AG Karlsruhe: Rechtmäßigkeit von Blockiergebühren bei Ladensäulen

Anbieter von Elektroladesäulen dürfen nach einer Entscheidung des AG Karlsruhe bei Überschreiten der zulässigen Höchststandzeit für Elektrofahrzeuge eine angemessene Strafgebühr erheben.

Mit Zunahme der Elektromobilität entsteht eine Reihe neuartiger Rechtsprobleme. Hierzu gehört u. a. die Frage der Zulässigkeit der Erhebung von Strafgebühren bei Überschreitung der zulässigen Ladehöchstdauer an Ladesäulen für Elektrofahrzeuge.

Höchstladezeiten an Elektroladesäulen üblich

Die meisten Anbieter von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge sehen Höchstladezeiten für die Betankung von Elektrofahrzeugen mit Strom vor. Wird die Ladezeit überschritten, so wird von den Kunden in der Regel eine Art Strafgebühr für die Überschreitung der Ladezeit erhoben. Hiermit wollen die Stromanbieter angesichts der bisher unzureichenden Ladeinfrastruktur in Deutschland sicherstellen, dass einzelne Ladezapfsäulen nicht unnötig lange von Kunden blockiert werden und damit für andere Fahrzeuge nicht zur Verfügung stehen.

Ladevertrag mit EnBW

Das Energieversorgungsunternehmen EnBW betreibt in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine Reihe von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge. Das Unternehmen bietet Kunden über die App „EnBW m.+“ die Nutzung ihrer Ladesäulen an. Der Kläger des vom AG Karlsruhe entschiedenen Rechtsstreits hatte über diese App einen Ladevertrag mit dem Stromanbieter geschlossen und sein Elektrofahrzeug an 3 verschiedenen Tagen über von EnBW zur Verfügung gestellte Ladesäulen geladen.

Zulässige Standzeiten dreimal überschritten

Die nach den Ladebedingungen von EnBW maximal zulässigen Standzeiten von 240 Minuten hatte er deutlich überschritten, weshalb EnBW für die betreffenden 3 Ladevorgänge Ladesäulenblockiergebühren von insgesamt 19,10 EUR vom Konto des Klägers eingezogen hat. Hiermit war der Kläger nicht einverstanden und klagte vor dem AG auf Rückzahlung.

Ladesäulenblockiergebühren zurecht eingezogen

Die Klage hatte vor dem zuständigen AG keinen Erfolg. Das Gericht war überzeugt, dass die Einziehung der Blockiergebühren nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Der Kläger habe durch Herunterladen der „EnBW m+“-App und durch Betätigen des Buttons „Tarif aktivieren“ den „e-charge-Tarif“ des Anbieters sowie dessen, aus der App unschwer ersichtliche Vertragskonditionen akzeptiert. Dies umfasse auch die dort ausdrücklich vereinbarte Ladesäulenblockiergebühr bei Überschreiten der zulässigen Ladezeit.

AGB über App rechtsverbindlich vereinbart

Die in der App deutlich ausgewiesenen Vertragskonditionen bewertete das Gericht als Allgemeine Geschäftsbedingungen, die durch den unzweideutigen Hinweis in der App gemäß § 305 BGB wirksam in den geschlossenen Ladevertrag einbezogen worden seien. Die AGB sähen bei Überschreiten einer Ladezeit von 240 Minuten am jeweiligen Ladeort eine Blockiergebühr von 10 Cent pro Minute vor. Diese sei für jeden einzelnen Ladevorgang auf eine Höchstgebühr von 12 EUR begrenzt.

Blockiergebühr ist rechtlich als Vertragsstrafe zu werten

Die Ladesäulenblockiergebühr ist nach Ansicht des AG als Vereinbarung einer Vertragsstrafe zu qualifizieren, die der AGB-Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB unterliegt. Hier sah das Gericht eine grundsätzliche Problematik darin, dass nach dem Wortlaut des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Inhaltskontrolle ausschließlich auf die schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien abzustellen und für die Berücksichtigung von Drittinteressen bei der Abwägung kein Raum sei. Ein solches Drittinteresse sei das Interesse anderer Autofahrer an freien Elektroladesäulen, das möglicherweise durch die Ladesäulenblockiergebühr geschützt werden soll.

Berücksichtigung von Drittinteressen bei kollektiv ausgerichteten Geschäftssystemen

Nach Auffassung des AG war im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass es sich bei den von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen angebotenen Elektroladesäulen um ein seinem Wesen nach kollektiv ausgerichtetes Geschäftssystem handelt. Bei einem solchen kollektiv ausgerichteten Geschäftssystem habe der Anbieter in besonderem Maße Rücksicht auf gemeinschaftliche Interessen zu nehmen. Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 242 BGB sei daher nach dem Grundsatz von Treu und Glauben das Interesse anderer Autofahrer an freien Ladesäulen bei Abwägung der schutzwürdigen Interessen im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB mitzuberücksichtigen.

Berechtigtes Eigeninteresse des Energieversorgungsunternehmens

Schließlich hat nach Auffassung des AG auch das Energieunternehmen selbst ein Eigeninteresse, zugunsten weiterer Kunden eine zeitnahe Freigabe der Ladesäule nach Durchführung des Ladevorgangs zu erreichen. Im Ergebnis hätten angesichts der noch sehr begrenzten Ladeinfrastruktur sowohl die Allgemeinheit als auch potenzielle Vertragspartner des Anbieters als auch der Anbieter selbst ein schützenswertes Interesse an einer ausreichenden Verfügbarkeit von Ladepunkten. Diesen Interessen diene die Vereinbarung einer Ladesäulenblockiergebühr, da hierdurch Druck auf die Kunden ausgeübt werden solle, die einzelnen Ladepunkte nicht unnötig lange zu blockieren.

Höhe der Gebühr ist angemessen

Nach Auffassung des Gerichts enthält die Gebühr auch keine unangemessene Benachteiligung der Nutzer. Die Gebühr sei geeignet, Kunden dazu zu bewegen, ihr Fahrzeug bei Erreichen der zulässigen Ladezeit umzusetzen. Durch die Deckelung auf eine Höchstgebühr von 12 Euro werde darüber hinaus gewährleistet, dass die Vertragsstrafe keine unangemessene Höhe erreiche. Der Höchstbetrag liege unterhalb der Höhe von Bußgeldern für einfache Parkverstöße.

Klage auf Rückzahlung abgewiesen

Im Ergebnis hat das AG die Klage auf Rückzahlung der abgebuchten Ladesäulenblockiergebühren abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

(AG Karlsruhe, Urteil v. 4.1.2024, 6 C 184/23)

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