Rz. 44

Abs. 5 hat besondere Bedeutung bei der Feststellung verbleibender Verlustvorträge nach § 10d Abs. 4 EStG. Der Verlustabzug in einem späteren Jahr ist davon abhängig, dass der noch abzugsfähige Verlust auf den Schluss des vorangegangenen Jahrs gesondert festgestellt worden ist. Ohne eine solche Feststellung ist der Verlustabzug nicht zulässig. Ist die Verlustfeststellung in einem weit zurückliegenden Verlustjahr unterblieben und insoweit Feststellungsverjährung eingetreten, könnte es Abs. 5 ermöglichen, diese Verlustfeststellung, sowie darauf aufbauend die gesamte Kette der Verlustfeststellungen bis zum Verlustabzugsjahr, nachzuholen, ohne dass der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegensteht. "Von Bedeutung" ist eine solche unterbliebene Verlustfeststellung sowohl für die jeweils nächste Verlustfeststellung als auch für den u. U. für einen in einem wesentlich später liegenden Vz ergehenden ESt-Bescheid des Verlustabzugsjahrs. "Von Bedeutung" ist der Feststellungsbescheid daher nicht nur im Verhältnis zum jeweils nächsten Feststellungszeitpunkt, sondern schon dann, wenn er überhaupt, und sei es nach vielen Jahren, für den Verlustabzug Bedeutung hat.[1] Bei einer Verlustfeststellung würde § 181 Abs. 5 AO im Ergebnis also dazu führen, dass faktisch keine Feststellungsverjährung eintreten konnte. Dies würde allerdings nur solange gelten, als der geltend gemachte Verlust bei gesetzentsprechender Verrechnung nicht in Vorjahren ausgeglichen worden wäre.[2]

 

Rz. 45

Diese dem Wortlaut des § 181 Abs. 5 AO nach durch die Festsetzungsfrist nicht eingeschränkte Möglichkeit der erstmaligen Verlustfeststellung ist durch § 10d Abs. 4 S. 6 Halbs. 2 EStG eingeschränkt worden. Entsprechendes ist in § 35b Abs. 2 S. 4 Halbs. 2 GewStG geregelt.[3] Danach ist die Anwendung des § 181 Abs. 5 AO nur möglich, wenn die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags von der Finanzbehörde pflichtwidrig unterlassen worden ist. Es soll verhindert werden, dass der Stpfl. durch das pflichtwidrige Verhalten des FA einen Rechtsverlust durch Verjährung der Verlustvorträge erleidet. Bei pflichtgemäßem Verhalten des FA ist es dagegen Obliegenheit des Stpfl., das FA rechtzeitig zur Verlustfeststellung zu veranlassen. Tut er dies nicht, kann er einen Rechtsverlust durch Ablauf der Festsetzungsfrist erleiden.

 

Rz. 46

Nach dem Wortlaut des § 10d Abs. 4 S. 6 Halbs. 2 EStG, § 35b Abs. 2 S. 4 Halbs. 2 GewStG ist § 181 Abs. 5 AO nur anzuwenden, wenn die Finanzbehörde die "Feststellung" des Verlustvortrags unterlassen hat. Hieraus schließt die Rechtsprechung, dass dies nur für die erstmalige Feststellung gilt.[4] Ist eine Feststellung des Verlustvortrags erfolgt, aber eine spätere Änderung unterlassen worden, ist danach nicht die Feststellung, sondern nur die Änderung der Feststellung pflichtwidrig unterblieben. Das Gesetz erfasse daher nicht Aufhebung oder Änderung einer Verlustfeststellung. Der Wortlaut der Vorschriften sei insoweit eindeutig. Folge dieser Rechtsprechung ist, dass bei einer Änderung oder Aufhebung der Verlustfeststellung infolge der Anwendbarkeit des § 181 Abs. 5 AO im Ergebnis keine Feststellungsverjährung eintreten kann. M. E. ist die Rechtsprechung des BFH a. a. O. sehr eng. Es kann schon bezweifelt werden, dass die Vorschriften eindeutig so zu verstehen sind, wie der BFH a. a. O. es tut. Das Gesetz spricht nur von der "Feststellung" der Verlustvorträge, nicht von der "erstmaligen Feststellung". Eine Änderung der Verlustfeststellung ist aber ebenfalls eine "Feststellung" der Verlustvorträge. Sogar eine Aufhebung der Feststellung kann als "Feststellung" verstanden werden, da sie rechtlich die Wirkung einer Feststellung hat. Wenn durch die Einführung der §§ 10d Abs. 4 S. 6 Halbs. 2 EStG, 35b Abs. 2 S. 4 Halbs. 2 GewStG die zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzugs gesichert werden und damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit genügt werden soll,[5] ist nicht einzusehen, warum die "zeitnahe Entscheidung über den Verlustabzug" nur für die erstmalige Feststellung, nicht aber für Änderungen gesichert werden soll. Der Grundsatz der Rechtssicherheit wird in beiden Fällen in gleichem Maße durch eine zeitlich uneingeschränkte Änderungsbefugnis verletzt.

 

Rz. 47

Pflichtwidrig handelt die Finanzbehörde etwa, wenn sie keine Verlustfeststellung vornimmt, obwohl ihr die Verluste aus der Steuererklärung bekannt waren, oder wenn ein Außenprüfungsbericht nicht ausgewertet wurde.[6] Nicht pflichtwidrig handelt die Finanzbehörde, wenn der Stpfl. keine Erklärung zur gesonderten Feststellung der Verluste abgegeben hat und entweder auch keine ESt-Erklärung abgegeben wurde oder sich aus der ESt-Erklärung kein Anhaltspunkt für eine Verlustfeststellung ergab.[7] In diesen Fällen des pflichtgemäßen Handelns der Finanzbehörde ermöglicht § 181 Abs. 5 AO nicht die Durchbrechung der Feststellungsfrist, auch wenn Folgebescheide noch nicht verjährt sind. Zweck der Regelung ist zu verhindern, dass eine erstmalige Feststellung der Verluste noch viele Jahre bz...

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