Zusammenfassung
Während bislang infolge der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.4.2018 zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung insbesondere die Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts im Fokus stand, wird die Reform der Grundsteuer im Jahr 2022 auch in der Praxis für alle Grundstückseigentümer und ihre steuerlichen Berater erhebliche Bedeutung erlangen.
Insbesondere sind nach derzeitigem Stand ab dem 1.7.2022 für alle wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sowie Grundstücke) Erklärungen zur Feststellung der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 abzugeben.
1 Anlass der Grundsteuerreform
Das Bundesverfassungsgericht hat am 10.4.2018, 1 BvL 11/14 u. a. (BVerfG 148, 147) entschieden, dass die Vorschriften zur Einheitsbewertung jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar sind. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt durften die gleichheitswidrigen Regelungen über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden. Aufgrund der besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer ordnete das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus eine weitere Fortgeltung der beanstandeten Normen für 5 Jahre nach Verkündung der Neuregelung, längstens aber bis zum 31.12.2024, an. Diese abgestufte Fortgeltungsanordnung trägt der Tatsache Rechnung, dass es zur bundesweiten Neubewertung aller ca. 36 Mio. wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwands im Hinblick auf Zeit und Personal bedarf.
2 Neuregelung des Gesetzgebers bis Ende 2019
Der vorgenannten Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung des Grundsteuer- und Bewertungsrechts ist der Bundesgesetzgeber durch die Verabschiedung des Gesetzespakets zur Reform der Grundsteuer, bestehend aus
- dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 72, 105 und 125b) v. 15.11.2019 (BGBl 2019 I S. 1546),
- dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRefG) v. 26.11.2019 (BGBl 2019 I S. 1794) und
- dem Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung v. 30.11.2019 (BGBl 2019 I S. 1875),
fristgerecht nachgekommen. Hiermit hat der Bundesgesetzgeber die Voraussetzung geschaffen, dass die Grundsteuer als unverzichtbare und verlässliche Einnahmequelle für die Gemeinden auch über das Jahr 2019 hinaus erhalten bleibt. Die Länder erhielten die Möglichkeit, abweichende landesrechtliche Regelungen zu treffen (sog. Länderöffnungsklausel).
An dem dreistufigen grundsteuerlichen Besteuerungsverfahren wird auch im reformierten Grundsteuer- und Bewertungsrecht festgehalten.
- Grundsteuerwertverfahren: Feststellung des Grundsteuerwerts (Siebenter Abschnitt des Zweiten Teils des BewG)
- Steuermessbetragsverfahren: Grundsteuerwert x Steuermesszahl (gesetzlich bestimmter Promillesatz) = Steuermessbetrag (§ 13 ff. GrStG)
- Steuerfestsetzungsverfahren: Steuermessbetrag x Hebesatz (bestimmt von den Gemeinden) (Grundsteuerbetrag § 25 ff. GrStG)
Während die Feststellung des Grundsteuerwerts und die Festsetzung des Steuermessbetrages durch die Finanzämter erfolgt, obliegt die Festsetzung der Grundsteuer den Gemeinden.
3 Umsetzungsphase 2020 bis 2024
Fachliche Vorgaben
Zu Beginn der Umsetzungsphase wurden zunächst die fachlichen Vorgaben weiter konkretisiert.
Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 v. 21.12.2020 (BGBl 2020 I S. 3096), des Fondsstandortgesetzes v. 3.6.2021 (BGBl 2021 I S. 1498) sowie des Grundsteuerreform-Umsetzungsgesetzes v. 16.7.2021 (BGBl 2021 I S. 2931) wurden die grundsteuer- und bewertungsrechtlichen Vorschriften insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und der praxisgerechten Anwendung fortentwickelt.
Auf Grund der Ermächtigungsgrundlage in § 263 BewG hat das BMF mit Zustimmung des Bundesrats die Verordnung zur Neufassung der Anlagen 27 bis 33 des Bewertungsgesetzes v. 29.7.2021 (BGBl 2021 I S. 2290) und die Mietniveau-Einstufungsverordnung v. 18.8.2021 (BGBl 2021 I S. 3738) erlassen.
Zur Anwendung des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes zur Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer ab 1.1.2022 sind koordinierte Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 9.11.2021 ergangen (zum allgemeinen Teil und Grundvermögen: BStBl 2021 I S. 2334, und zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen: BStBl 2021 I S. 2369).
Des Weiteren wurden Vordrucke und Ausfüllanleitungen für die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts auf den 1.1.2022 erarbeitet und am 24. Dezember 2021 im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BStBl 2021 I S. 2391). Die im Bundessteuerblatt abgedruckten Vordrucke können jedoch nicht zur Erklärungsabgabe verwendet werden. Vordrucke, die für die Erklärung verwendet werden können, werden vom zuständigen Finanzamt zur Verfügung gestellt, wenn die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung der Feststellungserklärung durch Datenfernübertragung verzichte...