Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an (Nießbrauchs-) Vereinbarungen unter nahen Angehörigen
Leitsatz (NV)
Eine von den gesetzlichen (Nießbrauchs-)Bestimmungen abweichende Vereinbarung unter nahen Angehörigen zur Übernahme von Aufwendungen auf das Nießbrauchsgut ist der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde zu legen, wenn sie u.a. klar und eindeutig getroffen und tatsächlich durchgeführt worden ist.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nrn. 1-2, § 21 Abs. 1; BGB § 1041
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Aufwendungen für den Einbau neuer Fenster in einem Gebäude, an dem ihr ein Nießbrauch zusteht, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann.
Seit dem Tode des Ehemannes der Klägerin gehörte der Erbengemeinschaft, an der die Klägerin und ihre drei Kinder zu je 1/4 beteiligt waren, ein Mietwohngrundstück. Mit notariell beurkundetem Auseinandersetzungs- und Grundstücksübertragungsvertrag vom 15. Dezember 1973 (im folgenden: Auseinandersetzungsvertrag) ging das Mietwohngrundstück in das Eigentum des Sohnes der Klägerin über, der der Klägerin gleichzeitig ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Hausgrundstück einräumte. Der Auseinandersetzungsvertrag enthält keine ausdrückliche Vereinbarung zur Lastentragung zwischen Eigentümer und Nießbraucherin. Jedoch bestimmt § 11 des Vertrages, daß die Klägerin eine ihr an dem Grundstück bewilligte Briefgrundschuld über 15000 DM durch Abtretung valutieren darf, wenn sie Geldmittel u.a. ,,für laufende Hausreparaturen, die aus den Nießbrauchseinnahmen nicht finanziert werden können", benötigt. Ferner ist in § 13 Abs. 1 geregelt, daß bei der Ermittlung eines Ausgleichsbetrags, den der Sohn der Klägerin an seine Schwester nach dem Tode der Mutter zu zahlen hat, ,,alle außergewöhnlichen Aufwendungen und die wertverbessernden Aus- und Umbauten, die der Eigentümer - nicht der Nießbraucher - auf das bzw. an dem Hausgrundstück gemacht hat, vom Vekehrswert in Abzug zu bringen" sind.
Im Jahre 1984 (Streitjahr) wandte die Klägerin einen Betrag von . . . DM für die Erneuerung von Fenstern des Mietwohnhauses auf und machte diese in ihrer Einkommensteuererklärung als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nur einen Anteil von 1/4 der Aufwendungen als Werbungskosten an, da nur in diesem Umfang von einem Vorbehaltsnießbrauch der Klägerin auszugehen sei. Den weiteren Anteil von 3/4 ließ das FA dagegen mit der Begründung unberücksichtigt, von den Aufwendungen entfielen 3/4 auf den Zuwendungsnießbrauch und seien nicht abziehbar, da die Klägerin insoweit nach § 1041 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht zur Kostentragung verpflichtet sei.
Ebenso wie der Einspruch der Klägerin blieb auch ihre Klage erfolglos. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Klägerin sei weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet gewesen, die strittigen Aufwendungen zu tragen. Soweit die Klägerin geltend gemacht habe, sie sei aufgrund einer außerhalb des Auseinandersetzungsvertrags getroffenen Vereinbarung mit ihren Kindern verpflichtet gewesen, auch die über die gewöhnliche Unterhaltung des Hausgrundstücks hinausgehenden Aufwendungen zu tragen, fehle es wegen eines Widerspruchs dieser Vereinbarung zu dem Inhalt des Auseinandersetzungsvertrags an einer unter nahen Angehörigen zu fordernden klaren und eindeutig vereinbarten Regelung über die Kostentragung.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 2 Abs. 1 Nr.6, 2 Abs. 2 Nr.2 i.V.m. §§ 21 Abs. 1 und 6 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit der im Jahre 1985 nachträglich schriftlich fixierten, bereits im Zeitpunkt der Nießbrauchsbestellung zwischen der Klägerin und ihren Kindern getroffenen Vereinbarung sei eine von der gesetzlichen Bestimmung des § 1041 BGB abweichende Regelung getroffen worden; diese Vereinarung sei auch steuerrechtlich zu berücksichtigen, da sie nicht in Widerspruch zu dem Inhalt des Auseinandersetzungsvertrags stehe. Zum einen sei der Regelung in § 13 Abs. 1 des Auseinandersetzungsvertrags zwingend zu entnehmen, daß die Vertragsparteien der Klägerin auch die über die gewöhnliche Unterhaltung des Grundstücks hinausgehenden Aufwendungen - ohne Ausgleichszahlung - aufbürden wollten. Zum anderen ergebe sich aus der Bestimmung in § 11 des Auseinandersetzungsvertrags, daß mit der Formulierung ,,Hausreparaturen" nicht nur die laufenden Erhaltungsaufwendungen i.S. des § 1041 BGB, sondern auch darüber hinausgehende Reparaturen am Haus gemeint waren. Im übrigen seien über mehr als 10 Jahre die außerordentlichen Aufwendungen auch tatsächlich von der Klägerin getragen und bei dieser steuerrechtlich berücksichtigt worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Beurteilung des FG, die Klägerin sei weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet gewesen, die strittigen Aufwendungen zu tragen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach allgemeiner Auffassung kann der Nießbrauchsberechtigte, der den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht, grundsätzlich alle Aufwendungen als Werbungskosten geltend machen, die er nach dem Gesetz (z.B. §§ 1041, 1045, 1047 BGB) oder nach einer vertraglichen Regelung zu tragen hat; dies gilt sowohl für den Vorbehaltsnießbraucher (Senatsurteil vom 14. November 1989 IX R 110/85, BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462) wie auch für den Zuwendungsnießbraucher (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. April 1991 XI R 13/87, BFH/NV 1991, 740).
