Eigenbedaf bei angespanntem Wohnungsmarkt

Das Landgericht Berlin hat Stellung dazu bezogen, inwieweit ein Vermieter trotz Eigenbedarfs das Mietverhältnis aufgrund des angespannten Wohnungsmarkts fortsetzen muss. Was dieses Urteil für Mieter und Vermieter bedeutet, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Räumungsklage eines Vermieters wegen Eigenbedarfs

Eine Vermieterin kündigte ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs, weil sie als Eigentümerin ihre Wohnung in Berlin künftig selbst nutzen wollte. Im Kündigungsschreiben berief sie sich darauf, dass sie ihre Wohnung benötigt, weil sie in einem Restaurant in Berlin arbeiten wird, an dem sie Anteile erworben hat.

Doch der Mieter widersprach der Kündigung und verwies darauf, dass er in Berlin keinen angemessenen Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen findet. Aus diesem Grunde sei die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn mit einer unangemessenen Härte verbunden. Im Folgenden verklagte die Vermieterin ihn auf Räumung der Wohnung.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte wies die Klage ab. Das Gericht begründete dies damit, dass die Kündigung wegen einer unzureichenden Begründung bereits aus formellen Gründen unwirksam sei.

LG Berlin II weist Berufung des Vermieters zurück

Das LG Berlin II sah zwar die Kündigungserklärung wegen Eigenbedarfs zunächst als formell als wirksam an, weil die Vermieterin diese nach Auffassung der Richter formell ordnungsgemäß begründet hatte und die Wohnung auch tatsächlich benötigt im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Gleichwohl wies das Gericht die Räumungsklage der Vermieterin als unbegründet zurück und ordnete an, dass die Vermieterin das Mietverhältnis für 2 Jahre fortsetzen muss.

(LG Berlin, Urteil v. 25.1.2024, 67 S 264/22)

Die Richter begründeten das damit, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine unzumutbare Härte darstellt, weil für ihn aufgrund seiner begrenzten finanziellen Mittel kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung steht.

Mieter hat sich hinreichend um Ersatzwohnung bemüht

Das hat der Mieter laut LG Berlin dadurch unter Beweis gestellt, dass er sich über einen Zeitraum von 2 Jahren und 8 Monaten 244-mal vergeblich auf freie Wohnungen in Berlin sowie im Berliner Umland beworben hat.

Extreme Wohnungsmarktsituation in Berlin

Dass der Mieter keine reale Chance auf eine zumutbare Ersatzwohnung hat, ergibt sich nach Auffassung der Richter vor allem daraus, dass auf dem Berliner Wohnungsmarkt eine Leerstandsquote von nur noch 0,3 Prozent besteht, dem hohen jährlichen Bevölkerungszuwachs (fast 85.000 Personen im Jahr 2022), eines gesunkenen Bestandes an Sozialwohnungen sowie einer geringen Quote von Neubauten.

Bestätigung durch Sachverständigengutachten

Darüber hinaus hatte auch ein vom Gericht herangezogener Sachverständiger festgestellt, dass der Mieter aufgrund des knappen Angebotes freier Wohnungen in Berlin keine Ersatzwohnung findet.

Interessen des Mieters überwiegen

Demgegenüber sah das LG Berlin das Interesse der Vermieterin an dem Einzug in ihre Wohnung als weniger gewichtig an als das Interesse des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Denn für den Mieter bestehe das Risiko, dass er bei einer Räumung wohnungslos wird.

Keine unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses erforderlich

Die Anordnung der befristeten Fortsetzung des Mietverhältnisses begründete das Gericht damit, dass die unbefristete Fortsetzung nur ausnahmsweise in Betracht kommt. Darüber hinaus reiche die Fortsetzung für 2 Jahre, weil sich das Einkommen des Mieters bis dahin voraussichtlich verbessert.

Einordnung dieser Entscheidung

Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund interessant, dass es vielerorts einen angespannten Wohnungsmarkt gibt, der sich in den nächsten Jahren voraussichtlich verschlimmern wird. Das gilt vor allem für Metropolen wie Berlin, Hamburg, München und Stuttgart, in denen es kaum erschwingliche Wohnungen gibt. Hier müssen Vermieter damit rechnen, dass Gerichte die Fortsetzung des Mietverhältnisses zumindest für einen befristeten Zeitraum anordnen. Das dürfen sie allerdings nicht zwangsläufig. Vor allem muss der Mieter konkret darlegen und nachweisen können, dass er sich hinreichend um eine neue Wohnung bemüht hat. Das gilt auch, wenn er kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt hat.

Allerdings müssen Gerichte nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung genau begründen, weshalb sich Mieter auf einen Härtefall berufen können, wie dies das Landgericht Berlin getan hat. Das ergibt sich aus einem Urteil des BGH vom 22.05.2019, VIII ZR 180/18. Wichtig ist dabei auch, dass das Gericht einen Sachverständigen herangezogen hat.

(LG Berlin, Urteil v. 25.1.2024, 67 S 264/22)

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