Reform des Tatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort

Bundesjustizminister Marco Buschmann plant eine Entschärfung des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Nur bei Personenschäden soll Unfallflucht strafbar bleiben.

Die geplante Reform des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB ist Teil des von der Ampelkoalition vereinbarten Gesamtplans einer Entrümpelung des Strafrechts von überflüssigen Straftatbeständen. Nach Auffassung des Bundesjustizministers gehören neben der Unfallflucht u. a. auch das Erschleichen von Leistungen (Schwarzfahren) und einige weitere Straftatbestände dazu.

Eckpunktepapier zur Entschlackung des Unfallfluchttatbestandes

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat bisher lediglich ein Eckpunktepapier vorgelegt. Nach diesem soll der Straftatbestand künftig auf die Fälle beschränkt werden, in denen Personen zu Schaden gekommen sind. Nach dem Plan des BMJ soll das unerlaubte Entfernen vom Unfallort im Fall von Sachschäden aber nicht ohne Sanktionen bleiben. Diese Fälle sollen zur bloßen Ordnungswidrigkeit mit der Folge der möglichen Verhängung von Geldbußen herabgestuft werden.

Entschlackung entspricht internationalem Recht

Der Bundesjustizminister verweist in diesem Zusammenhang auf Art. 31 des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr aus dem Jahr 1968. In diesem Abkommen werde zwischen Unfällen mit Personenschäden und solchen mit bloßen Sachschäden differenziert. Eine Reform entspreche damit auch dem internationalen Recht.

Entkriminalisierung von weniger schweren Fällen

Der Bundesjustizminister bezweckt mit seinem Vorschlag eine Entkriminalisierung von Verkehrsteilnehmern, die nach kleineren Blechschäden häufig unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen und wie lange sie am Unfallort auf den Halter eines beschädigten Fahrzeugs warten müssen. Die Einleitung von Strafverfahren gegen sich in dieser Lage nicht völlig gesetzestreue verhaltende Verkehrsteilnehmer sei häufig unangemessen. Dies gilt nach Auffassung des Bundesjustizministers vor allem dann, wenn die Person sich später bei der Polizei meldet oder eine Nachricht mit den persönlichen Daten hinterlässt.

Ist die Wartepflicht am Unfallort systemwidrig?

Der Bundesjustizminister verweist auch auf die Besonderheit des Straftatbestandes, der von Beteiligten verlange, sich selbst wegen eines Vergehens zu stellen. Damit werde das strafrechtliche Prinzip durchbrochen, dass niemand sich selbst der Beteiligung an einer Straftat beschuldigen müsse.

BMJ bezweckt mehr Rechtssicherheit

Nach Auffassung von Marco Buschmann dient die Reduzierung des Straftatbestandes auf Unfälle mit Personenschäden auch der Rechtssicherheit. Bei Unfällen mit Personenschäden wisse man, dass Unfallbeteiligte bis zum Eintreffen der Polizei warten müssen, um dem Beweissicherungsinteresse der Geschädigten gerecht zu werden. Bei Unfällen mit reinen Sachschäden sei demgegenüber vielen Verkehrsteilnehmern die Rechtslage unklar.

Schutz des Beweissicherungsinteresses durch Meldestelle

Bei Unfällen mit Sachschäden soll dem Beweissicherungsinteresse dadurch Rechnung getragen werden, dass die betroffene Person verpflichtet wird, den Unfall einer Meldestelle anzuzeigen. Diese Stelle ist noch einzurichten. Daneben oder alternativ soll am beschädigten Fahrzeug eine Schadensmeldung angebracht werden.

Anwaltschaft begrüßt Reformpläne

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) begrüßt die Pläne. Der DAV fordert eine grundsätzliche Reform des § 142 StGB auch bei Personenschäden. Bei diesen solle eine spätere Meldung des Unfalls die Strafbarkeit wegen Unfallflucht entfallen lassen, da die Meldung als tätige Reue gewertet werden solle. Dies biete den Betroffenen einen Anreiz, die Beteiligung im Nachhinein offenzulegen. Damit sei auch dem Feststellungsinteresse der Geschädigten besser gedient als mit der bisherigen Regelung.

Kritische Äußerungen der Versicherungswirtschaft

Die Versicherungswirtschaft steht den Plänen des BMJ kritischer gegenüber. Die Wartepflicht am Unfallort diene nicht zuletzt der unverzüglichen Rekonstruktion des Unfallgeschehens. Die Rekonstruktion ist bei einem unmittelbaren zeitlichen und lokalen Zusammenhang besser. Jörg Asmussen (Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft) befürchtet eine deutliche Einschränkung der Beweissicherungsmöglichkeiten. Im Nachhinein könne im Nachhinein nur schwer geklärt werden, ob Alkohol oder Drogen als Unfallursache im Spiel waren.

Richterbund erwartet keine Entlastung der Justiz

Der Deutsche Richterbund steht den Plänen ebenfalls skeptisch gegenüber. Die beabsichtigte Entlastung der Justiz sei eher ein frommer Wunsch. Nach bisherigem Recht hätten Gerichte angemessene Spielräume, um entsprechend zu reagieren. Häufig auch durch Einstellung der Verfahren, bei entsprechendem Verhalten der Beschuldigten. Würde in Zukunft das Entfernen vom Unfallort häufiger mit Bußgeldbescheiden sanktioniert, so sei als Folge mit einer Häufung von Einsprüchen zu rechnen. Insbesondere im Hinblick auf möglicherweise flankierende Fahrverbote und Punkte in der Flensburger Verkehrssünderkartei.

Die Umsetzung der Reformpläne ist ungewiss

Ein Gesetzentwurf des BMJ liegt noch nicht vor. Der Bundesjustizminister hat bisher lediglich die Länder und Fachverbände zu einer grundsätzlichen Stellungnahme zur Thematik aufgefordert. Das BMJ betont, es sei bisher nichts entschieden, es werde lediglich geprüft.

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Verkehrsunfall, Gesetz