionsfrist nicht mehr beteiligt war. Folglich kam eine Auflösung der Rücklage im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft nicht in Betracht. Denn eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO setzt voraus, dass an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Beide Voraussetzungen sind im Fall des ausgeschiedenen (früheren) Gesellschafters nicht erfüllt. Dementsprechend sind auch nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung persönliche nachträgliche gewerbliche Einkünfte eines bereits in einem früheren Wirtschaftsjahr aus einer Mitunternehmerschaft ausgeschiedenen Steuerpflichtigen nicht mehr in das Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunter...

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