Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Auffangpflichtversicherung. keine Anzeige durch den Versicherten. Übernahme der Kosten einer Krankenhausbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Annahme einer Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5.

 

Orientierungssatz

Die Anzeige der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 obliegt zwar den betroffenen Personen selbst (Umkehrschluss aus § 186 Abs 11 S 4 SGB 5), die Mitgliedschaft der Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall tritt jedoch kraft Gesetzes ein, also unabhängig von der Anzeige des Versicherten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.12.2017; Aktenzeichen B 1 KR 57/17 B)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.019,76 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 10. August 2010 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 2.019,76 €.

 

Tatbestand

Im Streit steht, ob die Beklagte die Kosten der Krankenhausbehandlung des mittlerweile verstorbenen P L (nachfolgend: “Patient„ = P) bezahlen muss, weil P als Versicherter der Beklagten anzusehen ist.

Der P war jedenfalls in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 31. Dezember 2006 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten.

Die Klägerin betreibt das Bkrankenhaus in B. Dort wurde am 18. September 2008 der P über die Ambulanz als unabweisbarer Notfall aufgenommen.

P war Jahrgang 1945 und gab bei der Aufnahme ausweislich der Patientenakte an, Krankenkasse sei das “BZA Reinickendorf„. In der Behandlungsdokumentation des Bundeswehrkrankenhauses ist in der Pflegeanamnese unter soziale Situation/häusliche Versorgung vermerkt: “Seit 23 geschieden, lebt in Geschäft, [keine] Wohnung, 4 Kinder - seit 23 [kein] Kontakt„. Im “Bericht zur Notfallbehandlung 208042851„ vom 18. September 2009 ist als Kostenträger eingetragen: “BZA Reinickendorf„. Das Feld “Mitglieds-Nummer„ ist leer gelassen. Das Feld “Versicherungsart KVK„ enthält den Eintrag “1000„. Der Entlassungsbericht ist an den P selbst adressiert “mit der Bitte um Weiterleitung an den behandelnden Hausarzt!„. Das “AHB-Erfassungsblatt„ enthält ebenfalls in der Spalte Kostenträger eine Lücke. Unter “Name der Krankenkasse„ ist eingetragen “BA Reinickendorf von Berlin„ unter “Versicherungsnummer Krankenkasse„ ist vermerkt “Krankenkassennummer 1395803. Dort noch einmal nachfragen„.

In einer “Epikrise„ der C -- vom 7. November 2008 heißt es, bereits im September sei es zu einer Episode von Vorhofflimmern gekommen und dem P eine weitere invasive Koronardiagnostik angeraten worden. Diesem Rat sei P aufgrund einer fehlenden Krankenversicherung nicht gefolgt.

Das Bundeswehrkrankenhaus stellte unter dem Datum 19. September 2008 einen Kostenübernahmeantrag an das Bezirksamt Reinickendorf von Berlin. Ausweislich eines Telefonvermerks wurde der Vorgang von dort an das Bezirksamt Mitte gesandt. Das Bundeswehrkrankenhaus schickte dann unter dem 2. März 2009 einen Kostenübernahmeantrag und Entlassungsschein an das Bezirksamt Mitte von Berlin. Dieses lehnte den Antrag unter dem 1. April 2009 ab.

Bereits zuvor erstellte die Klägerin für die Behandlung des P eine Kostenrechnung unter dem Datum 3. März 2009, welcher als Adressat ebenfalls den P selbst nennt.

Der P verstarb am 10. November 2009.

Auf Anfrage der Klägerin teilte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg dieser mit, dass als letzte bekannte Krankenkasse die Beklagte bis 31. Dezember 2006 verzeichnet sei. Für die Zeit ab danach lägen keine Daten mehr vor.

Die Klägerin hat am 3. Februar 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben.

Das Bezirksamt Mitte von Berlin (Amt für Soziales) hat unter dem 4. Juli 2014 mitgeteilt, dass unter den Angaben des P keine Person registriert sei. Das Jobcenter Berlin-Mitte hat unter dem 25. Juli 2014 die Auskunft erteilt, dass P dort keine Leistungen bezogen habe und auch in der zentralen Personendatenverwaltung der Bundesagentur für Arbeit nicht verzeichnet sei.

Zur Klagebegründung hat die Klägerin vorgetragen, die genannte Kostenrechnung sei der Beklagten spätestens am 10. August 2010 zugegangen. Sie nehme in einem Schreiben an die Klägerin vom 2. September 2010 hierauf Bezug. Bis zur stationären Aufnahme am 18. September 2008 habe nach dem 31. Dezember 2006 keine anderweitige gesetzliche oder private Krankenversicherung bestanden. Auch sei eine Kostenübernahme durch das Bezirksamt Reinickendorf von Berlin nicht erfolgt. Trotz Aufforderung habe die Beklagte die Behandlungskosten nicht übernommen. Dazu sei sie jedoch nach § 109 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V verpflichtet, da der P während des Behandlungszeitraumes bei ihr nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB V gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Es sei § 186 Abs. 11 Satz 1 SGB V ergänzend heranzuziehen. Die Kostenlast trage die Be...

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