Leitsatz

Der Begünstigungszeitraum des § 35b Satz 1 EStG beginnt mit Entstehung der Erbschaftsteuer (§ 9 ErbStG), regelmäßig mit dem Tod des Erblassers.

 

Sachverhalt

Gesetzliche Regelungen

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen 4 Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird gem. § 35b Satz 1 EStG auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um den in § 35b Satz 2 EStG bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Der Prozentsatz bestimmt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 ErbStG und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG).

Sachverhalt: Zum Nachlass gehörten 2 Kommanditbeteiligungen

Der zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Kläger ist der Alleinerbe der im Jahr 2010 verstorbenen W, zu deren Nachlass unter anderem 2 Beteiligungen an Kommanditgesellschaften gehörten. Aufgrund einer nahezu 6 Jahre andauernden Erbenermittlung in einem mehrinstanzlichen Erbscheinverfahren sowie personeller Engpässe im Nachlassgericht wurde erst im März 2016 ein Erbschein ausgestellt, der den Kläger als Alleinerben auswies. Bis zur Erteilung des Erbscheins war der Kläger aufgrund der Bestellung eines Nachlass- und Verfahrenspflegers daran gehindert, über den Nachlass zu verfügen.

Im Erbschaftsteuerbescheid vom 17.11.2016, der am 22.5.2017 geändert worden ist, wurde Erbschaftsteuer festgesetzt. Die Erbschaftsteuer hatte der Kläger bereits Ende Dezember 2016 entrichtet.

Mit Wirkung zum 1.1.2017 veräußerte der Kläger die KG-Beteiligungen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2017 machten die Kläger hinsichtlich dieser Veräußerungen die Steuerermäßigung nach § 35b EStG geltend. Das Finanzamt (FA) gewährte die Ermäßigung nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Rechtsauffassung des FG

Nach Ansicht des FG setzt die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35b EStG voraus, dass bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden seien, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen 4 Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen hätten. Dies sei hier nicht der Fall, da zwischen dem Tod der W und der Veräußerung der KG-Beteiligungen rund 6 Jahre vergangen seien. Einkünfte hätten in dem Zeitpunkt der Erbschaftsteuer "unterlegen", in dem die Erbschaftsteuer rechtlich entstanden sei. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei dies hier der Todestag der W im Jahr 2010 gewesen. Auf den Zeitpunkt der Festsetzung der Erbschaftsteuer, der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über den Nachlass oder der Zahlung der Erbschaftsteuer komme es nicht an. Diese Auslegung entspreche dem Sinn und Zweck des § 35b Satz 1 EStG sowie dem gesetzgeberischen Willen. Da es mit der Zeit immer schwieriger werde, die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden stillen Reserven zu ermitteln, die bereits der Erbschaftsteuer unterlegen hätten, sei aus Gründen der Praktikabilität ein fünfjähriger Zeitraum relevant. Nicht entscheidend sei, aus welchen Gründen die Veräußerung außerhalb dieses Zeitraums stattgefunden habe. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht, da es keinen Verfassungssatz gebe, der eine Abstimmung der Steuern aufeinander verlange. Auch enthalte die Verfassung keine Höchstgrenze der steuerlichen Gesamtbelastung.

 

Entscheidung

BFH weist Revision der Kläger als unbegründet zurück

Der BFH hat entschieden, dass das FG zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Voraussetzungen für die beantragte Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer nach § 35b Satz 1 EStG nicht vorliegen würden. Es sei zudem verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass in Bezug auf die im Streitjahr veräußerten Beteiligungen die aufgrund des Erwerbs von Todes wegen entstandene Erbschaftsteuerbelastung bei der Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt bleibe.

Erbschaftsteuer unterlegene Einkünfte

Einkünfte haben in dem Zeitpunkt "der Erbschaftsteuer unterlegen", in dem die Erbschaftsteuer für den korrespondierenden Erwerb nach Maßgabe von § 38 AO i.V.m. § 9 ErbStGrechtlich entstanden ist (nachfolgend unter a). Während die Gesetzesfassung des § 35b EStG mit der Überschrift "Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer"mehrdeutig ist (nachfolgend unter b), spricht die Gesetzessystematik einschließlich der Notwendigkeit, die Berechnung der Ermäßigung auch tatsächlich durchführen zu können, für eine Anknüpfung an den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer (nachfolgend unter c). Weder aus dem Normzweck noch aus der Gesetzgebungsgeschichte ist etwas Gegenteiliges herzuleiten (nachfolgend unter d).

a. Nach § 38 AO entsteht der Steueranspruch als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklich...

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