Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Kommentar
Jahrelang hat die Gerichte die Frage bewegt, ob Krankheits- und Pflegekosten um eine zumutbare Belastung gemindert werden dürfen. Nachdem die Kürzung letztlich bestätigt worden ist, folgen nun die verfahrensrechtlichen Aufräumarbeiten: Die obersten Finanzbehörden der Länder weisen Einsprüche zur Thematik allgemein zurück.
Krankheits- und Pflegekosten
Krankheits- und Pflegekosten müssen nach § 33 Abs. 1 EStG um eine zumutbare Belastung gemindert werden, bevor sie sich steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen auswirken. Wie hoch dieser Eigenanteil des Steuerzahlers ausfällt, richtet sich nach dessen Einkommenshöhe, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder.
In den vergangenen Jahren waren immer wieder Musterverfahren zu der Frage geführt worden, ob Krankheits- und Pflegekosten aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Abzug einer zumutbaren Belastung ausgenommen werden müssen. Steuerbescheide waren deshalb vorläufig in dieser Frage ergangen. Der BFH hatte die Kürzung der Kosten immer wieder verteidigt (VI R 32/13, III R 62/13, VIII R 52/13, VI R 75/14), die dagegen erhobenen Verfassungsbeschwerden sind vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden (2 BvR 180/16, 2 BvR 221/17, 2 BvR 1936/17, 2 BvR 1205/17).
Zurückweisung von Einsprüchen und Anträgen
Damit werden am 7.4.2022 anhängige und zulässige Einsprüche gegen Festsetzungen der Einkommensteuer werden zurückgewiesen, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, der Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung verstoße gegen das Grundgesetz.
Entsprechendes gilt für am 7.4.2022 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung.
Vorläufigkeit ist entfallen
Nachdem beim BFH mittlerweile die letzten Revisionsverfahren zur Thematik beendet worden sind (Az. VI R 18/19, VI R 48/18) und die geltende Gesetzeslage damit bestätigt wurde, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 28.3.2022 erklärt, Steuerbescheide mit sofortiger Wirkung nicht mehr länger vorläufig zur Frage des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei Krankheits- und Pflegekosten zu erlassen. Bescheide bleiben in diesem Punkt also nicht länger verfahrensrechtlich "offen".
Einsprüche werden allgemein zurückgewiesen
Nun folgt der nächste Schritt - die noch offenen Einspruchsverfahren zur Thematik werden "abgewickelt": Mit Allgemeinverfügung vom 7.4.2022 haben die obersten Finanzbehörden der Länder erklärt, dass alle an diesem Tag noch anhängigen und zulässigen Einsprüche gegen den Abzug einer zumutbaren Belastung bei Krankheits- und Pflegekosten allgemein zurückgewiesen werden. Gleiches gilt für Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Einkommensteuerfestsetzung, die außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellt worden sind.
Hinweis: Eine Allgemeinverfügung wird von den Finanzbehörden genutzt, um anhängige Masseneinsprüche und Massenanträge zu Rechtsfragen zurückzuweisen, die zwischenzeitlich vom EuGH, BVerfG oder BFH entschieden worden sind. Betroffene Einspruchsführer können dagegen noch innerhalb eines Jahres vor dem zuständigen Finanzgericht klagen.
Zurückweisung der Einsprüche: Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 7.4.2022
Link zur Verwaltungsanweisung
Wegfall der Vorläufigkeit: BMF, Schreiben v. 28.3.2022, IV A 3 - S 0338/19/10006 :001