Eine von den gesetzlichen (Nießbrauchs-) Bestimmungen abweichende Vereinbarung zur Übernahme von Aufwendungen auf das Nießbrauchsgut bedarf auch dann keiner Form, wenn der Nießbrauch - wie im Streitfall - im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung notariell beurkundet worden ist; auch mündliche Nebenabreden können - auch bei Vertragsgestaltungen unter nahen Angehörigen - für den Inhalt der Nießbrauchsvereinbarung bedeutsam sein (Senatsurteil vom 10. Juli 1990 IX R 50/88, BFH/NV 1991, 157).
Allerdings sind Vereinbarungen unter nahen Angehörigen nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Besteuerung nur zugrunde zu legen, wenn sie u.a. dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist in der Regel nur dann erfüllt, wenn die betreffende Vereinbarung klar und eindeutig getroffen (Senatsurteil vom 10. August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137) und tatsächlich durchgeführt worden ist (BFH-Urteil vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250); andernfalls greift das Abzugsverbot des § 12 Nr.1 und 2 EStG ein.
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat das FG der von der Klägerin geltend gemachten, mit ihren Kindern getroffenen Vereinbarung über die - von der gesetzlichen Regelung des § 1041 BGB abweichende - Kostentragung die steuerrechtliche Anerkennung versagt. Es hat in der im Jahre 1985 nachträglich schriftlich fixierten Vereinbarung einen Widerspruch zu dem Inhalt des notariell beurkundeten Auseinandersetzungsvertrags gesehen; letzterer lasse nämlich keine vom Gesetz abweichende Vereinbarung zur Kostentragung erkennen, sondern setze vielmehr voraus, daß die Klägerin als Nießbraucherin die laufenden Hausreparaturen bezahlte und ihr Sohn als Eigentümer für alle außergewöhnlichen Aufwendungen und wertverbessernden Aus- und Umbauten aufzukommen habe.
Diese dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Würdigung (vgl. BFH-Urteil vom 6. Februar 1985 I R 80/81, BFHE 143, 426, BStBl II 1985, 420) ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie läßt weder eine Verletzung der gesetzlichen Auslegungsregeln noch einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der in § 13 Abs. 1 des Auseinandersetzungsvertrags getroffenen Regelung über eine Ausgleichszahlung zwischen dem Sohn der Klägerin und dessen Schwester nicht entnommen werden, daß die Vertragsparteien der Klägerin auch die über die gewöhnliche Unterhaltung des Grundstücks hinausgehenden Aufwendungen auferlegen wollten. Vielmehr ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß dieser Regelung über die Ausgleichszahlung zu entnehmen ist, daß die Vertragsparteien bei Abschluß des Auseinandersetzungsvertrags davon ausgegangen sind, daß der Sohn der Klägerin als Eigentümer für alle außergewöhnlichen Aufwendungen und wertverbessernden Aus- und Umbauten aufzukommen hatte; denn anderenfalls hätte es der Erwähnung dieser Aufwendungen bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags der erst nach dem Tode der Klägerin und damit nach der Beendigung des Nießbrauchs zu ermitteln war, nicht bedurft. Auch im Hinblick auf die in § 11 des Auseinandersetzungsvertrags getroffene Regelung hält die Auslegung des FG der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand; denn aus der Gegenüberstellung der Begriffe ,,laufende Hausreparaturen" in § 11 und ,,außergewöhnliche Aufwendungen und wertverbessernde Aus- und Umbauten" in § 13 Abs. 1 des Auseinandersetzungsvertrags läßt sich ohne Rechtsverstoß herleiten, daß die Parteien des Auseinandersetzungsvertrags davon ausgegangen sind, die Klägerin habe lediglich die zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache zählenden Kosten des Mietwohngrundstücks zu tragen. Soweit in dem Auseinandersetzungsvertrag keine eindeutigen, an den gesetzlichen Vorgaben orientierten Begriffe verwendet worden sind, geht dies zu Lasten der darlegungspflichtigen Klägerin.
3. Da zum einen das FG hiernach ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangen konnte, die von der Klägerin geltend gemachte, außerhalb des Auseinandersetzungsvertrags getroffene Vereinbarung sei steuerrechtlich nicht zu beachten, zum anderen die strittigen Aufwendungen - unstreitig - nicht zu den der Klägerin als Nießbraucherin nach § 1041 BGB obliegenden laufenden Unterhaltungskosten zählen und schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß die Klägerin die Aufwendungen im überwiegend eigenen Interesse getätigt hat (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 740), ist die Revision unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 64528 |
BFH/NV 1993, 594 |